Nachdem das Insolvenzgeschehen bereits seit März stark zurückgegangen ist, darf es jetzt nicht auch noch in den Winterschlaf geschickt werden, warnt der Kreditschutzverband von 1870, der mit Ende September die aktuellen Zahlen zu privaten und Unternehmensinsolvenzen zum dritten Quartal 2020 veröffentlicht hat.
"Wettbewerbsverzerrung" von ungreifbarem Ausmaß
Die Analyse der Unternehmensinsolvenzen zeigt auch nach einem weiteren Quartal post Corona-Shutdown ein unverändertes Bild: Durch Verschleppung der Insolvenzen kam es in den ersten drei Quartalen zu einem massiven Insolvenz-Rückgang von rund 32 Prozent. Die Passiva hingegen sind um über 100 Prozent auf 2,7 Milliarden gestiegen. Die daraus resultierende Konsequenz ist eine Wettbewerbsverzerrung, deren Ausmaß weiterhin nicht greifbar im Dunklen liegt. Die größte Gefahr dabei ist, dass gerade auch "gesunde Firmen" ins Verderben (mit-)gezogen werden.
Waren es 2019 noch 3.808 Insolvenzen, vermelden die ersten drei Quartale 2020 nur noch 2.583 Unternehmenspleiten. Dies ist ein Rückgang von 32,2 Prozent. Wird dieser Trend fortgeführt, bedeutet das auf das Jahr 2020 hochgerechnet ein Minus von rund 46 Prozent bzw. rund 1.300 Insolvenzen weniger als 2019. Dass diese Zahlen der Beweis für eine unberechenbare Ausnahmesituation ist, sieht man besonders an den betroffenen Dienstnehmern.
Obwohl es 2019 bedeutend mehr Insolvenzen gab (mit 12.200 betroffenen Dienstnehmern), haben 2020 rund 13.700 Dienstnehmer auf Grund einer Insolvenz ihre Arbeit verloren. "Die Situation am Arbeitsmarkt zeigt uns deutlich, dass die heimische Wirtschaft vor einer gesamtstrukturellen Herausforderung steht, die es in den Griff zu bekommen gilt. Der erster Schritt sollte hier die Rückkehr zu dem bewährten österreichischen Insolvenzwesen sein" so Karl-Heinz Götze, Leiter Insolvenz des Kreditschutzverband von 1870.
Die Insolvenzstatistik des KSV1870 für Unternehmen für das 1. bis 3. Quartal 2020 im Detail finden Sie hier.
Corona-Maßnahmen nach dem Gießkannen-Prinzip
Die skizzierte Situation hat die österreichische Wirtschaft den sogenannten "Corona-Maßnahmen" zu verdanken. Waren diese dafür gedacht Unternehmen, denen der verordnete Lockdown massiv geschadet hat, zu unterstützen, geht der Schuss nach hinten los: "Anstatt betroffene Firmen, die eine Zukunft vor sich haben, zu helfen, werden damit 'kranke' Unternehmen künstlich am Leben gehalten und ziehen damit tragischerweise auch noch gesunde Firmen ins Verderben. Durch ein Ende dieser Gießkannen-Maßnahmen könnte jedoch jetzt noch Schlimmeres verhindert werden" erklärt Götz.
"Stundungsmodus" löst Problem der Schulden nicht
Die Anzahl der Privatinsolvenzverfahren sind in den ersten drei Quartalen 2020 um ein Viertel eingebrochen – deshalb sind aber noch nicht weniger Schulden vorhanden. Wie bei den Unternehmen kam es auch bei den Privatinsolvenzen aufgrund der Corona-Maßnahmen in Folge des Shutdowns im Frühjahr zu einem deutlichen Rückgang. 5.350 Verfahren bedeuten ein Minus von 25,4 Prozent zum Vorjahr. Die Verbindlichkeiten sind sogar um 31,7 Prozent geringer geworden. Diese positiven Zahlen täuschen, wenn man deshalb denkt, dass die Privatschulden gesunken sind. Vielmehr sind sie das Resultat von einem "Stundungsmodus", in dem wir uns aktuell befinden.
Stundungen nicht der Schlüssel zur Entschuldung
Aufgrund der stark erhöhten Möglichkeit Fälligkeiten stunden zu lassen, kann der Eindruck entstehen, dass dieses Instrument ein erster Schritt in Richtung Entschuldung ist. Jedoch ist eher das Gegenteil der Fall. "Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass durch eine Verzögerung der Fälligkeit, die Schulden weg sind. Das einzig richtige Instrument um sich geregelt zu entschulden ist und bleibt das Privatinsolvenzverfahren" stellt Karl-Heinz Götze klar.
Die Statistik des KSV1870 für Privatinsolvenzen für das 1. bis 3. Quartal 2020 im Detail finden Sie hier. (red)
www.ksv.at
Kommentar schreiben