Pressefreiheit gerät in Österreich stark unter Druck

| 21.04.2020

Situation hat sich verschlechtert – die Journalistengewerkschaft warnt.

In der Rangliste der Pressefreiheit hat die Nicht-Regierungsorganisation "Reporter ohne Grenzen" (RSF) die Situation für Medienschaffende in 180 Staaten und Territorien miteinander verglichen. Insgesamt stehen auf den oberen Plätzen ausschließlich Länder mit demokratisch verfassten Regierungen, in denen die Gewaltenteilung funktioniert, so RSF in einer Aussendung.

Norwegen, gefolgt von Finnland, Dänemark und Schweden sowie den Niederlanden führen die Liste an. Zu den Schlusslichtern zählen wie in den Vorjahren Nordkorea, Turkmenistan, Eritrea, China, Saudi-Arabien, Irak und Iran sowie Algerien, Türkei und Russland. In der EU sind Ungarn und Polen abgerutscht, Bulgarien ist das am schlechtesten platzierte EU-Land auf Rang 111 von 180.

Die größten Aufsteiger in der diesjährigen Rangliste der Pressefreiheit sind Malaysia (Rang 101, +22 Plätze) und die Malediven (79, +19). Am stärksten verschlechtert hat sich die Lage in Haiti (83, -21), wo seit 2018 bei teils gewalttätigen Protesten immer wieder Reporterinnen und Reporter angegriffen werden und 2019 ein Journalist ermordet wurde.

Österreich verlor erneut zwei Plätze und rutscht vom 16. auf den 18. Rang

Nach der eindeutigen Verschlechterung der Lage für Medienschaffende in Österreich, die sich 2019 im Verlust von gleich fünf Plätzen im Pressefreiheitsranking niederschlug, hat sich die Situation auch jetzt nicht entspannt. Österreich rutscht im Ranking von Reporter ohne Grenzen um weitere zwei Plätze ab und landet mit einem Score von 15,78 Punkten (zuvor 15,33) auf Platz 18 (zuvor 16) hinter Luxemburg.

"Der Verlust von zwei Plätzen im Ranking ergibt sich vor allem daraus, dass wir im vergangenen Jahr einen steigenden Druck auf die unabhängige und kritische Berichterstattung in Österreich spüren konnten," sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, "und der ging nicht nur von der Regierung selbst aus." Öffentliche Diffamierungen von JournalistInnen oder Bevorzugung der Privat- und Boulevardmedien waren anfangs altbekannte Begleiterscheinungen einer schwarz-blauen Koalition. Vermehrte Interventionen in Redaktionen, Ausschluss einzelner Medienvertreter von Pressekonferenzen, die Versuche des ehemaligen Innenministers, das Handy einer Journalistin zu beschlagnahmen: "Im vergangenen Jahr konnten wir gut erkennen, welches Verständnis von Pressefreiheit konservative und rechtsradikale Parteien vertreten", so Rubina Möhring. Nicht zuletzt hätten vermehrte verbale Attacken und ein Klima der Intellektuellenfeindlichkeit zum Verlust der wertvollen Plätze im Ranking geführt.

Aus den Punktwerten aller bewerteten Länder bildet RSF einen globalen Indikator der Pressefreiheit, der eine Bewertung der Entwicklung weltweit sowie einen Vergleich verschiedener Weltregionen erlaubt. 2020 ist er um 0,9 Prozent gesunken, was eine minimale Verbesserung der Lage der Pressefreiheit bedeutet.

Recht auf Information wichtiger denn je

"Die Coronakrise – wie wir sie auch hinsichtlich Pressefreiheit bezeichnen können – wirkt wie ein Brandbeschleuniger für autoritäre Tendenzen und repressive Krisenherde," sagt Rubina Möhring. "Zahlreiche Länder, die Scores in der Rangliste verloren haben, gehen zur Zeit besonders aggressiv gegen die demokratische Grundordnung vor. Die aktuelle Rangliste der Pressefreiheit zeigt auf, welche Länder und Regierungen bereits vor der Krise bedrohende Regulierungen für die Pressefreiheit forcierten", so Möhring. Es seien ebendiese Länder, "die uns aufzeigen, wo die Eingriffe in die Rechte der Presse- und Informationsfreiheit hinführen können und auf welche Entwicklungen wir deshalb auch in Österreich ein besonderes Augenmerk legen sollten."

Medienförderung neu

Die Journalistengewerkschaft in der GPA-djp fordert anlässlich der Rangliste die "Medienförderung neu", um qualitätsvollen und damit kritischen Journalismus in Österreich sicherzustellen. "Diese muss allerdings nach Qualitätskriterien wie die Einhaltung von Gesetzen und Kollektivverträgen, also arbeits- und sozialrechtlichen Mindeststandards, ausgerichtet sein. Unabdingbar für eine Förderung müssen zudem die Zahl angestellter Journalistinnen und Journalisten, die Sicherstellung von deren qualitätsvoller Aus- und Weiterbildung, der Umgang mit freien Journalistinnen und Journalisten (also Einhaltung der von den Sozialpartnern vereinbarten Honorarsätze), die Mitgliedschaft und damit die Anerkennung der Sprüche des Presserates, sowie Redakteursstatute, sein", fordert Eike-Clemens Kullmann, Bundesvorsitzender der Journalistengewerkschaft in der GPA-djp. (red)

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