Gastkommentar
Angst und Vertrauen

| Redaktion 
| 07.04.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

"Angst ist kein guter Ratgeber", heißt es – dem kann ich vollinhaltlich zustimmen. Umso mehr besorgt es mich, überall zu sehen und zu spüren, dass sogenannte "gestandene" und hochgebildete Menschen Angst haben. Angst vor der wirtschaftlichen Entwicklung, Angst vor Überfremdung, Angst vor einem neuen 1933 – kurz: Angst vor Verlusten jeglicher Art.

Woher kommt die Angst?

Solche, die es sich leisten können, schaffen einen angeblich sicheren Zufluchtsort außerhalb Österreichs für sich selbst, ihre Familien und ihr Kapital. Ich selbst habe – so denke ich zumindest – schon viel gesehen, habe beinahe die ganze Welt bereist, war in Kriegsgebieten, habe in zig Ländern gearbeitet und gelebt, aber auch mich treiben Gedanken um, Österreich zu verlassen. Dieser Überlegung liegt bei mir insbesondere die Angst zugrunde, dass sich Österreich Putin eher selbst ausliefert, anstatt sich zu verteidigen – was ich als alter Soldat für Verrat und Feigheit empfinden würde und mir deshalb Angst macht. Auch wenn sich diese Gedanken meist nach einer Nacht legen, so sind sie doch latent ständig präsent und schüren Angst. Angst ist nur leider der Todfeind von so ziemlich allem, was uns lieb und teuer ist – jedenfalls aber für Wachstum, Freiheit, Frieden und die Marktwirtschaft.

Ich möchte hier aber auch klarstellen, dass Respekt und Vorsicht – oder besser Umsicht – und vielleicht sogar Ehrfurcht vor Dingen zu haben, immer ein guter Ratgeber ist. Dies unterscheidet sich aber von der Angst, die ein andauerndes Gefühl der Nervosität, der Besorgnis und Unsicherheit umschreibt.

Aber woher kommt diese Angst? Sigmund Freud könnte vielleicht die richtige Antwort geben, seine Fachkompetenz maße ich mir jedoch selbstverständlich nicht an. Meine Vermutung ist, dass die Angst daher rührt, dass wir so gut wie nichts und niemandem mehr vertrauen oder zumindest denken, nicht mehr vertrauen zu können. Die Politik macht es sich einfach und spielt ein gefährliches Spiel, in dem es sich darum dreht, wer die einfachsten Antworten "raushauen" kann. Einfache Antworten, denen leider viele Menschen bereit sind, zu glauben, um sich damit sicherer zu fühlen. Das macht anderen, vielfach besser gebildeten Menschen, wiederum noch mehr Angst. Denn ihnen ist klar, dass einfache Antworten eher in ein Chaos oder sogar zu Umständen nach dem Vorbild des Jahres 1933 führen können.

Medien und Wissenschaft

Auch Medien liefern unfreiwillig einen Grund nach dem anderen, ihnen nicht mehr allzu sehr zu vertrauen. In immer kürzeren Abständen treten irgendwelche Chats zutage, die zeigen oder zeigen sollen, wie wenig objektiv die Berichterstattung einzuordnen ist oder im übelsten Fall, wie Fake News sich Bahn brechen. Nicht einmal dem öffentlich-rechtlichen körperlichen "Fitmacher der Nation" kann man noch trauen, weil er sich als "Spion" für eine Partei nur zu seinem eigenen Vorteil streckt und beugt. Bei dem Bild bleibt einem das Lachen tatsächlich im Halse stecken. Da ist es dann auch kein Wunder, dass sich immer mehr Bürger:innen von den klassischen Medien abwenden und so auf einseitige oder von Fake News schwerbelastete Online-Portale zurückgreifen, oder sich nur noch über reine Parteinachrichten-Channels informieren.

Die Corona-Pandemie hat auch dem Misstrauen der Wissenschaft gegenüber noch einmal einen ordentlichen "Boost" im negativen Sinne verliehen. Umso mehr, als wir gelernt haben, dass es in der Wissenschaft oftmals nicht "die eine" richtige Antwort gibt. Fragen Sie eine:n Wissenschafter:in etwas, und in neun von zehn Fällen wir die Antwort mit "Das kommt darauf an..." beginnen. Doch anstatt sich selbst einzugestehen bzw. es anderen zuzugestehen, dass es mehrere Wahrheiten geben kann, oder wir einfach über gewisse Bereiche noch nicht genug wissen, beharren die Aluhüte-Träger:innen darauf, die Weisheit für sich gepachtet zu haben. Ein trauriges Ergebnis davon ist die Impfmüdigkeit und damit etwa zig Maserntote, die vermeidbar gewesen wären. Solcher Beispiele könnte ich noch zahlreiche anführen, aber dieser Aufwiegelei will ich mich eigentlich gar nicht anschließen. Ich möchte nämlich das Gegenteil: vertrauen können und keine Angst mehr haben müssen.

Vertrauen stärken und Angst besiegen

Was in so einer Situation eigentlich meistens hilft, ist durchatmen. Durchatmen, einen Schritt zurück oder zur Seite gehen und versuchen, einen klareren Blick zu finden, ein bisschen "cool" zu bleiben. Damit meine ich beispielsweise, dass wir nicht unmittelbar auf jede noch so hektisch hochgespielte Nachricht zusammenzucken oder reagieren müssen. Manchmal tut es gut, einfach erst einmal darüber zu schlafen und ein paar Stunden später die weitere "Beweislage" zu checken. Im Gespräch mit Freund:innen – denen man hoffentlich vertrauen kann – findet man Quellen und weitere Informationen, auf die man sich künftig eher verlassen kann. Als Faustregel könnte dabei etwa gelten, Informationen erst dann als faktisch zu nehmen, wenn sie zumindest aus drei unterschiedlichen und voneinander unabhängigen Quellen bestätigt wurden. Lassen Sie uns nicht sofort ins Negative abdriften, sondern lassen Sie uns – auch wenn es schwerfallen mag – der Regierung, der Wissenschaft, anderen öffentlichen Stellen und den Qualitätsmedien einen Vertrauensvorschuss geben. Machen Sie Vertrauen messbar und kommunizieren Sie diese Messgrößen auch, sodass andere sich daran messen bzw. gemessen werden können.

Wenn uns dies gelingt, gelingt es auch, das Vertrauen zu stärken und schlussendlich die Angst zu besiegen. Angst ist, wie ich eingangs schon zitiert habe, kein guter Ratgeber und das haben wir bei JTI Austria uns auch während 240 Jahren Unternehmensgeschichte sicherlich immer wieder in Erinnerung rufen müssen. Vielfach haben unsichere äußere Rahmenbedingungen nur mäßig gute Entscheidungen zugelassen, doch immer wieder hat man sich auf die eigenen Stärken besonnen und so ein traditionsreiches Unternehmen in die Gegenwart geführt. Und zum Schluss Vertrauen beginnt bei einem selbst – und je kritischer man sich auch mit sich selbst auseinandersetzt, umso selbstsicherer kann man mit fundiertem Wissen, den eigenen Talenten und einer Portion Optimismus der Angst entgegentreten.

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