Luxury News: Nach 20 Jahren im weltberühmten Champagnerhaus gehen Sie Ihren eigenen Weg. Wie ist es dazu gekommen?
Taittinger: Mehr als 20 Jahre lang mit meinem Vater bei Champagne Taittinger zu arbeiten, war eine fantastische Erfahrung. Zudem konnte ich ebenso viel von meiner mütterlichen Seite lernen, die bis 1989 Champagne Piper-Heidsieck besaß. Ich habe also definitiv Champagner im Blut. Als dann Champagne Taittinger 2006 verkauft wurde, war für mich klar, dass ich mein eigenes Unternehmen gründen werde. Das war zweifellos die größte Herausforderung meines Lebens. Ich hatte jedoch das Gefühl, dass ich mein Wissen und meine Leidenschaft an meine Kinder weitergeben möchte. Heute habe ich das Glück, zusammen mit meinem Sohn Ferdinand, herausragende Cuvées zu kreieren. Unser gemeinsames Ziel ist es neue Generationen zu verführen und die Lust auf edle und hochwertige Champagner zu wecken.
Luxury News: Als Geschäftsführer der Plattform 12point5 leben Sie für Winzerchampagner. Was ist daran so faszinierend?
Grafoner: Dazu sollte man wissen, dass ich mich bis vor zehn Jahren nie für Champagner interessiert habe. Schaumwein war für mich kein Thema, ich hatte aber auch keine Ahnung davon bzw. war das Image für mich eher negativ behaftet. Champagner selbst empfand ich als dekadent, überbewertet und natürlich völlig überteuert – Thema Markenfetisch. Da ich aber ein Genussmensch bin, hat mich Wein immer schon fasziniert.
Ein Freund von mir, mit dem ich viele Weinabende philosophierend verbracht habe, kam dann eines Abends zu mir und stellte, die im Nachhinein legendäre Frage: Hast du schon mal Champagner probiert? Meine Reaktion war verhalten, aber nachdem ich offen für Neues bin, habe ich das angebotene Glas probiert und war überrascht, dass der Champagner gar nicht mal so schlecht schmeckte. Mein Interesse war geweckt und dadurch habe ich begonnen zu Verkostungen zu gehen.
Luxury News: Und dann war es um Sie geschehen?
Grafoner: Eines Abends war dann das Thema Winzer-Champagner und das war dann wirklich ein Augenöffner für mich. Die Bandbreite und die Unterschiede haben mich sehr fasziniert, aber auch die Geschichten die dahinterstehen. Kleine Produzenten haben eine Vision, die sie versuchen umzusetzen. Da steckt sehr viel Leidenschaft dahinter und sehr viel Arbeit. Es liegt eine Art Zauber in der Luft, wenn man Champagner mit dieser Kombination trinkt.
Bei großen Häusern und Produzenten fehlt dieser Zauber gänzlich. Da hat man dann eher die Bilder im Kopf die einem das Marketing vorgibt. Die Bandbreite ist viel geringer. Unterschiede werden weniger. Es geht irgendwie bei allen in dieselbe Richtung.
© Virginie Taittinger
Luxury News: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Virginie Taittinger?
Grafoner: Wie so oft im Leben spielt der Zufall eine große Rolle. So war es auch bei Virginie und mir. Sie hat sich auf die Suche nach Vertriebsmöglichkeiten in Deutschland gemacht und herumgefragt. Jemand hat dann gemeint, in Deutschland kenne ich niemanden aber in Österreich gibt es jemanden der genau Richtig sein könnte und dann hat sich mich kontaktiert. Ich muss ehrlich sagen, ich war nach der Kontaktaufnahme etwas skeptisch. Immerhin kommt sie aus einem großen Champagner Haus und ich bin auf kleine Winzer spezialisiert. Nachdem sie aber nur eine Produktion von 50.000 Flaschen hat und ich die Flaschen verkostet habe, hatte sie mich überzeugt. Virginie T. macht auf Winzerin mit großer Vision.
Luxury News: Welche Marktchancen kann man einer kleinen Produzentin zubilligen?
Grafoner: Winzer-Champagner wird immer mehr Thema. Viele Menschen wollen Qualität und vor allem etwas Neues, Interessantes. Champagner mit Vision und Geschichte. Virginie T. bietet dies alles und löst Begeisterung bei den Kunden aus. Der Funke springt über. Von daher sehe ich ein großes Marktpotential.
Luxury News: Was bedeutet für Sie Champagner?
Taittinger: Champagner ist ein Moment. Er ist der ultimative Wein zum Anstoßen und Feiern. Ich bin der festen Überzeugung: Er bringt seinen Genießer:innen Freude. Ich persönlich trinke Champagner zu jeder Gelegenheit. Mir gefällt auch die romantische Symbolik des Champagners. Sie erinnert uns daran, was uns verbindet, wenn wir gemeinsam Zeit bei einem Glas Champagner verbringen.
Luxury News: Welcher Champagner passt immer?
Grafoner: Champagner passt grundsätzlich immer! Zu jeder Tageszeit, an jedem Wochentag. Egal ob als Aperitif oder als Speisenbegleiter. Ein "Brut" Champagner ist meist der "Einstiegs-Champagner" eines Winzers. Er zeigt damit die Linie seiner Vision. Damit kann man nichts falsch machen, ob Frühstück oder After-Work Drink.
Luxury News: Welche neuen Anforderungen stellt die Zukunft an das Produkt?
Taittinger: Es gibt andauernde Trends, die auch im Laufe der Zeit bleiben, wie etwa Transparenz, Nachhaltigkeit oder die Gaumenfreude, zu der der Champagner in den letzten Jahrzehnten geworden ist. Wenn wir von Geschmäckern sprechen, hat sich einiges getan: Vor fünfzig Jahren haben wir hauptsächlich halbtrockenen Champagner getrunken, was wir heute überhaupt nicht mehr tun! Wir bevorzugen Brut Nature (ohne Dosage) oder Extra Brut. Heute verkaufen wir, zum Beispiel, viele "Blanc de Blancs", weil der Markt sie mag. Aber ich denke, in ein paar Jahren werden wir viel mehr über "Blanc de Noirs" hören. Es ist zudem wichtig zu verstehen, dass Champagner viel Zeit braucht. Ein Haus wie unseres, das seine Champagner mindestens sechs Jahre reifen lässt, reagiert auf längerfristige Trends, die bleiben, und nicht auf kurzfristige Entwicklungen, die es morgen schon nicht mehr gibt.
© Virginie Taittinger
Luxury News: Sie wollen in Ihrem Champagnerhaus jetzt den Online Vertrieb nutzen. Wie kam es dazu?
Taittinger: Wir nutzen in der Tat den Online-Vertrieb, weil er es uns ermöglicht, schnell mit den Endverbraucher*innen in Kontakt zu treten und wertvolle Rückmeldungen von ihnen zu erhalten. Zu Beginn war das absolut entscheidend, denn es dauert eine Weile, ein Champagnerhaus von Grund auf aufzubauen – und jedes Jahr ist entscheidend. Wir öffnen uns jedoch mehr und mehr für traditionellere Vertriebskanäle, wie etwa gut sortierte Weinshops oder Sommeliers. Sie sind großartige Botschafter. Zudem sind sie diejenigen, die am besten über unsere Champagner sprechen können – und wir danken ihnen dafür.
Luxury News: Wer sind die Zielgruppen?
Taittinger: Wir richten uns an Konsument:innen, die Champagner mit Persönlichkeit suchen und es leid sind, Champagner großer Marken zu kaufen. Ich kann Ihnen sagen, dass es nicht den einen Champagner gibt. Champagner hat sehr unterschiedliche Eigenschaften. Wir wollen es unseren Kund*innen ermöglichen, diese Vielfalt des Champagners, anhand der Dosierung sowie der Reifung in der Flasche wirklich wahrzunehmen.
Luxury News: Welche Vision verfolgen Sie?
Taittinger: Unser Familienmotto lautet "bien faire, laissez dire", was so viel bedeutet wie "Mache es gut und lass es die anderen wissen". Als ich mein eigenes Champagnerhaus gründen wollte, hielten mich alle für verrückt. So etwas hat es seit den 90er Jahren nicht mehr gegeben. Die Investitionen waren enorm und ich musste über zehn Jahre warten, bis ich die Früchte meiner Arbeit sehen konnte. Heute ist es mein größtes Anliegen, mit Herz und Verstand zu arbeiten, um der Welt den besten Champagner zu liefern.
Luxury News: Ist Ihr berühmter Name ein Dooropener?
Taittinger: Sicherlich ist es einfacher, bekannt zu werden, wenn man einen bekannten Namen hat. Ich kann Ihnen aber versichern, dass das, was mich und meinen Champagner ausmacht, die Tatsache ist, dass ich über 20 Jahre bei Taittinger Champagner gearbeitet habe. Es reicht bei weitem nicht aus, einen bekannten Namen zu haben, der Wissen über Champagner suggeriert. Man muss sich immer wieder beweisen, dass man fähig ist. (jw)
www.champagnevirginiet.com
www.12point5-champagner.at