LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Koerner, Sie pendeln zwischen Los Angeles und Wien – zwei Städte mit sehr unterschiedlicher architektonischer DNA. Wie beeinflussen diese kontrastreichen Umgebungen Ihre kreative Arbeit?
Julia Koerner: Also auf der einen Seite inspiriert mich die Natur in Los Angeles und die fortschrittliche Technologie. Die Einstellung zu Projekten ist dort sehr positiv – nach dem Motto "Okay, let's do it, let's try it, it's going to work". Auf der anderen Seite sehe ich in Wien und Österreich die Tradition, das Augenmerk auf Qualität, Handwerk und Nachhaltigkeit. So entsteht an beiden Orten eine Synergie, die meine Arbeiten bereichert.
LEADERSNET: Ihre Zusammenarbeit mit Ruth E. Carter für Marvels "Black Panther" hat nicht nur beeindruckende Kostüme hervorgebracht, sondern auch zwei Oscars gewonnen. Was hat Sie an dieser Zusammenarbeit am meisten inspiriert? Was hat es für Sie bedeutet, Teil eines derart bedeutenden Projekts zu sein?
Koerner: Die Zusammenarbeit mit Carter war für mich sehr spannend, weil sowohl sie als auch Coogler unbedingt wollten, dass die Technologie des 3D-Drucks in die Kostüme einfließt. Sie wollten, dass die Kostüme nicht handgefertigt aussehen, sondern den Fortschritt der Technologie in ihrer Ästhetik widerspiegeln. Dieser "Afrofuturismus" war die Aufgabe in diesem Designprozess. Die Kollaboration war sehr lehrreich für mich – ich habe viel über die Filmindustrie gelernt und konnte meine Arbeitsweisen aus der Architektur einbringen. Der Erfolg und die Reichweite des Films waren dann enorm beeindruckend mitzuerleben.
LEADERSNET: Ihr jüngstes Projekt, das Design "The Cactus Homes", verspricht revolutionäre Wohnkonzepte und wurde kürzlich als wegweisendes Projekt bezeichnet. Wie sind Sie auf die Idee eines 3D gedruckten Hauses gekommen und welche Herausforderungen mussten Sie bei der Entwicklung meistern?
Koerner: Ich komme ursprünglich aus der Architektur und habe mich in den letzten 15 Jahren auf 3D-Druck in Mode und Produktdesign konzentriert. In den letzten Jahren hat sich im 3D-Druck im Baubereich sehr viel getan. Start-ups wie Icon Build in Austin, Texas, haben sich auf Betondruck spezialisiert und sind in den leistbaren Wohnbau eingestiegen. Als diese Firma einen Wettbewerb für 3D-gedruckte Tiny Homes unter 99.000 US-Dollar ausschrieb, haben wir uns beworben. Die Herausforderung war es, mit 3D-Druck innovativ und trotzdem wohnlich zu gestalten – etwa eine komplexe Struktur wie Kaktusrippen, Oberlichten für Tageslicht, ein schräges Dach zur Regenwassernutzung und Solarpaneele. Wir haben viele Ideen integriert und ein sehr nachhaltiges, flexibles Raum Design entwickelt.
The Cactus Homes © Julia Koerner
LEADERSNET: Sie wurden von Archinect als "Königin der 3D-Fabrikation in der Architektur" ausgezeichnet. Was bedeutet dieser Titel für Sie, und wie definieren Sie Ihren ganz eigenen Ansatz im Vergleich zu anderen Pionieren der digitalen Fertigung?
Koerner: Ich glaube, dieser Titel kam zustande, weil ich mich in den letzten 15 Jahren nicht auf eine Technologie spezialisiert, sondern sehr vielseitig mit verschiedenen 3D-Druck-Technologien und Materialien gearbeitet habe – von Beton über Glas bis hin zu Bioharzen. Meine Designs spiegeln immer die Möglichkeiten der Technologie wider und versuchen, in jedem Projekt die Grenzen des bisher Machbaren zu überschreiten. Statt mich auf Einzeltechnologien zu fokussieren, definiere ich meinen Ansatz über einen interdisziplinären, erkundenden Geist – ich will immer neue Wege finden, Dinge neu zu denken und auszuprobieren.
LEADERSNET: Ihre Arbeiten wurden in der "New York Times", in "Wired" und "National Geographic" veröffentlicht. Wie beeinflusst der Diskurs in den Medien Ihre Projekte? Gibt es Themen, die Sie für die Öffentlichkeit besonders hervorheben möchten?
Koerner: Die Medienberichterstattung hat sicher dazu beigetragen, das öffentliche Verständnis und die Aufmerksamkeit für 3D-Druck zu schärfen – etwa als eines der ersten 3D-gedruckten Kleider in National Geographic gezeigt wurde. Generell versuche ich in meinen Projekten, die Möglichkeiten nachhaltiger, natürlicher Gestaltung zu betonen, die der 3D-Druck bietet. Ich lasse mich stark von der Natur inspirieren und möchte zeigen, wie man mit digitaler Fertigung intelligente, ressourceneffiziente Designs umsetzen kann – sei es in der Mode, der Architektur oder bei Alltagsprodukten. Mein Ziel ist es, die Technologie aus der Exklusivität herauszuholen und für eine breitere Masse zugänglich zu machen.
LEADERSNET: Sie haben mit so unterschiedlichen Partnern wie Iris van Herpen und Chanel bis hin zu Swarovski, Stratasys und Materialise zusammengearbeitet. Wie schafft man es, in so vielen Disziplinen authentisch zu bleiben und gleichzeitig neue kreative Perspektiven zu gewinnen?
Koerner: Das ist nicht immer einfach, da die Partner oft sehr spezifische Vorstellungen haben. Der Vorteil war, dass die Anfragen immer von den Partnern an mich kamen – sie haben sich also ganz bewusst für meine Herangehensweise entschieden. Meine Aufgabe war es dann, den Spagat zwischen den Anforderungen des Partners und meiner eigenen Designästhetik zu finden. Dafür habe ich viel investiert – sowohl in intensive Arbeitsstunden, um die Projekte voll auszureizen, als auch in parallele Forschungsprojekte, um neue Technologien und Materialien zu erkunden. So konnte ich meinen Partnern immer innovative Lösungsvorschläge unterbreiten und so eine gute Synergie schaffen.
LEADERSNET: Ein oft zitiertes Sprichwort von Leonardo da Vinci lautet: "Einfachheit ist die höchste Form der Raffinesse." Wie spiegelt sich dieser Gedanke in Ihren Entwürfen wider, gerade bei technologisch komplexen Projekten wie 3D-gedruckter Architektur (3D gedrucktes "Cactus Homes") und Mode?
Koerner: Das ist ein wichtiger Leitgedanke für mich. Auch wenn die zugrunde liegenden Technologien komplex sein mögen, versuche ich, die Designs selbst möglichst einfach und elegant zu halten. Zum Beispiel bei der "Setae Jacket", wo ich nur vertikale Stäbe auf Stoff gedruckt habe – die Geometrie ist sehr simpel, aber durch die Bewegung des Stoffs und die Farbenvielfalt entsteht eine wunderbare Ästhetik. Oder bei den Cactus Homes – hier haben wir mit einem kleinen, aber exzellenten Team ein hochinnovatives, aber gleichzeitig sehr reduziertes Design entwickelt. Die Meisterleistung liegt oft darin, aus minimalen Ressourcen etwas Außergewöhnliches zu schaffen. Einfachheit und Raffinesse gehen für mich Hand in Hand.
"Setae Jacket" von Julia Koerner für die Chro-Morpho Collection by Stratasys 2019 © Ger Ger
LEADERSNET: Wenn Sie in die Zukunft blicken: Welche Entwicklungen erwarten Sie im Bereich des 3D-Drucks in den nächsten Jahren und welche neuen Möglichkeiten eröffnen sich dadurch für Designer und Architekten?
Koerner: Wenn ich sehe, wie sich der 3D-Druck in den letzten 15 bis 20 Jahren entwickelt hat, dann kann ich mir nur vorstellen, wie sich das weiter multipliziert. Es gibt schon so viele verschiedene Technologien und Anwendungen, dass ich denke, dass sich hier enorme Möglichkeiten auftun werden – vor allem im Bereich Recycling und nachhaltiger Materialien. Gleichzeitig wird der Zugang zum 3D-Design immer leichter werden, sei es über Apps, Online-Plattformen oder lokale Fertigungslabore. Insgesamt wird die Technologie hoffentlich immer leistbarer und für eine breitere Masse zugänglich. Für Designer:innen und Architekt:innen eröffnen sich damit ganz neue Spielräume, um innovative, nachhaltige und individualisierte Lösungen zu entwickeln. Ich bin sehr gespannt, wohin die Reise geht.
www.juliakoerner.com
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