Wohnraum in Wien wird knapp

| Redaktion 
| 26.04.2024

Die Baubewilligungen sind seit 2020 stetig abnehmend, seit 2022 dramatisch. LEADERSNET hat im Interview mit Michael Pisecky, Wiener Fachgruppenobmann der Immobilientreuhänder, den aktuellen Wohnungsmarkt analysiert.

LEADERSNET: Vorab zu den Zahlen. Wie viele Baubewilligungen gab es vor 2020, wie viele in den letzten beiden Jahren und was wäre der jährliche Bedarf?

Michael Pisecky: Laut der Statistik Austria gab es 2020 insgesamt 78 474 Baubewilligungen, 2021 waren es 78 758. Nach diesem leichten aufwärts 2021 ging es mit den Zahlen deutlich bergab. 2022 waren es insgesamt nur 64 194, 2023 nur noch 46 565 Baubewilligungen.

LEADERSNET: Betrifft die drohende Wohnraumverknappung den Bereich der Mietwohnungen oder auch die Eigentumswohnungen?

Michael Pisecky: Wir haben durch die enorme Bautätigkeit vor allem der gewerblichen Bauträger derzeit noch in den meisten Städten und Regionen ein ausreichendes Angebot an Wohnraum. Seit Mitte 2022 hat sich die Nachfrage für Eigentum halbiert und für Miete ist diese stark gestiegen.

Im Eigentum trifft derzeit ein geringes Angebot, da der Neubau stark zurückgeht, auf eine zögerliche Nachfrage. In der Miete wird der Überhang im Angebot gerade ausgeglichen. Wenn sich die Nachfrage, unterstützt dich die Rahmenbedingungen - Baupaket der Regierung, Zinsen sinken, Aufholbedarf, Lockerungen in der KIM-Verordnung - normalisiert und daher auch weniger Miete nachgefragt wird, wird der Neubaurückgang beide Bereiche gleichermaßen treffen.

LEADERSNET: Wie verhält sich die aktuelle Marktlage im Vergleich zu den Miet- und Kaufpreisen? Wird Wohnen dadurch teurer oder billiger?

Michael Pisecky: Im Wohnen steigen die Betriebskosten mit der Inflation, was gerade bei günstigeren Mieten oft die Hälfte oder mehr ausmacht. Die Mieten steigen moderat und die Preise im Eigentum sind stabil.

LEADERSNET: Wie stabil ist der Wiener Markt und was sind die wesentlichen Kauf- und Mietkriterien?

Michael Pisecky: Der Immobilienmarkt ist stabil, weil geringeres Angebot im Eigentum auf derzeitig schwache Nachfrage trifft – normalisiert sich die Nachfrage wieder, dann werden die Preise steigen, da der Neubau nicht so schnell stimuliert werden kann, wegen der Vorlaufzeiten. Bei Bestandobjekten ist der Engpass beim Neubau ebenfalls stabilisierend bis leicht steigend zu erwarten.

In der Miete kommt es früher zu einem zu knappen Angebot, hier drohen früher Preissteigerungen. Seitens der Politik, Bund und Land wird immer wieder der soziale Wohnbau, der Wohnbau durch die gemeinnützigen Bauvereinigungen forciert, diese bauen im Jahr jedoch nicht mehr als 15.000 Einheiten und davon lediglich 5.000 – 6.000 in Wien. Das ist gut so, deckt aber nicht den Bedarf allein. Daher sind Maßnahmen zur Förderung auch des gewerblichen Wohnbaus erforderlich. Die politische Diskussion und die Forderungen nach Mietsenkungen und leistbaren Wohnen schaffen keine zusätzlichen Wohnungen, im Gegenteil, sie senken das Angebot, verhindern Investitionen und vor allem den Neubau. Wir diskutieren mit vermeintlichem Sparen den Immobilienmarkt kaputt. Wir müssen darüber diskutieren, wie wir uns das Wohnen wieder leisten können und wie wir die vielen günstigen Wohnungen, die wir in Wien und in Österreich haben verteilen. Dazu gibt es eine ausgezeichnete Studie der Agenda Austria, welche darstellt wie die günstigen Wohnungen in Österreich verteilt sind und wie sie wirken.

www.wko.at

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