Der KSV1870 hat am Dienstag seine aktuelle Hochrechnung zu Firmenpleiten veröffentlicht. Demnach wurden in den ersten drei Quartalen 2024 in Österreich 4.895 Unternehmen insolvent. Das sind durchschnittlich 18 Firmenpleiten pro Tag. Drei Branchen sind besonders betroffen. In Kombination mit einer Vielzahl an Großinsolvenzen sind auch die vorläufigen Passiva in die Höhe geschossen. Zudem sind die betroffenen Arbeitnehmer:innen und Gläubiger:innen deutlich angewachsen. Aufgrund der aktuellen Insolvenzdynamik erwartet der Kreditschutzverband am Jahresende in etwa 6.500 Firmenpleiten.
Gründe für diese Entwicklungen gibt es den Expert:innen zufolge mehrere. So habe eine Vielzahl der heimischen Unternehmen weiterhin massiv mit ihrer Geschäftslage und fehlenden Einnahmen zu kämpfen. Die seit knapp einem Jahr deutlich erhöhte Insolvenzdynamik bleibt aufrecht und findet im dritten Quartal 2024 ihre Fortsetzung, selbst wenn dieses in absoluten Zahlen leicht hinter den ersten beiden Quartalen des Jahres liegt. "Der wirtschaftliche Druck ist auch während der Sommermonate nicht weniger geworden. Die Betriebe sind sehr häufig am Limit und müssen sich vermehrt die Existenzfrage stellen. Das wird auch in den kommenden Monaten nicht anders sein", erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Auch, weil sich der private Konsum zuletzt ebenso wie die Exporte rückläufig entwickelt haben. Zum Ende des dritten Quartals 2024 verzeichnet Österreich 4.895 Firmenpleiten, was einem Anstieg von 24,6 Prozent entspricht. Betrachtet man die ersten drei Quartale jeweils für sich, so verzeichnete das erste Quartal des Jahres die meisten Insolvenzen (mit 1.688 Fällen das insolvenzreichste Quartal seit 2009), gefolgt vom zweiten (1.610) und dem dritten Quartal mit rund 1.600 Fällen.
Jede dritte Insolvenz wird nicht eröffnet
Nach zuletzt einer leichten Entspannung steigt die Zahl der nichteröffneten Insolvenzfälle wieder an. Zum Ende des dritten Quartals 2024 wurden 1.804 Unternehmensinsolvenzen mangels Vermögens nicht eröffnet. Das sind 37 Prozent aller Firmenpleiten seit Jahresbeginn und ein Anstieg von 20 Prozent an "Nichteröffnungen" gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Das ist auch deshalb alarmierend, weil es dadurch nicht möglich ist, betroffene Unternehmen einem geordneten Insolvenzprozess zu unterziehen. Im Regelfall bleiben Gläubiger dadurch nahezu zur Gänze auf der Strecke und sehen keinen Cent mehr von jenem Geld, welches ihnen aufgrund erbrachter Leistungen eigentlich zustehen würde. "Dass in diesen Fällen nicht einmal mehr 4.000 Euro für die Deckung der Gerichtskosten aufgebracht werden können, ist ein Armutszeugnis für die jeweiligen Betriebe und ein Fehler im Rechtssystem", so Götze.
Zahl der Großinsolvenzen verdoppelt
Die Zeiten, in denen Firmenpleiten vermehrt mit eher niedrigeren Passiva aufgetreten sind, gehören aktuell der Vergangenheit an. Das liege auch, aber bei weitem nicht nur an den zahlreichen "Signa-Insolvenzen", wie die aktuelle KSV1870 Hochrechnung bestätigt. Laut dieser stehen zum jetzigen Zeitpunkt bereits 55 Großinsolvenzen mit jeweils über 10 Millionen Euro Passiva zu Buche – im Vorjahr waren es mit 27 Fällen dieser Größenordnung bedeutend weniger. Hinzu kommen aktuell 195 Großinsolvenzen mit über zwei Millionen Euro, auch in dieser Kategorie hat sich die Zahl nach 106 Fällen im Vorjahr massiv erhöht.
Drei Branchen als Treiber
Wie die aktuelle KSV1870 Analyse weiters zeigt, verzeichnet der Handel (853 Fälle, + 16 Prozent gegenüber 2023) seit Jahresbeginn die meisten Unternehmenspleiten, betroffen seien sowohl der Groß- wie auch der Einzelhandel in ähnlichen Dimensionen. Knapp dahinter folgt die Bauwirtschaft (814, + 22 Prozent) und der Bereich Beherbergung/Gastronomie (596, + 16 Prozent). Diese drei Branchen geben im negativen Sinne weiter "den Ton an" und sind für knapp die Hälfte aller österreichweiten Unternehmensinsolvenzen verantwortlich, so der Kreditschutzverband. Den größten prozentuellen Anstieg verzeichnet das "Grundstücks- und Wohnungswesen" mit einem Plus von 63 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein tiefergehender Blick in die Bauwirtschaft belegt, dass derzeit, vor allem der Hochbau und das Baunebengewerbe (u.a. Elektriker:innen, Installateur:innen, Maler:innen oder Dachdecker:innen) mit zahlreichen Insolvenzen zu kämpfen haben. Eine ähnliche Entwicklung zeichne das Baunebengewerbe mit aktuell rund 1.600 Fällen. Die Gründe seien unter anderem eine fehlende wirtschaftliche Perspektive, fehlendes Personal und eine zu geringe Auftragslage, die es kaum möglich macht, gewinnbringend oder zumindest kostendeckend zu wirtschaften.
Passiva schießen wegen Mega-Pleiten in die Höhe
Massiven Einfluss auf die horrenden Passiva* in der Höhe von rund 14,8 Milliarden Euro hat dem KSV1870 zufolge zwangsläufig die Vielzahl an "Signa-Insolvenzen" mit zumeist überdurchschnittlich hohen Passiva.
Die nach Passiva bis dato größte Pleite des Jahres verzeichnet jedoch die Fisker GmbH aus Graz mit Passiva von knapp 3,8 Milliarden Euro. Dahinter folgen die Familie Benko Privatstiftung (Passiva: ca. 2,28 Milliarden Euro) und René Benko als Unternehmer (ca. 2,02 Milliarden Euro). Der Signa-Gründer schafft es also gleich zweimal auf das unrühmliche Podium.
Selbst wenn man die beiden größten "Signa-Pleiten" des laufenden Jahres herausrechne, auch weil diese keine gewöhnlichen Unternehmensinsolvenzen darstellen und größtenteils bestritten sind, stünden vorläufige Passiva* in der Höhe von rund 10,5 Milliarden Euro zu Buche.
Ausblick
Der Ausblick des KSV1870 auf den Rest des Jahres stimmt nicht gerade positiv. Wie bereits zum Halbjahr 2024 prognostiziert, habe sich das Insolvenzaufkommen auch in den vergangenen Monaten nicht beruhigt, so der Kreditschutzverband. Hinzu kommen auslaufende Bankgarantien und das Ende der Cofag-Förderungen, wodurch sich die Situation noch zusätzlich verschärfen werde. Götze dazu: "Die vorherrschende Insolvenzdynamik ist gekommen, um zu bleiben. Wir beim KSV1870 gehen aktuell davon aus, am Jahresende von einem Insolvenzjahr sprechen zu müssen, dass es schon sehr lange nicht mehr gegeben hat." In Zahlen bedeutet das, dass der Gläubigerschutzverband mit österreichweit rund 6.500 Unternehmensinsolvenzen rechnet, was einem Zuwachs von etwa 1.100 Fällen entsprechen würde – mehr gab es zuletzt im Jahr 2009.
www.ksv.at
*Die Passiva für die ersten drei Quartale 2024 sind vorläufige Werte und beziehen sich auf den Stichtag der Hochrechnung, den 18.09.2024. Im Zuge der fortlaufenden Insolvenzverfahren werden sich diese Passiva noch verändern.
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