Interview mit Harald Lang
"Marken-Storytelling ist, wie Märchen erzählen: emotionale Vorgänge greifbar machen"

| Redaktion 
| 08.07.2024

In der Welt der Markenkommunikation wird oft behauptet, dass ein Produkt für sich selbst sprechen sollte. Harald Lang, Marketingleiter von Fini's Feinstes, verfolgt einen anderen Ansatz. Er ist überzeugt, dass wahre Markenkommunikation zwischen den Zeilen geschieht. Gerade bei Grundnahrungsmitteln wie Mehl sieht Lang großes Potenzial, wie er im LEADERSNET-Interview erklärt.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Lang, warum muss Storytelling Ihrer Meinung nach Raum für eigene Interpretation offenlassen?

Harald Lang: Wir verkaufen nicht einfach nur Mehl. Wir verkaufen Zeit, Leidenschaft für das Besondere und die Möglichkeit, Fürsorge und Liebe durch das Backen auszudrücken. Genau diese Gefühle wollen wir beim emotionalen Brand-Storytelling auslösen. Es geht nie primär darum, was eine Marke aussagt, sondern darum, wie die Zielgruppe die Botschaft aufnimmt und verinnerlicht. Die Geschichte muss die Kund:innen abholen und gleichzeitig genug Raum für eigene Interpretationen lassen. Es ist ein bisschen wie beim Lesen – das Buch ist immer besser als der Film, weil wir beim Lesen die Bilder selbst im Kopf kreieren. Deshalb haben wir uns zum Beispiel gegen ein Voice-Over in unseren TV-Spots entschieden. Rationale Produktvorteile aktiv in der Markenkommunikation aufzunehmen, hat man oft versucht – und dann wieder verworfen. Fakten sind komplett austauschbar. Wer versucht, sein Produkt rein über technische Produktfeatures zu kommunizieren, wird morgen von der Konkurrenz ausgetauscht. Völlig zurecht! Menschen folgen Ideen und einer Werthaltung. Wir müssen Dialoge anbieten, statt 25 Prozent Rabatt. Und wir müssen interessante Storys ins Ohr flüstern, statt sie zu schreien.

LEADERSNET: Was machen viele Marken Ihrer Ansicht nach falsch in Sachen Markenidentität und Storytelling?

Lang: Viele Marken scheitern daran, dass sie ihre Identität überladen und den Kund:innen keinen Raum lassen, sich mit der Marke auf einer persönlicheren Ebene zu verbinden. Sie kleistern die Geschichte zu, anstatt die Subtilität und Kraft der Pausen, ihre Unaufdringlichkeit, zu nutzen. Emotionalität und Bindung entstehen in den Zwischenräumen. Der Prozess, relevante Geschichten für die Marke zu finden, beginnt mit intensivem Zuhören und einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen der Kund:innen. Wir versuchen das "Gute Alte" - beispielsweise traditionelle Backrezepte - in den heutigen Kontext zu übersetzen. Durch das Beobachten und Analysieren von Kund:innenverhalten auf sozialen Medien und anderen Plattformen identifizieren wir die Themen, die resonieren. Wir müssen verstehen, wie und warum Menschen heute backen, und genau diese Einsichten nutzen wir dann für unser Storytelling.

LEADERSNET: Welche Art von Identität und Haltung brauchen Marken in Zukunft, die langfristig bestehen wollen?

Lang: Authentizität ist der Schlüssel. Marken müssen sich mit den universellen Emotionen wie Freude oder Überraschung auseinandersetzen und wissen, auf welcher emotionalen Ebene sie spielen. Marken-Storytelling ist dann wie Märchen erzählen: Es macht emotionale Vorgänge greifbar. Die Struktur der bekanntesten Märchen, die wir uns weltweit erzählen, ist überall gleich. Die 'Heldenreise' ist eine archetypische Erzählstruktur und liegt den meisten Mythen, Sagen und Märchen zugrunde. Dabei fällt auf: Der Beginn der Story und das Happy End sind immer in Erinnerung, dazwischen gibt es Freiraum für die eigene Gefühlswelt. Die Klarheit der Markenidentität muss sich dabei durchziehen. Authentizität und eine behutsame Entwicklung der Bildwelt sind entscheidend. Es ist wichtig, die Identität der Marke nicht durch häufige und abrupte Veränderungen zu verwässern, da dies die langfristige Kund:innenbindung gefährden kann.

LEADERSNET: Sie haben letztes Jahr Bio-Weizenkeime auf den Markt gebracht. Wie kamen Sie auf diese Idee und warum ist sie jetzt so relevant?

Lang: Die Fini´s Feinstes Bio-Weizenkeime sind ein perfektes Beispiel dafür, wie wir moderne Trends in eine traditionelle Produktwelt integrieren. Dabei sind die Bio-Weizenkeime gar kein Mehl, sondern nur der innerste Teil des gesamten Korns. Üblicherweise wird dieser bei der Mehlproduktion aussortiert und weggeworfen, dabei ist er der kleinste und gleichzeitig nährstoffreichste Teil des Korns. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, dieses Produkt unter unserer Kernmarke zu führen, weil es authentisch und ganzheitlich zur Geschichte von Fini's Feinstes passt. Die Fini Oma – im übertragenen Sinne ein vertrauter Mensch aus früherer Generation – weiß seit jeher, was gut ist und wie man sich mit einfachen Lebensmitteln gesund halten kann. Es ist nicht nur ein Lebensmittel, sondern ein Statement, wie wir uns ernähren sollten – natürlich und nachhaltig. Weizenkeime waren schon immer da, aber bisher wurde die unglaublich hohe Nährstoffdichte noch nicht für unsere Ernährung genutzt. Es ist die Verantwortung von Marken, die eigene Positionierung so zu wählen, dass sie den Umgang mit Ressourcen positiv vorantreibt. Mit solchen Produkten verfolge Fini´s Feinstes das Ziel, eine tiefere Diskussion über gesunde Ernährung anzustoßen. Diese strategischen "Ableger" sind entscheidend, um den Verbraucher:innen zu zeigen, dass der Schlüssel zu gesunder Ernährung direkt vor unserer Haustür liegt. Das steigert auch die Wertigkeit von Weizen per se. Wir sollten Lösungen aufzeigen und Diskussionen starten, nicht Probleme wälzen und nur auf den Umsatz schauen. Das Marken-Storytelling ist ein Kampf der Herzen.

www.finis-feinstes.at

www.goodmills.at

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