EY hat die Ergebnisse seiner Analyse der Finanzkennzahlen der 16 größten Autokonzerne (OEMs) der Welt, die die Prüfungs- und Beratungsgesellschaft quartalsweise erstellt, veröffentlicht. Dabei zeigt sich, dass vor allem deutsche Hersteller im Vorjahr ordentlich Federn lassen mussten. Während der Umsatz der 16 Branchenriesen im vergangenen Jahr um 1,6 Prozent zulegte, verzeichneten die deutschen Autobauer zusammen ein Umsatzminus von 2,8 Prozent, so die Studienautor:innen. Nur der französisch-amerikanische Autokonzern Stellantis habe mit minus 17 Prozent eine noch schwächere Umsatzentwicklung als die Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW erzielt.
Auch bei der Gewinnentwicklung hinkten die drei untersuchten deutschen Autobauer der Analyse zufolge der Mehrzahl der anderen Unternehmen hinterher: Insgesamt lag der Gewinnrückgang von Volkswagen, Mercedes-Benz und BMW bei 27 Prozent. Schlechter als Mercedes-Benz und BMW hätten sich nur Nissan (minus 73 Prozent) und Stellantis (minus 84 Prozent) entwickelt.
Margenstärkste Autokonzerne
Auch bei der Profitabilität mussten die deutschen Autobauer laut EY Einbußen hinnehmen. 2023 waren noch Mercedes-Benz, Stellantis und BMW die margenstärksten Autokonzerne der Welt gewesen. Im Jahr 2024 wurde das Margenranking hingegen von Kia, Suzuki und Toyota angeführt. Platz eins und zwei sind selbst für Expert:innen etwas überraschend. Mercedes-Benz rutscht vom ersten auf den vierten Platz, BMW vom dritten auf den sechsten, und Stellantis sogar von Platz zwei auf Platz 15. Der Volkswagen-Konzern belegte 2024 wie im Vorjahr den zehnten Platz. Besser als die deutschen Autobauer entwickelten sich vor allem die japanischen Hersteller, deren Gesamtumsatz um acht Prozent zulegte, während der Gewinn nur um ein Prozent schrumpfte. Die US-Autobauer legten zusammen sowohl beim Umsatz – um sechs Prozent – als auch beim Gewinn – um fünf Prozent – zu.
Die relativ schlechte Performance der deutschen Autobauer habe mehrere Gründe, so Constantin M. Gall, Managing Partner und Leiter Mobility bei EY für die Region Europe West. "Derzeit läuft es nicht gut für die deutschen Autobauer. Der Absatz entwickelt sich schwach, die hohen Investitionen in die Elektromobilität amortisieren sich nicht, weil die Nachfrage bei weitem nicht so stark ist wie erhofft. Hinzu kommen hausgemachte Probleme wie teure Software-Fehlschläge, Restrukturierungskosten und Rückrufe. Auch hohe Investitionen in neue Modelle und Innovationen kosten viel Geld und belasten die Marge." Im vergangenen Jahr stiegen die Aufwendungen der drei deutschen Autokonzerne für Forschung und Entwicklung um fünf Prozent auf den Rekordwert von 31,2 Milliarden Euro. Die hohen Forschungsausgaben seien allerdings auch auf veraltete und ineffiziente Prozesse in diesem Bereich zurückzuführen, so Gall – insbesondere im Vergleich zu den asiatischen Wettbewerbern. Zudem gebe es keine klare Fokussierung in Bezug auf die zu adressierenden Kundensegmente und bei der Modellpalette.
Noch im Jahr zuvor sei es gerade den Premiumherstellern gelungen, hohe Preise durchzusetzen und hervorragende Margen einzufahren – dank der Nachwirkungen einer künstlichen Verknappung und einer hohen Nachfrage nach Premiumfahrzeugen in wirtschaftlich aufstrebenden Wirtschaftsregionen. "Doch der Wind hat sich gedreht", sagt Gall und fügt hinzu: "Die allgemeine Eintrübung der Wirtschaftslage, zunehmende globale Konflikte – seien es kriegerische Auseinandersetzungen oder Handelsstreitigkeiten, lassen die Nachfrage deutlich zurückgehen. Dies wirkt sich insbesondere im Premiumsegment aus, da dieses am stärksten von potenziellen Verschiebungen in der Kaufentscheidung als auch einem möglichen Down- oder Upgrade bei der Entscheidung für ein Alternativfahrzeug betroffen ist. Daher wird der Wettbewerb wieder verstärkt über den Preis ausgetragen. Zudem bereiten vor allem aber die asiatischen und dabei zunehmend auch die chinesischen OEMs mit ihren innovativen und gleichzeitig preiswerten Fahrzeugen immer größere Sorgen."
Chinesischer Markt für deutsche Konzerne besonders wichtig
Ein weiterer Grund für den Rückfall liegt im chinesischen Markt, der gerade bei den deutschen Autobauern eine große Rolle spielt – und dort verzeichnen EY zufolge derzeit fast alle westlichen Autokonzerne massive Einbußen: Insgesamt schrumpfte der China-Absatz aller untersuchten Unternehmen um zwölf Prozent, die deutschen Autobauer verzeichneten einen Rückgang um zehn Prozent.
Im vergangenen Jahr gingen 32 Prozent aller Pkw aus den Fabriken der deutschen Autokonzerne an Kund:innen in China – 2023 lag der China-Anteil noch bei 34 Prozent, im Jahr 2020 sogar bei 39 Prozent. "Der chinesische Markt ist gerade extrem schwierig für alle etablierten westlichen Autobauer", konstatiert der EY-Experte. Die Absatzschwäche dort schmerze die deutschen Konzerne aber besonders stark, weil sie dort bisher einen erheblichen Teil ihrer Umsätze und Gewinne erzielten, insbesondere mit den margenstarken Luxusmodellen. Die aktuellen Rückgänge in China ließen sich nicht ohne weiteres durch Zuwächse in anderen Weltregionen kompensieren, da die meisten Märkte weltweit stagnieren bzw. rückläufig sind und daher bereits intensiver Verdrängungswettbewerb, im Wesentlichen über den Preis, bestehe, so Gall.
Zudem drängten in China zahlreiche heimische Anbieter auf den stark wachsenden Markt für Elektroautos, während die Immobilienkrise die kaufkräftige Stammkundschaft der deutschen Autobauer zurückhaltend werden lasse. Obendrein würden die stark von Software definierten Fahrzeuge der neuen chinesischen Player offenbar eher den Geschmack der chinesischen Kundschaft treffen.
Weltweiter Absatz rückläufig
Die meisten großen Konzerne verkauften im vergangenen Jahr weniger Neuwagen als ein Jahr zuvor: Insgesamt schrumpfte der Pkw-Absatz der 16 größten Autokonzerne laut der Studie um drei Prozent, die stärksten Einbußen vermeldeten Stellantis (minus 12 Prozent), und Honda (minus sechs Prozent). Nur vier Unternehmen konnten demnach mehr Pkw verkaufen als im Vorjahr: Ford und Renault steigerten ihren Absatz jeweils um ein Prozent, Suzuki um sechs Prozent und Mitsubishi sogar um acht Prozent. Die untersuchten deutschen Konzerne verzeichneten zusammen ein Absatzminus von vier Prozent.
Kein rosiger Ausblick
Gall rechnet nicht mit einer positiven Trendwende im laufenden Jahr – weder beim Absatz noch bei Umsatz und Gewinn: "In Europa lahmt die Konjunktur, in den USA dürften die jetzt eingeführten Zölle erhebliche Absatzeinbußen zur Folge haben und in China herrscht ein erbitterter Verdrängungswettbewerb, der stark über den Preis ausgetragen wird und bei dem es für die etablierten Konzerne wenig zu gewinnen gibt."
Umso wichtiger sei es daher, dass die Konzerne jetzt ihre Hausaufgaben machen. "Es führt kein Weg an einer klaren strategischen Neuausrichtung und Fokussierung auf den Markenkern, das eigene Leistungsversprechen und das passende Fahrzeugportfolio vorbei. Auch wenn das Gebot der Stunde kurzfristig ein radikaler Sparkurs ist – man kann sich nicht gesund sparen! Dies kann lediglich Mittel zum Zweck der eigenen Transformation sein, indem notwendige Finanzmittel 'freigestellt' werden, um eine grundlegende Neuausrichtung aller wesentlichen Unternehmensfunktionen zu ermöglichen", so der EY-Analyst. Dazu gehöre etwa die konsequente Digitalisierung der Unternehmensprozesse und die Vereinheitlichung der Datenstrukturen als Grundvoraussetzung für den flächendeckenden Einsatz von AgenticAI in den indirekten Funktionen als auch insbesondere im Bereich der Forschung. Zudem seien weitgehende Allianzen in den Bereichen Software, Elektromobilitäts-Ökosystem (z. B. Ladeinfrastrukturen) und Batterien und Halbleiter nötig. Abschließend bekräftigt Gall: "Bei alldem haben die Unternehmen keine Zeit zu verlieren."
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