Wohin führt uns die "Generation Weicheier"?

| Redaktion 
| 22.10.2023

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Erst vor kurzem hat Arnold Schwarzenegger wieder einmal aufhorchen lassen. Anlässlich der Präsentation seines neuen Buches "Be useful" hat er vor einer verhätschelten "Generation Weicheier" gewarnt, unter der womöglich verloren ginge, was Generationen davor aufgebaut hätten. Dies löste in meinem Freundeskreis eine Debatte aus, welche besonders von den Eltern unter ihnen recht emotional geführt wurde, und die – ähnlich wie bei Schwarzenegger selbst – eine Art "freundschaftlichen Shitstorm" auslöste. Insbesondere stellte sich die Frage, ob es denn tatsächlich schlimm oder zu verurteilen wäre, dass die Zahl der Weicheier zunehme bzw. gar selbst eines zu sein. Dass ich mich in dieser Frage auf die Seite Schwarzeneggers schlage, ist meinen geneigten Leser:innen sicher klar, trotzdem oder vielleicht genau deshalb mache auch ich mich auf einen (hoffentlich ebenso freundlichen) Shitstorm gefasst. Dies wissend soll dies auch nur als Anstoß zu einer weiteren Diskussion gesehen werden.

"Weichei, Weichling, Schwächling und Co."

Das Thema erscheint mir wichtig, und ich möchte bewusst provokativ an die Sache herangehen, weil ich davon überzeugt bin, dass "Weicheitum" zur Auslösung so mancher Probleme in unserer heutigen Gesellschaft beiträgt, auch wenn dies keine Generalisierung einer ganzen Generation bedeuten soll und wohl angemerkt vor allem eine "Bubble" betrifft, die sich das alles auch finanziell leisten kann!

Doch erst einmal zur Begriffsklärung. Hier müssen wir weit zurück bis in die 1980er Jahre blicken, als sich Männer in Selbsthilfegruppen zusammenfanden um über sich selbst als sanftmütige, nachgiebige, linksalternative (und Müsli essende) Individuen nachzudenken – quasi als Gegenpol zum Macho, dem Ausdruck und Sinnbild des Patriarchats. Auch der Duden bewertet den Gebrauch des Wortes Weichei als umgangssprachlich abwertend und fügt die Bedeutungen Weichling und Schwächling hinzu. Das Wort stand erstmals im Jahr 2000 im Rechtschreibduden. Heutzutage wird der Begriff in der Mundart und in gendergerechter Sprache sowohl für männliche als auch weibliche Personen verwendet, die allgemein als verweichlicht, wenig belastbar und kaum leistungsbereit gelten. In diesem Sinne möchte auch ich meine Ausführungen dazu verstanden wissen.

Die große Frage ist, woran es liegen könnte, dass die genannte Generation nicht belastbar bzw. leistungsbereit erscheint. Einen Teil tragen hier sicherlich Bildung und Erziehung bei. Auf meine eigene Schulzeit zurückblickend waren Vormittags- und Nachmittagsunterricht, Samstagsschule und Hausaufgaben Selbstverständlichkeiten, die auch nicht in Frage gestellt wurden. Lehrpersonen behandelte man mit Respekt und wer sich nicht benahm, musste mit Konsequenzen in Form von Strafarbeiten rechnen. Die Eltern ließen sich maximal einmal im Halbjahr bei den Elternabenden in der Schule blicken und das reichte auch. Heute wird das alles anders beurteilt, Helikoptereltern schwirren nicht nur um die Kinder herum, sondern kreisen um die Lehrkräfte ihrer Sprösslinge, die sie im Notfall bei nicht entsprechenden Leistungen sogar vor Gericht zerren. Ja selbst im Sportunterricht fänden laut Aussagen von Eltern keine Wettläufe mehr statt, um die Gefühle potenzieller Verlierer:innen nicht zu verletzen. Unzählige weitere solche Beispiele ließen sich hier anführen. Natürlich, nicht alles war früher besser, aber schlechter war eben auch nicht alles.

Verwöhn- und Behütungsgesellschaft

Zudem ist eine Tendenz erkennbar, dass die kleinen digital Natives mit Handy oder Tablet ruhiggestellt werden, sodass bereits Dreijährige den Umgang mit diesen Devices eher beherrschen als einen Purzelbaum. Zehnjährige verbringen fünfmal so viel Zeit in sozialen Netzwerken als beim Sport oder mit Vereinstätigkeiten. An den Nachmittagen und in den Ferien werden die Kinder von einer Freizeitaktivität zur nächsten gekarrt. Die Zahl der Jugendlichen, die in den Ferien arbeiten, um sich einen Urlaub oder den Führerschein zu finanzieren, nimmt stetig ab. Ihr Heranwachsen findet – vielleicht sogar durchaus aufgrund eines gewissen gesellschaftlichen Drucks – in einer Verwöhn- und Behütungsgesellschaft statt.

Die Auswirkungen

Doch welche Auswirkungen hat das? Erstens wird vermittelt, dass Leistung nicht so wichtig ist. Zweitens wird der Eindruck erweckt, dass immer jemand auf sie aufpassen und alles richten wird. Hierzu fällt mir ein Beispiel ein, welches ebenso wenig förderlich ist: In Österreich ist es zwar durchaus wichtig, die Matura zu bestehen, aber anders als in Deutschland spielt die Note dabei eine völlig untergeordnete Rolle – Hauptsache durchkommen. Was danach, also nach der Schulzeit, leider ebenso fehlt, ist eine Institution, eine Art Wehr- oder Dienstpflicht, die hier als Korrektiv eingreifen könnte und imstande wäre, den Pflicht- bzw. Leistungsgedanken zu entfachen oder zu verstärken.

Und einen weiteren wichtigen Punkt hat Schwarzenegger angeführt, in dem ich ebenfalls mit ihm übereinstimme. Es ist auch das Scheitern und Wiederaufstehen, das zur Bildung der Persönlichkeit beiträgt – und diese Möglichkeit wird übermäßig behüteten Kindern und Jugendlichen genommen! Was dann zu TikTok Postings führt wie jenem, über das ich kürzlich wirklich erschrocken bin: Eine junge Frau zeigte sich weinend und völlig aufgelöst, weil sie feststellen musste, dass von ihr erwartet wurde, 40 Stunden pro Woche zuarbeiten... Die Echtheit der Aufregung der jungen Frau kann allerdings in Frage gestellt werden, was so ein Posting vermittelt, aber nicht.

Werden mit "Weicheiern" arbeiten und leben müssen

Ob man nun meine hier – absichtlich überspitzten – Ausführungen teilt oder nicht, wir werden diese Generation auch nicht mehr ändern können. Ob es uns passt oder nicht, wir werden uns dieser Situation wohl oder übel stellen müssen. Aufgrund der demographischen Entwicklung werden wir mit "Weicheiern" arbeiten und leben müssen. Im krassen Gegensatz zur Generation der Babyboomer, die um Arbeitsplätze und Ausbildung rittern mussten, sind wir als Gesellschaft heute auf jeden und jede angewiesen, egal wie belastbar (oder eben nicht) der- oder diejenige ist. Dies sollte uns trotzdem nicht davon abhalten zu versuchen das zu ändern, was vielleicht zu sehr in die möglicherweise falsche Richtung läuft. Darüber hinaus dürfte dieser Generation noch nicht ganz klar sein, dass sie für weniger Leistungsbereitschaft und weniger Belastbarkeit nicht gleichviel oder sogar mehr verlangen können, als die Generationen zuvor.

Und so sehe ich es auch als Aufgabe der Unternehmen – wie Eltern bei ihren Kindern –, Lust auf Leistung zu machen und sie in ein positiveres Licht zu rücken, als dies momentan der Fall ist. Auch als Arbeitgeber:in trägt man Verantwortung für seine Mitarbeiter:innen, doch wollen diese, dass man sich zwar um sie kümmert, sie aber nicht verhätschelt. Sie wollen nicht entmündigt, sondern empowert werden. Dies bedeutet schlussendlich gefördert und gefordert werden. Wir bei JTI Austria haben gehört, das soll sogar Spaß machen...

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