Claudia Zettel hat Anfang des Jahres die Chefredaktion von futurezone.at übernommen. leadersnet.at hat die Journalistin zum Interview getroffen und sich mit ihr über wirtschaftlichen Druck im Journalismus, zukunftsträchtige Geschäftsmodelle, die Expansion nach Deutschland und den steigenden Frauenanteil bei der futurezone unterhalten.
leadersnet.at: Sie haben mit 1. Jänner das Zepter von Gerald Reischl bei der futurezone übernommen. Trägt die Plattform bereits Ihre Handschrift?
Zettel: Wenn man so eine Position antritt, dann steckt man sich natürlich Ziele. Eines der wichtigsten Ziele war für mich der Ausbau der Reichweite und das ist uns gelungen. Im Juli hatten wir eine knappe Million Unique Clients, was einen Reichweitenrekord bedeutet. Ein weiteres Ziel war es, mehr Frauen auf die Plattform zu bekommen. Wir sind eine Technologieplattform, was nachwievor eher Männer anzieht. Mir ist es ein Anliegen nicht nur unter der Leserschaft den Frauenanteil zu erhöhen, sondern auch auf der Plattform selbst mehr Frauen in den Vordergrund zu rücken. Das heißt, wir haben viele Frauen in Führungspositionen oder in der Start-up-Szene interviewt und vorgestellt.
leadersnet.at: Wie hoch ist der Frauenanteil unter den futurezone.at-Usern?
Zettel: Er liegt derzeit bei rund 30 Prozent, womit uns seit Jahresanfang bereits eine Steigerung gelungen ist. Aber das ist mir noch nicht genug. Langfristig gesehen soll das Verhältnis zwischen Männern und Frauen ausgeglichen sein. Das gelingt natürlich nicht mit dem Holzhammer und geht auch nicht von heute auf morgen. Grundsätzlich ist Frauenförderung ein Herzensthema von mir, deshalb bin ich auch für eine Frauenquote, da sie meiner Meinung nach einfach notwendig ist. Um auf Ihre Eingangsfrage zurückzukommen: Ein weiteres wichtiges Ziel ist es, dass die futurezone noch persönlicher wird als sie es eigentlich schon ist. Aufgrund unseres jungen Teams – im Schnitt sind wir Mitte 30 und wir haben viele Kollegen, die noch in ihren 20ern sind – fällt uns das natürlich auch nicht so schwer. Das äußert sich auch darin, dass wir etwa unsere Testberichte noch eine Spur persönlicher – oftmals aus der Ich-Perspektive – gestalten. Das bedeutet aber nicht, dass die Objektivität und Seriosität der Inhalte darunter leidet. Wir bringen einfach die Erzählweise etwas näher an die Leser heran.
leadersnet.at: Wie gestaltet sich die Interaktion mit den Usern auf Facebook und Co.?
Zettel: Wir pflegen auf unseren Social Media-Kanälen einen sehr lockeren Umgang mit unseren Leserinnen und Lesern. Zudem versuchen wir stärker auf Reaktionen und Kommentare einzugehen. Das heißt, dass wir nicht nur strikt unsere Artikel und Geschichten posten, sondern auch auf die Kommentare darunter reagieren. Mir ist es sehr wichtig, dass man auf Kritik transparent eingeht.
leadersnet.at: Welche Projekte stehen in naher Zukunft an?
Zettel: Wir haben einiges in der Pipeline. Wir sind zum Beispiel gerade mit einem Refugee Blog gestartet. Dieser sieht so aus, dass Flüchtlinge selbst aus ihrem Digitalen Leben berichten. Mir ist es wichtig einen Beitrag zur Integration zu leisten und diesen Menschen eine Möglichkeit zu geben, dass sie für sich selbst sprechen können. Es wird sehr viel über Flüchtlinge und Asylwerber gesprochen und deswegen ist es mir wichtig, dass sie auch die Möglichkeit haben, selbst zu Wort zu kommen. Das werden aber keine Chronikgeschichten bringen, sondern natürlich die Themen, die inhaltlich zur futurezone passen.
leadersnet.at: Wird dieser Blog auf futurezone.at integriert sein und wann wird er online gehen?
Zettel: Ja, er ist auf unserer Seite integriert, aber er wird trotzdem einen eigenen Bereich bilden, der dann auch ganz klar als solcher erkennbar ist. Dort werden dann die Texte, die von den Flüchtlingen geschrieben werden, jeweils in der Originalsprache sowie in einer deutschen Übersetzung veröffentlicht. Mit den ersten Beiträgen sind wir gerade online gegangen.
leadersnet.at: Zurück zur futurezone: Wie erfolgt die Auswahl und Gewichtung der Stories in den einzelnen Rubriken?
Zettel: Als die futurezone vom ORF zum Kurier gekommen ist, war die Auswahl hauptsächlich auf Netzpolitik, Sicherheitsthemen und ähnliches beschränkt. Wir haben das in den vergangenen Jahren stark in die Breite gezogen. Wir bringen jetzt digitale Themen aus allen Bereichen. Es kommen jährlich neue Themenbereiche dazu, die man ein paar Jahre vorher zum Teil noch gar nicht am Radar hatte, wie beispielsweise selbstfahrende Autos. Auch was den E-Health Bereich betrifft, mit den ganzen Fitnesstrackern usw., tut sich extrem viel. Extrem gewachsen ist auch das Thema Start-ups. Wir gehörten da zu den ersten in Österreich, die dieses Thema aufgegriffen haben, als die Szene sich angefangen hat zu entwickeln und wir sind in den Jahren mit dieser Szene gewachsen.
leadersnet.at: Wie stark ist die Vernetzung mit dem Kurier im Daily Business?
Zettel: futurezone ist ja eine eigenständige Tochterfirma des Kurier, wir sind aber mit dem gesamten Medienhaus verwoben. Es gibt beispielsweise auf der Frontpage von kurier.at eine futurezone-Leiste, die auf die Topgeschichten von uns verlinkt. In der Printausgabe sind wir fünf Mal die Woche mit einer eigenen Seite vertreten.
leadersnet.at: Ein eigenes Vermarktungsteam hat die futurzone aber nicht.
Zettel: Nein, der gesamte Salesbereich läuft über Kurier Digital – natürlich in enger Absprache mit mir und dem Rest des futurezone-Teams.
leadersnet.at: Stimmt es, dass Sie bald mit futurezone.de – also einem auf Deutschland ausgerichteten Angebot – online gehen?
Zettel: Das Projekt ist gerade in Planung – und zwar bereits in einer fortgeschrittenen Phase. Es gibt schon konkrete Punkte, wie das Ganze aussehen soll. Aber mehr kann und darf ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.
leadersnet.at: Spüren Sie den wirtschaftlichen Druck, dem Medien ausgesetzt sind und wie wird bei der futurezone damit umgegangen?
Zettel: Der wirtschaftliche Druck ist derzeit sicherlich die größte Herausforderung, die Medien haben, da sich die ganze Branche im Umbruch befindet. Deshalb muss man sich überlegen, welche Geschäftsmodelle zukunftsträchtig sind. Print ist mittel bis langfristig kein Hoffnungsträger und Online reichen die Werbeeinnahmen alleine nicht aus. Was wir also forcieren sind Medienpartnerschaften, Kooperationen im Eventbereich oder Sachen wie die Start-up Aktion mit A1. Was jetzt aber das endgültige Geschäftsmodell ist, das Medienhäusern die Zukunft sichert, ist derzeit nicht abschätzbar.
leadersnet.at: Ist der Einsatz einer Paywall geplant?
Zettel: Nein, für die futurezone ist eine Paywall kein Thema. Dennoch finde ich es legitim, dass auch im Digitalen Zeitalter für journalistische Inhalte bezahlt wird. Ich denke auch, dass die Zahlungsbereitschaft prinzipiell vorhanden ist. Das kann man auch in anderen Branchen sehen, wie etwa der Musik, wo sich Dienste wie Spotify oder Google Music etabliert haben und Menschen auch wieder für Musik bezahlen. Aber ich glaube, dass die Medienlandschaft in Österreich noch gar nicht soweit ist, überhaupt etwas anbieten zu können, wofür Leute bereit sind zu zahlen. Zudem müssen diese Modelle, damit sie funktionieren, auch easy to use sein. Wenn also jeder sein eigenes Ding macht und die User sich auf 20 verschiedenen Plattformen registrieren und überall ihre Kreditkartendaten angeben müssen, dann wird es nicht funktionieren. Die Leute wollen Flatrate-Angebote, wo sie mit einer einzigen Anmeldung eine Vielzahl an Angeboten oder Inhalten bekommen. Ähnlich wie bei Netflix oder Spotify. Dort muss ich auch nicht für jede Serie oder jeden Künstler bezahlen.
leadersnet.at: Wie äußern sich diese schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Umstände in der journalistischen Arbeit?
Zettel: Ich bin jetzt 34 Jahre alt und unsere Journalistengeneration ist heute mit Dingen konfrontiert, an die die Kollegen vor 20 Jahren nicht einmal gedacht haben und die weit über die rein journalistische Arbeit hinausgehen. Alles muss sehr schnell gehen, obwohl die Ressourcen knapper sind und das Personal immer weniger wird. Ein Journalist kann seine Augen heute nicht mehr davor verschließen, wo das Geld eigentlich herkommt, das seine Arbeit finanziert. Das ist das Spannungsfeld, indem wir uns bewegen und ich glaube in unserer Generation ist ein sehr großes Bewusstsein für diese Problematiken da. Andererseits hat der Journalismus aber auch ein Glaubwürdigkeitsproblem. Hier spielen die Sozialen Medien keine unwesentliche Rolle, wie etwa die steigende Popularität von Verschwörungstheorien wie etwa den Chemtrails zeigt. Facebook und Co. bieten natürlich tolle Möglichkeiten, aber wo Licht ist, gibt es auch Schatten. Und diese Plattformen werden gern auch dazu missbraucht, abstruseste Theorien oder politische extreme Ansichten ungefiltert zu verbreiten. Das Problem ist, dass es dann viele Menschen gibt, die ungeprüfte und wissenschaftlich nicht haltbare Theorien für bare Münze nehmen und andererseits mit Begriffen wie „Lügenpresse“ um sich schmeißen und sich auch von Fakten nicht vom Gegenteil überzeugen lassen.
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