Interview mit Thomas Mersich
"Für die nächste Saison haben wir einen Klassiker von Ödön von Horváth ausgewählt"

| Dejan Filipovic 
| 29.07.2024

Im LEADERSNET-Interview spricht Thomas Mersich, kaufmännischer Leiter der Schloss-Spiele Kobersdorf, u.a. darüber, wie sich das Festival seit der Gründung entwickelt hat, was die Besonderheiten der Veranstaltung sind und worin sich dieses von anderen Events unterscheidet. Außerdem zeigt er auf, welche Kriterien bei der Auswahl der Inszenierungen und Stücke berücksichtigt werden und wie das jährliche Programm zusammengestellt wird.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Mersich, die Schloss-Spiele Kobersdorf wurden auf Initiative der Gemeinde Kobersdorf im Jahr 1972 ins Leben gerufen. Wie haben sich die Schloss-Spiele seit ihrer Gründung entwickelt und welche Meilensteine wurden erreicht?

Thomas Mersich: Die Schloss-Spiele Kobersdorf haben in ihrer nun mehr als 50-jährigen Geschichte eine Vielzahl an Ausrichtungen erfahren. Der eigentliche Zweck der Gründung der Schloss-Spiele war die Belebung des Fremdenverkehrs, wie man es damals bereits in Mörbisch, aber auch auf Burg Forchtenstein beobachten konnte. Die ersten Festspiele dauerten jedoch mitunter nur drei Tage, bis 1987 war Kobersdorf programmatisch mehr oder weniger ein Ort der Experimente. Danach wurde Kammerschauspieler Rudolf Buczolich zum künstlerischen Leiter ernannt und widmete sich vorwiegend der "Europäischen Komödie". Ab 2003 wurde die Intendanz an Wolfgang Böck übertragen, der nun bereits seit über 20 Jahren das Programm der Schloss-Spiele Kobersdorf gestaltet und verantwortet. Durch seine Bekanntheit als Schauspieler und durch seinen hohen künstlerischen Anspruch konnte er die Besucherzahlen bereits in der ersten Saison mehr als verdoppeln.

LEADERSNET: Was sind die Besonderheiten des Festivals und worin unterscheidet sich dieses von anderen/ähnlichen Events?

Mersich: Das Besondere neben der großen Bekanntheit und Beliebtheit von Wolfgang Böck ist auch das Ambiente mit dem wunderschönen Arkadenhof des Schlosses, das in seinen Ursprüngen auf eine gotische Burganlage aus dem beginnenden 13. Jahrhundert zurückgeht. Mit seinen prachtvollen Räumlichkeiten – u.a. der große Festsaal geschmückt mit Fresken von Carpoforo Tencalla aus dem Jahre 1656 und Stuck von Bertonelli und der Kaisersaal mit Abbildungen sämtlicher römischer Kaiser bis Marc Aurel – und seinem malerischen Schlossgarten mit der beeindruckenden Kapelle zählt es wohl zu den schönsten historischen Anlagen, die es im Burgenland zu bewundern gilt. Aber auch die sich gleich gegenüber befindliche und 2022 vom Land Burgenland komplett revitalisierte und neu eröffnete ehemalige Synagoge Kobersdorf, die für die BesucherInnen der Schloss-Spiele kostenlos zu besichtigen ist, gibt dem Spielort noch zusätzlich eine kulturelle Bereicherung.

LEADERSNET: Welche Kriterien werden bei der Auswahl der Inszenierungen und Stücke berücksichtigt und wie wird das jährliche Programm zusammengestellt?

Mersich: Für die Stückauswahl zeichnet sich vor allem die Intendanz verantwortlich. Diese stellt ein Leading Team bestehend aus Regie, Dramaturgie, Bühnenbildner und Kostümbildnerin zusammen und wählt einen Pool an möglichen Stücken aus, der miteinander diskutiert wird. Im Rahmen des Diskurses fällt dann die Entscheidung für ein Stück und die zu den einzelnen Rollen passenden Schauspieler:innen werden angefragt. Sind unter den angefragten Protagonisten mehrere bzw. einzelne Hauptdarsteller, die die Produktion aus zeitlichen Gründen nicht spielen können, beginnt der ganze Findungsprozess wieder von vorne. D.h. es wird ein neues Stück ausgewählt und neue Schauspieler:innen angefragt. Bei der Stückauswahl selbst spielen neben der künstlerischen Ausrichtung aber natürlich auch finanzielle Rahmenbedingungen eine Rolle, wie z.B. die Kosten für die Bühnenverlagsrechte, die bei geschützten Werken zusätzlich anfallen.

LEADERSNET: Wie finanzieren sich die Schloss-Spiele Kobersdorf und welche Rolle spielen öffentliche Förderungen und private Sponsoren in diesem Kontext?

Mersich: Die Schloss-Spiele Kobersdorf finanzieren sich hauptsächlich durch den Verkauf der Eintrittskarten, aber selbstverständlich auch durch einen Gesellschafterzuschuss des Landes Burgenland sowie durch Sponsoren. Die durchschnittliche Eigenfinanzierungsquote ist dabei sehr unterschiedlich und liegt je nach Größe der Produktion zwischen 45 Prozent und 70 Prozent.

LEADERSNET: Welche Zielgruppen sprechen die Schloss-Spiele an und welche Marketingstrategien werden eingesetzt, um ein breites Publikum zu erreichen und das Festival bekannter zu machen? 

Mersich: Neben den klassischen regionalen Kulturinteressent:innen aus dem Burgenland reicht das Einzugsgebiet neben Wien, Niederösterreich, der Steiermark und Oberösterreich mit seiner Landeshauptstadt Linz, der Heimatgemeinde von Wolfgang Böck, über Salzburg bis hin nach Deutschland. Mit der Intendanz von Wolfgang Böck konnten wir durch die Rahmenveranstaltungen einer jährlichen Biker- und Oldtimerfahrt neue Besucherschichten gewinnen. Es ist immer wieder eine Freude zu beobachten, wenn die vielen Motorradfahrer:innen in Lederkluft, mit dem Helm in der Hand die Tribüne betreten. Und bei den Oldtimern mussten wir heuer aufgrund der erreichten Höchstanzahl erstmals die Anmeldung für die Teilnahme vorzeitig schließen.

LEADERSNET: Wie geht es in der nächsten Saison mit den Spielen weiter? Auf was können sich die Besucher:innen freuen?

Mersich: Für die nächste Saison 2025 haben wir den Klassiker "Geschichten aus dem Wiener Wald" von Ödön von Horváth ausgewählt.

LEADERSNET: Was kann der "kaufmännische Leiter" Mersich von der Privatperson Mersich lernen?

Mersich: Im kaufmännischen Bereich braucht man besonders eine gewisse Gelassenheit und Souveränität. Und als wichtigste Schnittstelle zwischen den eher trockenen und strukturierten Finanzen und der künstlerischen Produktion zusätzlich vor allem auch viel kulturelles Fachwissen und die Fähigkeit zwischen zwei komplett unterschiedlichen Welten zu vermitteln. Im Management sind zwar alle Fähigkeiten durchaus erlernbar, die brennende Begeisterung für Theater jedoch als Teil meiner inneren Persönlichkeit hat mir immer sehr geholfen, die andere Seite besser zu verstehen und besser auf sie eingehen zu können. Kunst lebt letztendlich von der Kreativität, die keine Grenzen kennt. Im kaufmännischen Bereich jedoch sind Grenzen überlebensnotwendig. Dies zu vermitteln und die Akzeptanz dessen einzufordern, ist eine unserer großen Aufgaben.

www.schlossspiele.com 

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV