Donald Trump oder Kamala Harris? Diese Frage ist nicht nur für Amerika, sondern auch für die österreichische und europäische Wirtschaft relevant. Bereits seit sechs Uhr früh wurde daher über das wahrscheinliche Wahlergebnis der US-Wahl in den Clubräumen der Österreichisch-Amerikanischen-Gesellschaft (ÖAG) debattiert. Dabei standen - noch bevor die Stimmen von im Fokus nicht nur Trends, sondern auch die Auswirkungen der Wahl auf globaler, europäischer und österreichischer Ebene.
"Es dürfte doch sehr viel schneller zu einem aktuellen Ergebnis kommen. Das schafft Klarheit und für uns als Österreich-Amerikanische-Gesellschaft ist es immer wichtig, Verständnis füreinander zu schaffen. Und das ist der erste Beitrag dazu", sagte ÖAG-Präsident Philipp Bodzenta gegenüber LEADERSNET.tv als noch nicht fix war, dass Donald Trump die Wahl (ganz klar) gewinnen wird.
"Das einzige Positive ist, manchmal brauchen Menschen, aber auch ganze Nationen einen Schock", so Andreas Salcher, ehemaliger ÖAG Generalsekretär und Buchautor gegenüber LEADERSNET.tv mit Blick auf den Stand der Wahlergebnisse. "Und diese Wahl wird, wenn sie so ausgeht, wie es ausschaut, ein Schock sein. Und es ist zu hoffen, dass wir Europäer:innen daraus lernen, erkennen, dass wir selbstständiger sein müssen – militärisch. Dass wir wirtschaftlich besser werden müssen. Dieses ungemeine 'Bürokratietum', mit dem wir unsere Unternehmen fordern und überfordern, damit muss Schluss sein. Und wir müssen uns auf das konzentrieren, was Europa gut kann: nämlich die Kreativität und die Innovation. Und damit sind wir auch sehr lange gut gefahren. Und darauf müssen wir uns wieder konzentrieren."
Damit ist Salcher nicht allein. Auch Gregor Kössler, Politischer Direktor BMEIA, sieht bei einem Sieg von Trump einen Auftrag für Österreich und die Europäische Union: "Obwohl wir in der Bevölkerungszahl, bei den Wahlberechtigten, obwohl wir bei der Exportquote stärker sind als Nordamerika, haben wir noch keine gemeine Außensicherheit und Verteidigungspolitik, liegen wir in den Investments, in den neuen Technologien hinter Amerika und China. Allein dieses unterschiedliche Interesse zeigt, was wir zu tun haben: selbstbewusster sein, entschlossener sein, souveräner werden und geeinter werden als Europäische Union."
Barbara Teiber, Vorsitzende Gewerkschaft GPA, wird gegenüber LEADERSNET.tv etwas genauer. Sie zweifelt daran, dass die Politik des 78-jährigen verurteilten Straftäters Besserung für die USA bringe: "Eigentum ist in den USA weitverbreitet. Viel mehr sogar als bei uns. Das können sich immer weniger Familien und junge Menschen leisten. Und die haben da in Trump anscheinend eine Hoffnung gesehen. Aber ob er wirklich Politik macht, dass es vielen besser geht, das bezweifle ich massiv."
"Es könnte einen gewissen Handelskrieg auslösen"
Vertreter:innen der Wirtschaft und Industrie äußern vor allem Bedenken wegen möglicher Strafzölle. "Die großen Befürchtungen auf der wirtschaftlichen Seite sind, dass der neu gewählte Präsident Trump zumindest Strafzölle gegenüber der Automobil-Industrie, aber zum Beispiel auch in der produzierenden Industrie weltweit schlichtweg einführen wird. Teilweise bis zu 100 Prozent", betont Christoph Haselmayer, Geschäftsführer Institut Demoskopie und Datenanalyse. Laut ihm bestehe die Möglichkeit eines Handelskrieges. Und auch mit Blick auf den Ukrainekrieg bleibt der Geschäftsführer skeptisch: "Und auf der anderen Seite hat er angekündigt, den Ukrainekrieg in 24 Stunden zu beenden. Und wir kennen ja von seiner ersten Amtszeit das Wort Deal. Es ist nur die Frage, welchen Deal und ob es einen schmutzigen Deal geben wird. Und wie der ausschauen wird."
Ein Sieg Trumps rückt damit ins Feld, dass Europa in einem Wirtschaftsstreit mit China als Kollateralschaden getroffen wird. Das könnte auch in Österreich abseits von Strafzöllen zu schweren Problemen führen. Besonders mit Blick auf die Auto-Industrie, wie Christoph Badelt, Wirtschaftswissenschaftler und Präsident Fiskalrat, weiß: "Für Österreich ist der amerikanische Markt sowohl direkt bedeutsam, weil wir selbst viel in die USA exportieren, aber auch indirekt über Deutschland – insbesondere in der Auto-Industrie – das heißt, es ist schon einiges an österreichischer Betroffenheit da."
"Die Börse hat sich eigentlich schon auf dieses Szenario eingestellt"
Doch nicht alle von LEADERSNET.tv befragten Expert:innen zeigten sich skeptisch gegenüber dem Sieg Trumps. Monika Rosen, Börsenexpertin und Vizepräsidentin ÖAG, weiß, wem der Sieg erfreut: "Die Börse hat sich eigentlich schon auf dieses Szenario eingestellt und hat da im Vorfeld schon ein bisschen gefeiert, möchte ich sagen. Er gilt als wirtschaftsaffin, als unternehmensfreundlicher – weniger Steuern, weniger Regulierungen. Also insofern hat das schon einmal beflügelnd gewirkt. Wie es jetzt das mittelfristige Szenario sein wird, wird sich zeigen. Aber für die Börsen vielleicht auch wichtig, dass wir sofort oder relativ sofort ein eindeutiges Ergebnis haben. Weil nichts ist schlimmer als eine lange Unsicherheit."
LEADERSNET.tv holte neben Philipp Bodzenta (Präsident Österreichisch-Amerikanische Gesellschaft), Andreas Salcher (ehem. ÖAG Generalsekretär und Buchautor), Gregor Kössler (Politischer Direktor BMEIA), Barbara Teiber (Vorsitzende Gewerkschaft GPA), Christoph Haselmayer (Geschäftsführer Institut Demoskopie und Datenanalyse), Christoph Badelt (Wirtschaftswissenschaftler und Präsident Fiskalrat) und Monika Rosen, (Börsenexpertin und Vizepräsidentin ÖAG) auch Othmar Karas (Ehem. 1. Vizepräsident EU-Parlament), Sabine Haag (Generaldirektorin Kunsthistorisches Museum) und Susanne Kraus Winkler (Staatssekretärin Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft) vor die Kamera.
www.oag.at
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