Interview mit Ronald Rapberger
"Europa darf kein technisches Museum werden"

Ronald Rapberger, DACH Regionalmanager von SeedBlink, erklärt im LEADERSNET-Interview u.a., warum Europa und Österreich "ein Haus der Zukunft und Innovationstreiber:innen" sein sollten und weshalb es so wichtig ist, in Schlüsselbereichen der Technik zu investieren, um künftig das Wirtschaftswachstum zu sichern, mit Entwicklungen Schritt halten zu können und international den Anschluss nicht (komplett) zu verlieren.


LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Rapberger, wir sehen es in den aktuellen Wirtschaftswachstumsprognosen in Europa und Österreich: Wir fallen im internationalen Vergleich deutlich hinter den USA und China zurück. Woran liegt das aus Ihrer Sicht?

Ronald Rapberger: Aus meiner Sicht liegt das generell an einem immer noch zu starken Fokus auf die Old Economy, also Industrie & Co., bei gleichzeitig zu wenig Engagement im Bereich Innovation und Entrepreneurship. Außerdem ist die Energieabhängigkeit anfällig für geopolitische Spannungen. Die schleppende Innovation zeigt sich in den genannten Wirtschaftswachstumsprognosen: Für Österreich lag sie 2023 bei -0,7 Prozent. Für die gesamte EU sind es immerhin noch +0,5 Prozent. Das ist weit hinter China und den USA. Wir haben zwar ausreichend gut ausgebildete Talente, generell einen kompetitiven Forschungsstandort und auf dem Papier innovative Ideen, können sie aber nicht genügend umsetzen und skalieren. Grund dafür: Die notwendigen, großen Investitionen und das dazugehörige Mindset fehlen schlichtweg. Mitunter deshalb fallen österreichische und europäische Start-ups hinter ihren internationalen Pendants zurück. Es fehlt in Europa noch immer an großem Wachstumskapital und auch die vielen bürokratischen Hürden sind nicht gerade fördernd. Das spiegelt sich nun im Wirtschaftswachstum wider. Europa ist in Sachen Konkurrenzfähigkeit das Pony im Pferderennen, Österreich schafft es gar nicht erst aus der Box.

LEADERSNET: Warum sind es meistens US-Start-ups, die internationalen Erfolg verzeichnen?

Rapberger: Es ist ein Phänomen: Der Tech-Branche geht es international gut, doch hierzulande sind Investor:innen immer noch zurückhaltend. Der Exit-Markt hinkt hinterher. Das M&A-Verhalten ist traditionell schleppender, verglichen mit den USA, wo ein einigermaßen liquider Exit-Markt besteht. Es ist auch ein Mindset-Problem: Für junges Unternehmertum in den USA gilt oft der plakative Spruch "Try and fail but never fail to try", und das spiegelt auch den Stellenwert des Unternehmertums wider. In Europa und vor allem in Österreich wiederum wird man geächtet, wenn man ein Unternehmen gründet, das nicht erfolgreich ist. Dann hört man oft das typische "Das hätte ich Dir gleich sagen können, dass das nicht funktioniert!". So etwas motiviert junge Unternehmer:innen natürlich wenig. Man muss der Fairness halber aber auch ergänzen, dass US-Start-ups quasi direkt bei ihrer Gründung vor einem relativ großen, einheitlichen - rechtlich und regulatorisch - und offenen Markt stehen, während europäische Start-ups immer noch Land für Land erschließen müssen und sich das natürlich negativ auf die Skalierung auswirkt.

LEADERSNET: Wie unterscheiden sich EU-Gründer:innen von internationalen Gründer:innen?

Rapberger: Ich fange gerne damit an, worin sie sich nicht unterscheiden: Das ist definitiv der Grad und die Qualität der Ausbildung. Bei der Anzahl der MINT-Studienabsolvent:innen ist die EU sogar in einer internationalen Spitzenposition. Gleiches gilt übrigens für die gesprochenen Sprachen der EU-Gründer:innen. Etwas anders sieht es dann schon bei der Motivation und der Risikobereitschaft aus, hier würde ich EU-Gründer:innen etwas im Nachteil sehen. Generell beobachte ich bei ihnen mehr Zurückhaltung. Es ist keine Risikoaversion per se, weil jede Gründer:in ein Risiko eingeht, aber EU-Gründer:innen neigen mehr dazu, sich defensiver zu positionieren in ihrem Auftreten gegenüber Investor:innen und potenziellen Kund:innen.

LEADERSNET: Handelt es sich um ein strukturelles oder ein gesellschaftliches Problem, wenn Österreich und Europa international den Anschluss verlieren?

Rapberger: Das ist wie so oft kein klares "Entweder-oder". Auf struktureller Seite kann die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, um Unternehmertum und das Gründen attraktiver zu machen. Hier gibt es unzählige Stellschrauben, angefangen von steuerlichen Maßnahmen bei der Mitarbeiter:innenbeteiligung, über die Minimierung von bürokratischen Hürden bei Firmengründungen und der Anstellung von Nicht-EU Fachkräften, bis hin zu allgemein gültigen Rahmenbedingungen, die dann auch tatsächlich in der gesamten EU gelten würden. Wir müssen auch endlich aktiv in Zukunftsfelder investieren, weil wir ansonsten, wie schon bei der ersten Internet-Welle nach 2000, komplett den Anschluss verlieren. So lassen wir uns von den USA oder mittlerweile auch China die Butter vom Brot nehmen. Auf gesellschaftlicher Seite muss man auch ehrlicherweise sagen, dass es uns generell fast zu gut geht in unseren Sozialsystemen: Es wird in Zukunft um die Erhaltung dieses Wohlstands, an den wir uns gewöhnt haben, gehen und dafür erachte ich eine maßgebliche Rolle der EU bei Zukunftsthemen als essenziell.

LEADERSNET: Welche Rolle spielen staatliche Initiativen und Politik bei der Förderung von Investitionen in Start-ups und neue Technologien?

Rapberger: Die Politik schafft die Rahmenbedingungen, um Unternehmertum und das Gründen attraktiver zu machen. Was das Thema Kapital für große Wachstumsfinanzierungen angeht, welche heute noch mehrheitlich von internationalen und hier vor allem US-Geldgeber:innen gestemmt werden, kann die Politik Hebel setzen. Ein oft zitiertes Beispiel ist hier die niedrige Allokation von institutionellem Geld, wie von Pensionskassen, Versicherungen, Family-Offices, etc., in Scale-ups und neue Technologien. Das sind Hochrisiko-Investments, aber mit einem deutlichen Netto-Positiv-Effekt auf breiter gesellschaftlicher Ebene.

LEADERSNET: Weshalb ist es wichtig, dass Europa in Schlüsselbereiche wie KI, Biotechnologie, erneuerbare Energien und digitale Infrastruktur investiert, um mit den globalen Entwicklungen Schritt zu halten?

Rapberger: Um es salopp zu sagen, weil unsere Wirtschaft zu sehr auf Old Economy basiert und diese nur wenig zukunftsfähig ist. Ich erwähne es an dieser Stelle auch nochmal, dass es uns aktuell relativ gut geht in unseren Wirtschafts- und Sozialsystemen, aber dass es keine Selbstverständlichkeit ist, dass dies auch in Zukunft so bleibt, wenn wir weitermachen wie bisher. Deswegen sind für mich Investitionen in diese Zukunftsbereiche essenziell zur Erhaltung des Wohlstands. Europa darf kein technisches Museum werden, sondern sollte ein Haus der Zukunft und Innovationstreiber:innen sein.

www.seedblink.com

Über SeedBlink

SeedBlink ist eine All-in-One-Equity- und Investitionsplattform, die die Infrastruktur, die Finanzdienstleistungen und die Netzwerkabdeckung für europäische Technologieunternehmen und ihre Stakeholder bereitstellt, um in Wachstumsphasen Zugang zu Anteilen zu erhalten, es zu verwalten und zu handeln. Mit einer Palette von Produkten und Dienstleistungen will SeedBlink Investitionsprozesse rationalisieren und Unterstützung während des gesamten Lebenszyklus von Anteilen, von ersten Finanzierungsrunden bis hin zu reifen Investitionsmöglichkeiten und Sekundärmärkten bieten.

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