Österreichs Mode- und Schuheinzelhandel steht vor gravierenden Veränderungen. Das Verhalten der Konsumenten wird immer wechselhafter und preissensibler, Marken- und Händlertreue gelten als verschwindende Phänomene, Nachhaltigkeit gewinnt an Bedeutung. Große Zuwachsraten im Distanzhandel führen immer öfter zu Leerständen in ehemaligen Top-Lagen und Shoppingcentern. Dies geht aus dem aktuellen "Retail Report" hervor, den das Wiener Beratungsunternehmen Advicum Consulting veröffentlicht hat.
Langfristig durchdachte "Omnichannel-Konzepte" gefragt
"Unternehmen dürfen strategische Fragen nicht mit operativen Aktivitäten beantworten", betont Studienautor Andreas Kornberger, Associate Partner bei Advicum, anlässlich der Präsentation des Reports. Gefragt seien vielmehr langfristig durchdachte "Omnichannel-Konzepte", die eine nahtlose Integration von stationärem Geschäft, Webshop und allen weiteren Kunden-Touchpoints bis hin zu sozialen Netzwerken, Servicechats und Newslettern sicherstellen.
Die komplette Ausrichtung an den Erwartungen und Bedürfnissen des Kunden sei dabei ebenso notwendig wie die Nutzung moderner datenbasierter Modelle zur besseren Kenntnis des Marktes und des eigenen Betriebes. Oft werde dies auch mit einer Reduktion der Komplexität im Sortiment, in den Unternehmensabläufen und Standorten einhergehen müssen, so Kornberger.
Umsätze wachsen, Einkaufskanäle verändern sich
Wer die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkenne und entsprechend agil handle, habe im österreichischen Mode- und Schuhhandel freilich immer noch gute Aussichten, ist man bei Advicum Consulting überzeugt: "Denn die Umsätze werden in den kommenden Jahren allein schon dank des Bevölkerungswachstums mengen- und wertmäßig zulegen – insbesondere bei den Kernsortimenten Damenbekleidung und Lederschuhe, aber auch im wachsenden Segment der Freizeit-Outfits und Sportschuhe."
Derzeit geben Herr und Frau Österreicher im Jahr etwas mehr als 1.000 Euro für Kleidung und 250 Euro für Schuhe pro Kopf aus. Bis 2021 darf die Branche mit jährlichen Wachstumsraten von 1,7 Prozent (Kleidung) bzw. 1,3 Prozent (Schuhe) rechnen.
Digitale Revolution
Die digitale Revolution macht aber auch vor dem Mode- und Schuheinzelhandel nicht halt. Zuletzt ging dies in erster Linie auf Kosten des Versandhandels, der in den vergangenen sechs Jahren in Österreich um 37 Prozent abgenommen hat. Die Zahl der stationären Einzelhandelsgeschäfte ist in den letzten zehn Jahren um 20 Prozent zurückgegangen.
Schon 2021 dürfte in Österreich knapp ein Fünftel der Bekleidung und ein Viertel aller Schuhe online gekauft werden. Beeindruckend sind die Wachstumsraten derzeit vor allem beim Mobile Commerce (Einkauf via Smartphone) und Social Commerce (Einkauf über soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder YouTube).
Florian Bernhard, Studienautor und Senior Consultant bei Advicum © Advicum Consulting
"Neue Technologien werden auch Vertrieb und Logistik im Mode- und Schuhhandel in den kommenden Jahren massiv verändern", prognostiziert Florian Bernhard, Studienautor und Senior Consultant bei Advicum. So liegen im Bereich Bekleidung die Retourenquoten im Online-Geschäft bei rund 50 Prozent. Dementsprechend werden neue Logistiksysteme für Lagerhaltung und Auftragsabwicklung etabliert werden müssen, die den aktuellen technologischen Fortschritt nützen und manuelle und automatisierte Komponenten effizient kombinieren. Eine große Rolle werde auch die gezieltere und beschleunigte Endkundenbelieferung spielen, beispielsweise durch den Einsatz von Drohnen, selbstfahrenden Robotern – oder vorerst einmal mehr Fahrradkurieren in der urbanen Umgebung.
Konsumenten für Nachhaltigkeit sensibilisiert
"Zunehmende Bedeutung werden die Themen Ökologie und Nachhaltigkeit im Mode- und Schuheinzelhandel erlangen – ein vor allem für die 'Millennials' wesentlicher kaufbeeinflussender Faktor", ist Bernhard überzeugt. Für den Weg von der Produktion in den Handel und vom Handel zu den Kunden müssen umweltfreundliche Verpackungslösungen gefunden werden.
Die Sensibilität der Konsumenten in Sachen Plastiktaschen sei erheblich gewachsen. Knapp 80 Prozent der Kunden verwenden lieber eigene mitgebrachte Tragetaschen statt welche zu kaufen. Ökologisch betrachtet sind Textiltragetaschen oder Einkaufstaschen aus recyceltem Polyethylen wesentlich nachhaltiger als beispielsweise Papiertüten. "Mit wachsendem Nachhaltigkeitsbewusstsein der Konsumenten wird auch das Thema Transparenz eine wesentliche Rolle im Mode- und Schuhhandel der Zukunft spielen", heißt es im Advicum Retail Report. Bereits jetzt gibt es erste Projekte, die Kleidungsstücke und Schuhe mit Smart Tags zu versehen, die Informationen über verwendete Materialen, Herkunft, Recyclingfähigkeit und Wiederverwertbarkeit kommunizieren. (as)
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