Am Donnerstag wurden die Ergebnisse des aktuellen "Konjunkturreports Einzelhandel" des WIFO im Auftrag des Handelsverbandes (HV) veröffentlicht. Und diese fallen nicht gerade erfreulich aus. Denn der heimischen Konjunktur wird dabei auch im zweiten Quartal 2024 eine fehlende Dynamik attestiert. Nach einer Verbesserung der realen Umsatzentwicklung im Einzelhandel im April und Mai deute die Eintrübung der Stimmungsindikatoren im Juni wieder auf eine verhaltene Entwicklung hin, so die Studienautor:innen.
Umsatzzuwächse können Kostensteigerungen nicht kompensieren
"Die österreichische Konjunktur verläuft weiterhin schwach. Im Mai und Juni lag die Wirtschaftsleistung laut WIFO-Wirtschaftsindex jeweils um 0,5 Prozent unter dem Vorjahr, im Juli stagnierte sie. Zumindest der Einzelhandel hat im zweiten Quartal leichte Umsatzzuwächse erwirtschaftet, allerdings können diese die Kostensteigerungen in der Beschaffung, beim Personal sowie bei Fremdkapital, Mieten und Pacht bei Weitem nicht kompensieren", erklärt Rainer Will, Geschäftsführer des freien, überparteilichen Handelsverbandes.
Jürgen Bierbaumer, WIFO-Ökonom und Studienautor, ergänzt: "Die nachlassende Teuerung sowie die gestiegenen Haushaltseinkommen haben die Umsätze der heimischen Einzelhändler zuletzt verbessert. Auch die Erwartung für die kommenden Monate ist trotz schwacher Konjunktur stabil. Ein eingetrübtes Bild zeigt aber die Beurteilung der aktuellen Lage, hier dürften die österreichischen Händler mit höherer Konsumdynamik gerechnet haben."
Sparquote steigt heuer auf 9,8 Prozent
Das Konsumentenvertrauen sei zwar zuletzt angestiegen, liege aber weiterhin auf niedrigem Niveau. Die anhaltend hohe Unsicherheit der Konsument:innen erhöhe trotz stark gestiegener Haushaltseinkommen primär die Sparquote auf voraussichtlich 9,8 Prozent, wohingegen die Konsumnachfrage nur moderat zunehme. Immerhin stütze der weiterhin nachlassende Preisauftrieb die reale Entwicklung, heißt es im Report. Im Juni 2024 lag die Inflation in Österreich bei drei Prozent - Tendenz fallend. Wermutstropfen sei, dass wir damit noch immer deutlich über dem Schnitt des Euro-Raums (2,5 Prozent) liegen. Verglichen mit den deutschen Einzelhandelsunternehmen, wo die Inflation niedriger ist, liegen die aktuellen Umfrageergebnisse der heimischen Händler:innen dennoch deutlich positiver (Juni: -9,9 Punkte in Österreich, -20,3 Punkte in Deutschland).
Trüber Arbeitsmarkt und Nein zur Viertagewoche
Die aktuelle schwache Wirtschaftsentwicklung spiegle sich dem Konjunkturreport zufolge auch am Arbeitsmarkt wider. Der Bestand an unbesetzten Stellen ging sowohl im Einzelhandel als auch in der Gesamtwirtschaft weiter zurück und lag im Juni im Einzelhandel bereits um 27,5 Prozent (Gesamtwirtschaft -17,4 Prozent) unter dem Niveau des Vorjahres. Aktuell wären im Einzelhandel aber noch immer 10.670 offene Stellen zeitnah zu besetzen, in der Gesamtwirtschaft sind es 97.915.
"Wir haben in Österreich bereits jetzt fast 100.000 Stellen, die nicht zeitnah besetzt werden können. In Zeiten des Fachkräftebedarfs und der wirtschaftlichen Talfahrt eine Arbeitszeitverkürzung zu fordern, ist wie die Klimakrise mit mehr CO₂ zu bekämpfen - das wird nicht funktionieren", so der Sprecher des österreichischen Handels und weiter: "Beim BIP pro Kopf und damit bei der Erwerbsleistung pro Person hat Österreich in den letzten zehn Jahren im EU-Vergleich immer stärker verloren. Die Forderung der Arbeiterkammer nach einer Viertagewoche würde den Mitarbeitereinsatz zusätzlich erschweren, zu einer weiteren Verschlechterung unserer Wettbewerbsfähigkeit und damit zu einem unmittelbaren Verlust an Wohlstand für die Bevölkerung führen. Und wenn die Arbeiterkammer von diesem Modell tatsächlich so überzeugt ist, warum hat sie es dann noch nicht mal im eigenen Haus flächendeckend umgesetzt?"
Laut Will gebe es bereits mehrere Arbeitszeitmodelle, die Flexibilität ermöglichen und den Wunsch nach mehr Freizeit abdecken. Deshalb würde auch die Zufriedenheit der Handelsmitarbeiter:innen mit den Arbeitszeiten in der Branche bei 79 Prozent liegen.
Ausblick
Gemäß der aktuellen WIFO-Prognose wird die Konjunkturschwäche auch im zweiten Halbjahr 2024 anhalten, sodass die Wirtschaftsleistung im gesamten Jahr stagnieren dürfte. "Für das Jahr 2025 erwarten wir einen leichten Zuwachs von 1,5 Prozent. Während von den Marktdienstleistungen bereits 2024 Impulse zu erwarten sind, dürfte die Rezession in der Industrie und der Bauwirtschaft anhalten. Darauf deutet auch die weiterhin schlechte Stimmungslage des WIFO-Konjunkturtests hin", so Bierbaumer.
Dienstleistungen sollen sich laut Prognose bereits 2024 wieder positiv entwickeln. Im Handel wird nach dem beträchtlichen Wertschöpfungsrückgang 2023 für heuer zumindest mit einem leichten Zuwachs gerechnet (+0,4 Prozent). Die Nachfrage in der Beherbergung und Gastronomie verlief 2023 laut WIFO gut, im Prognosezeitraum wird eine anhaltend positive Dynamik erwartet.
In ähnlicher Dynamik wie der Handel dürften demnach die privaten Konsumausgaben 2024 nur moderat expandieren und erst 2025 kräftiger wachsen (+1,1 Prozent bzw. +1,8 Prozent). Den konsumfördernden Effekten der Reallohnzuwächse stehe dem HV zufolge eine erhöhte Sparneigung infolge des Zinsanstiegs gegenüber. Auch das wirtschaftlich weiterhin unsichere Umfeld und die steigende Arbeitslosigkeit würden zum "Vorsichtssparen" anregen, sodass für 2025 ein Anstieg der Sparquote auf 10,2 Prozent erwartet wird. Die Inflation dürfte im Gesamtjahr 2024 bei 3,4 Prozent liegen, für 2025 werden 2,5 Prozent prognostiziert.
www.handelsverband.at
www.wifo.ac.at
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