Frauenanteil in Österreichs Vorständen erreicht neuen Höchststand, aber...

Das "Mixed Leadership Barometer" sieht Luft nach oben. Die meisten Frauen in Chefetagen sind in der Konsumgüterbranche anzutreffen. 

Die Anzahl weiblicher Vorstandsmitglieder in Österreichs börsennotierten Unternehmen (Stichtag 1. Jänner 2022) ist im Vergleich zur Jahresmitte 2021 (Stichtag 1. August 2021) um zwei Frauen gestiegen und hat somit einen neuen Höchstwert erreicht. Aktuell stehen in den im Wiener Börse Index notierten heimischen Unternehmen 16 weibliche Vorstandsmitglieder 188 männlichen gegenüber. Im Vergleich zur letzten Analyse bedeutet das einen prozentuellen Anstieg von 7,3 auf 8,5 Prozent – auch das ist eine neue Höchstmarke im Betrachtungszeitraum seit 2015. Somit hat sich der Frauenanteil in Vorständen seit Juli 2015 von 4,2 Prozent auf 8,5 Prozent mehr als verdoppelt. Das sind einige der Ergebnisse des Mixed Leadership Barometers der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY. Dafür werden regelmäßig die Strukturen von Vorständen und Aufsichtsräten der im Wiener Börse Index gelisteten österreichischen Unternehmen analysiert.

Auch bei den Aufsichtsräten tut sich was

In den heimischen Aufsichtsräten hat sich die positive Entwicklung fortgesetzt: In fast neun von zehn österreichischen WBI-Unternehmen ist aktuell mindestens eine Frau im Aufsichtsrat vertreten. Beinahe drei Viertel der österreichischen WBI-Unternehmen haben mindestens zwei weibliche Aufsichtsratsmitglieder. Somit ist in den Aufsichtsräten insgesamt die Anzahl der Frauen von 28,7 auf 29,7 Prozent gestiegen und hat damit ebenfalls einen neuen Höchststand erreicht: Es gibt nun 157 Aufsichtsrätinnen, um acht mehr als im Vorjahr (149). Gegenüber August 2021 hat sich die Gesamtzahl der Aufsichtsratsmitglieder von 520 auf 529 erhöht, 372 davon sind Männer.

"Der Frauenanteil bei Vorstandsmitgliedern der österreichischen börsennotierten Unternehmen ist im letzten halben Jahr leicht gestiegen – somit ist aktuell jedes 12. Vorstandsmitglied weiblich. Dass das einen neuen Höchstwert bedeutet, ist zwar ein positives Zeichen auf dem Weg zu mehr Diversität, doch der Wandel passiert äußerst langsam. Der Frauenanteil bleibt weiterhin auf niedrigem Niveau und die Parität liegt in weiter Ferne", kommentiert Helen Pelzmann, Partnerin (EY Law) und Verantwortliche für die Initiative Women. Fast Forward bei EY Österreich, die Ergebnisse.

Role Models

"Wenn wir in den kommenden Jahren immer mehr Frauen an den Unternehmensspitzen sehen, wird das eine enorme Signalwirkung entfalten. Es ist erwiesen, dass gerade inspirierende Role Models talentierte Frauen auf ihrem Karriereweg bestärken und ermutigen, den Aufstieg trotz Hindernissen auf sich zu nehmen – ohne weibliche Vorbilder in den Vorstandsetagen fehlt dieser motivierende Antrieb. Außerdem ist es wichtig, Frauen in den Besetzungsprozessen einzubinden, denn sonst werden kaum neue Aufsichtsrätinnen und Vorständinnen berufen", so Pelzmann.

Wichtig für den Wandel sei es auch, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern: "Für viele Frauen ist die Schwangerschaft entweder eine Bremse oder sogar die Endstation auf ihrem Karriereweg – in den meisten Fällen nicht aus Überzeugung, sondern aufgrund von Konventionen und festgefahrenen Modellen. Der Wiedereinstieg in das Berufsleben erfolgt danach oft nur auf Teilzeitbasis, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu garantieren. Und auf Teilzeitbasis die Karriereleiter hochzuklettern ist oft schwierig. Ein flexibles Arbeitsumfeld, mehr Unterstützung bei der Kinderbetreuung sowie mehr Akzeptanz und Beistand von den Unternehmen für individuelle Lebensmodelle von Frauen und Männern sind nur einige wichtige Elemente für einen Umbruch", sagt Pelzmann.

Die meisten Frauen sind momentan in den Chefetagen in der Konsumgüterbranche anzutreffen, wo ihr Anteil bei 23,5 Prozent liegt. An zweiter Stelle folgt die Immobilienbranche (12,5 Prozent) und an dritter Stelle die Industrie (9,8 Prozent). Keine einzige Vorständin gibt es in fünf Branchen: Informationstechnologie, Automobil, Rohstoffe, Telekommunikation und Transport.

Fast jedes dritte Aufsichtsratsmitglied in Wiener Börse Index-Unternehmen ist weiblich

Der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder ist wie auch schon die letzten Male weiter gestiegen: Seitdem mit 1. Jänner 2018 die gesetzliche Genderquote von 30 Prozent in Kraft getreten ist, erhöhte sich der Frauenanteil in den Kontrollgremien der österreichischen Wiener Börse Index (WBI) notierten Unternehmen deutlich und kontinuierlich von 19,0 Prozent (Stichtag: Dezember 2017) auf 29,7 Prozent – das bedeutet einen neuen Höchststand. Gegenüber August 2021 ist die Zahl der Frauen in den Aufsichtsräten der österreichischen WBI-Unternehmen leicht von 28,7 auf 29,7 Prozent gestiegen. Von den derzeit 529 Aufsichtsratsmitgliedern der im WBI notierten österreichischen Unternehmen sind 157 Frauen. Somit gibt es aktuell in 49 der 55 untersuchten Unternehmen mindestens eine Frau im Aufsichtsrat – das ist ein Unternehmen mehr als noch im August 2021.

"Bei der Einführung der Quotenregelung für Aufsichtsräte gab es viele Bedenken und Diskussionen. Auch wenn Quoten sicher kein Allheilmittel sind, sehen wir in diesem Fall einen ganz klaren Effekt. Seit der Einführung ist der Frauenanteil in den Kontrollgremien deutlich gestiegen. Die Quote hat die Themen Diversität und Gleichstellung deutlich weiter nach oben auf der Unternehmens-Agenda gehievt. In den nächsten Jahren wird man sehen, ob Frauen über die Quote hinaus als Aufsichtsrätinnen bestellt werden und so mit der Quote ein nachhaltiger Umdenkprozess angestoßen wurde", so Pelzmann.

Aufholbedarf trotz Fortschritt

Jeder fünfte Aufsichtsrat, der der Quotenregelung unterliegt, erfüllt die Quote noch nicht
Trotz deutlicher Fortschritte bei der ausgewogenen Besetzung von Aufsichtsräten gäbe es immer noch Aufholbedarf, so Pelzmann: "Die Genderquote zeigt Wirkung, es gibt 56 weibliche Aufsichtsratsmitglieder mehr als zum Zeitpunkt des Inkrafttretens. Dieser Zuwachs ist zu einem überwiegenden Teil darauf zurückzuführen, dass jene österreichischen im WBI notierten Unternehmen, die die Quote erfüllen müssen, mehr Aufsichtsratsposten an Frauen vergeben haben. Allerdings ist das Ziel noch nicht erreicht. Fast jedes fünfte verpflichtete österreichische Unternehmen muss die Frauenquote im Aufsichtsrat bei der nächsten Wahl erhöhen". Aktuell unterliegen 21 von den 53 im Wiener Börse Index notierten österreichischen Unternehmen der Quotenregelung.

Am höchsten ist der Anteil weiblicher Aufsichtsratsmitglieder in der Immobilien- (37,2  Prozent) und Energiebranche (37,1 Prozent), wo jeweils mehr als jedes dritte Aufsichtsratsmitglied eine Frau ist. Dahinter folgen die Finanz- und die Telekommunikationsbranche, wo jeweils genau jedes dritte Aufsichtsratsmitglied weiblich ist. Am niedrigsten ist der Anteil weiblicher Gremiumsmitglieder mit 16,7 Prozent aktuell in der Rohstoffbranche.

Aktuell jedes zwölfte Vorstandsmitglied in Österreich ist eine Frau

Nach wie vor ist in 40 von 55 österreichischen börsennotierten Unternehmen noch keine Frau im Vorstand vertreten. Immerhin drei der insgesamt 16 Frauen in Vorstandsetagen leiten das Unternehmen als CEO – Herta Stockbauer (BKS Bank), Silvia Schmitten-Walgenbach (CA-Immo) und Elisabeth Stadler (Vienna Insurance Group). Fünf Frauen stehen dem Finanz-Ressort vor. (jw)

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