Kürzlich ging im Wiener Palais Ferstel das 24. Retail Symposium by RegioPlan über die Bühne. Mit einem vielfältigen Programm wurden Herausforderungen und Chancen des Handels sowie der Handelsimmobilienbranche in turbulenten Zeiten diskutiert, neue Impulse gesetzt und Kontakte geknüpft.
Eröffnet wurde das Symposium von Samantha Riepl (CEO) und Romina Jenei (CEO) von RegioPlan Consulting GmbH. Laut ihnen sei das Bedürfnis, sich auszutauschen in krisengebeutelten Zeiten groß. Dies wurde auch durch das Erreichen des neuen Teilnehmerrekords mit knapp 380 Anmeldungen deutlich. Samantha Riepl brachte den Leitfaden der Veranstaltung auf den Punkt: "Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel neu setzen!". Durch das Programm führte Moderator Gerald Groß.
"Der Wandel als einzige Konstante"
Anthony Crow (Head Of Retail, OTTO Immobilien GmbH) leitete mit einem Blick auf den Status Quo des Handels den ersten Teil der Veranstaltung ein. Die Branche sei im massiven Umbruch, der Onlinehandel oftmals der Übeltäter. Gleichzeitig sei aber eine Aufbruchsstimmung zu spüren, betonte der Experte. Der Anteil der neueröffneten Flächen steige. Der Trend gehe zwar zur Flächenverkleinerung, dafür aber zu Toplagen sowie neuartigen Shop-Konzepten. An eine Verdrängung des stationären Handels glaubte Anthony Crow nicht: Läden seien essentiell für das Image, die Markenbotschaft und das Übermitteln von Emotionen. Um die Zukunftsfähigkeit des stationären Handels sicherzustellen, brauche es allerdings neue Konzepte wie das hybride Kauferlebnis, innovative Features oder die Individualisierung von Produkten.
Im Mittelpunkt aller Überlegungen müssten aber auch im Retail 4.0 immer die Konsument:innen stehen.
Eine Meinung, die auch Paul Douay (Director of Operations Austria & Germany bei Unibail-Rodamco-Westfield) vertrat. Auch er betonte die Wichtigkeit der Verknüpfung von Offline und Online und nannte dieses Konzept "phygital". Dabei gelte: Wer die Macht des Konsumenten kennt, gewinne. Und dieser verlange neue Konzepte, lege Wert auf Nachhaltigkeit und sehne sich nach Erlebnissen: "Der Konsument möchte keine Shopping-Center mehr! Er will Orte, wo man etwas erleben kann!".
Luft nach oben bei Smart Data
Wie man Kundendaten nutzt, um bessere Business Entscheidungen zu treffen diskutierten Juergen Kalchgruber-Siegl (Senior Sales Manager - Finance and Retail, Microsoft Österreich GmbH) und Andreas Kranabitl (Managing Director, Spar Business Services GmbH) moderiert von Magdalena Brandstetter (Partnerin, Dorda Rechtsanwälte GmbH). Es bestand Einigkeit: In Österreich sei beim Thema Smart Data noch viel Luft nach oben. Die meisten Unternehmen hätten bereits viele Daten, würden sie aber noch nicht richtig nutzen. Dabei sei das Potential groß: Von smarten Einkaufswägen über Dynamic Pricing bis hin zur Entlastung der Mitarbeiter:innen durch Automatisierungen.
In einer weiteren Runde bestehend aus Maurice Beurskens (CEO von gurkerl.at), Markus Dulle (CEO, 3e Handels- und Dienstleistungs AG), Ernst Mayr (Geschäftsführer, Fussl Modestraße Mayr GmbH) und Bernhard Moser (Internationale Bereichsleitung für OCR, dm drogerie markt GmbH) moderiert von Tanja Tanczer (Head of Retail, Colliers International Immobilienmakler GmbH) wurden Strategien für zukunftsorientierte Einzelhändler diskutiert. Auch hier bestand kein Zweifel: Daten seien relevant und für den zukünftigen Erfolg entscheidend. Markus Dulle fügte hinzu: "Wir haben heute schon gehört: Standort, Standort, Standort und Daten, Daten, Daten. Ich sage auch: Menschen, Menschen, Menschen." Auch Bernhard Moser vom Omnichannel-Pionier dm betonte: "Die Mitarbeiter:innen vor Ort machen immer noch den Unterschied".
Den Abschluss des ersten Teils machte der "Hot Seat" zu Thema „Creating the Unexpected: Von der kleinen Einzelhandelsfläche zur besonderen Erlebniswelt". Drei Persönlichkeiten wurden auf den „heißen Stuhl" gebeten und standen Rede und Antwort. Christoph Bründl (Geschäftsführer, Bründl Sports Gruppe) erzählte vom neuen Erlebnis-Flagship-Store mitten in den Bergen". Auch Jan Janko (Expansion Manager, Ikea Austria GmbH) sah die Zukunft in neuen Shop-Konzepten und der Konzentration auf Kund:innenberatung. André Rajic (Expansionsleiter DE/AT, Maisons du Monde) berichtete seinerseits von den Expansionsplänen des Deko- und Möbelhändlers.
Neue Ansätze für Handelsimmobilien
Amela Salihovic (Marketing & PR, RegioData Research GmbH) leitete mit Key Facts den zweiten Teil des Retail Symposiums ein. Die Pandemie führte nicht etwa zur Beschleunigung des seit Jahren vorangehenden Flächenschwunds, vielmehr bremste sie diesen sogar. Es sei aber zu erwarten, dass der Schwund der Verkaufsflächen ab dem Jahr 2024 wieder an Dynamik gewinne.
Bei der folgenden Diskussion zum Thema "Retail goes Green: Mit Nachhaltigkeit bei Handelsimmobilien auf der Überholspur" waren sich die Branchenexpert:innen sicher: Eine Investition in Nachhaltigkeit möge kurzfristig teurer sein, zahle sich aber langfristig immer aus. Christoph Andexlinger (COO, SES Spar European Shopping Centers, Jürgen Bruckner (Konsulent, Krocon Asset Management GmbH), Harald Dutzler (Partner and Operations Practice Lead Strategy& Europe) und Peter Engert (Geschäftsführer, ÖGNI GmbH) berichteten unter der Moderation von Gerhard Rodler (Herausgeber und Chefredakteur Immobilien Magazin Verlag GmbH) von ihren Erfahrungen mit nachhaltigen Konzepten bei Handelsimmobilien.
Ein Konzept zur zusätzlichen Nutzung von Fachmarktzentren stellte Alexander Rössler (Head of Group Development bei Immofinanz AG) in seinem Impulsvortrag vor: On Top Living baut Wohnungen über Fachmarktzentren - mit leistbaren Miet-Preisen und attraktiven Renditen.
Mixed-Use als Erfolgsgarant war auch Thema des Expertenpanels mit Alexander Budasch (Geschäftsführender Gesellschafter Austro Immo GmbH), Erwin Größ (Geschäftsführer Strabag Real Estate GmbH & Direktionsleiter Mischek Bauträger Service GmbH), Alexander Kopecek (Vorstand, Wien 3420 AG), Christian Wagner (Geschäftsführer 6B47 Real Estate Investors AG), Walter Wölfler, (Head of A&T Retail CEE & Austria & Senior Director CBRE GmbH) moderiert von Mario Schwaiger (Bereichsleiter Einzelhandelsimmobilien EHL Gewerbeimmobilien GmbH). Der Mangel an Bauland und der größer werdende politische Druck bei Bodenversiegelungen würden das Konzept der gemischten Nutzung attraktiv machen. Aber: Mixed-Use sei in der Investorenwelt noch nicht wirklich angekommen.
Blick in die Zukunft
Der dritte Teil der Veranstaltung war dem Blick in die Zukunft gewidmet. Eröffnet wurde er erneut mit Daten von RegioData durch Amela Salihovic, die über die Umbrüche im Einzelhandel referierte und dabei unter anderem die reale Kaufkraft, automatisierte Shopkonzepte und Vertriebslinien im Onlinehandel thematisierte.
Norbert Hillinger (Zukunftsforscher & Senior Associate, Themis Foresight GmbH) nahm die Teilnehmer auf eine Reise in die Zukunft in drei Kapitel mit. Von der Villa aus dem 3D-Drucker über virtuelle Vermögenswerte bis hin zum automatisierten Management.
Wie zukunftsfähige Handelskonzepte entwickelt werden, zeigten die Teilnehmer:innen des Elevator Pitches unter dem Titel "90 Seconds to Fame: Lebensmittelhändler und Gastronomen auf dem Vormarsch" vor. Moderiert von Monika Hohenecker (Senior Expert Cities & Municipalities, RegioPlan Consulting GmbH) stellten Hartmut Graf (CEO, TQSR Group GmbH), Andrea Lunzer (Gründerin und Geschäftsführerin Lunzers Maß-Greißlerei, Beraterin für Zero Waste Retail Konzepte), Christoph Mayer (Gründer und Geschäftsführer, Kastl-Greissler GmbH) und Eva Pokorny (Head of Key Account Management, Too Good To Go) ihre Business Modelle vor.
Martin Riester (Geschäftsbereichsleiter Logistik und Supply Chain Management, Fraunhofer Austria Research GmbH) widmete sich in seinem Impulsvortrag der Frage "Künstliche Intelligenz im Einzelhandel: Geht es überhaupt noch ohne?".
Doch nicht nur im Hintergrund bieten neue Technologien Möglichkeiten: Markus Beyr (Chief Executive Officer, Attraktion! GmbH) zeigte auf, wie 5D Shopping immersive Erlebnisse für die Kund:innen ermögliche und welche Chancen Service Robotik biete.
Den Abschluss des Nachmittages bildete der "4-Augen-Blick" in die Zukunft von Barbara Graf (Expansion Manager Austria, Pepco Austria GmbH) gemeinsam mit Norbert Hillinger. Wie kann ein "Next Level Retail im Jahr 2025" aussehen? Einstimmig wurde festgestellt: Der stationäre Handel müsse gefördert und attraktiver gestaltet werden, ansonsten drohe der Kund:innenverlust an den Onlinehandel. Möglichkeiten und Konzepte gibt es genug, sofern man Neuem aufgeschlossen bleibt. Ist man hier in Österreich zu zurückhaltend? In keiner Weise, denn die heimische Branche beobachtet neue Trends genau und reagiert sobald sich ein Konzept bewährt hat.
Fazit
Abschließend kann festgehalten werden, dass sich am 24. Retail Symposium zeigte, dass die heimische Handels- und Handelsimmobilienbranche trotz der turbulenten Zeiten keineswegs pessimistisch in die Zukunft blickt. Vielmehr wird an neuen Konzepten und Möglichkeiten gearbeitet und neue Herausforderungen angegangen. (red)
LEADERSNET war beim Symposium mit dabei. Eindrücke finden Sie hier.
www.regioplan.eu
www.retailsymposium.eu
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