LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Fitsch, Sie sind seit fast 40 Jahren in der Versicherungsbranche tätig. Was waren Ihrer Meinung nach die bisher größten Veränderungen?
Wolfgang Fitsch: Da fallen mir so spontan zwei Dinge ein: die Geschwindigkeit, mit der wir heute arbeiten und die Deregulierung des Marktes.
Am Beginn meiner Tätigkeit war die EDV unterstützte Verarbeitung noch in den Kinderschuhen, Angebote wurden noch in der "Schreibabteilung" ausgefertigt. Heute undenkbar! Mails sollten heute schon beantwortet sein, bevor sie überhaupt da sind.
Die Deregulierung des Marktes hat zum Markteintritt zahlreicher neuer Anbieter geführt. Gleichzeitig ist die Produktvielfalt deutlich gestiegen, was die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Angebote nahezu unmöglich macht. Nicht alles ist dabei zum Vorteil der Versicherungskund:innen gelaufen ... Da sind mehr denn je echte Expert:innen gefragt, um die Spreu vom Weizen zu trennen.
LEADERSNET: Welche Rolle spielt das "Boom-Thema" Künstliche Intelligenz mittlerweile bei Versicherungen?
Fitsch: Ein wahrlich "großes" Thema, aber ich bin für die Frage sehr dankbar, weil mich das persönlich immer mehr beschäftigt. Ich denke, es ist vorweg notwendig zu definieren oder ein Verständnis dafür zu haben, was wir unter Intelligenz überhaupt zu verstehen haben, bevor ich versuche, diese Frage zu beantworten. Für mich ist Intelligenz die Fähigkeit zu kreativen Lösungen, Abweichungen von der Norm bewusst zuzulassen, neue Wege zu gehen, Scheitern bewusst in Kauf zu nehmen. All das sehe ich bei "künstlicher Intelligenz" nicht. Nur weil "Maschinen" manches besser, schneller und fehlerfreier können als Menschen, sind sie noch nicht "intelligent". Ein Taschenrechner rechnet auch schneller als ein Mensch das kann, aber wir würden ihm niemals das Attribut "künstliche Intelligenz" zuschreiben. Ich zweifle daher sehr an "künstlicher Intelligenz". Die Intelligenz der obigen Überlegungen ist nach meiner Auffassung den Menschen vorbehalten. Aber natürlich wird die technische Entwicklung weiter fortschreiten und Systeme entwickelt werden, die unsere Arbeitswelt weiter verändern. Es geht letztlich um "Automatisierung" zur Senkung der Kosten. Da gibt es sicherlich noch viel Potenzial, wobei ich das in der Versicherungswirtschaft als Unterstützung und nicht als Verdrängung der menschlichen Intelligenz sehe.
LEADERSNET: Wie kam es zu Ihrem Wechsel zur Allcura, einem zu diesem Zeitpunkt am österreichischen Markt noch recht "kleinen" Anbieter?
Fitsch: Nach gut 30 Jahren in der Versicherungswelt der Konzerne in der Verwaltungs- und Reportingaufgaben stetig zugenommen haben, wollte ich mich in meinem "beruflichen Herbst" dem widmen, was mir am meisten Spaß macht: dem Kontakt mit Versicherungsvermittler:innen, um mit ihnen gemeinsam maßgeschneiderte Versicherungslösungen für ihre Kund:innen zu entwickeln und gemeinsam mit meinen Kolleg:innen aus dem underwriting daraus individuelle Versicherungslösungen entstehen zu lassen. Oder wie ich immer schon in meiner "Konzernzeit" gesagt habe: "Ich möchte nicht der Pathologe sein, der im Nachhinein erklärt und Modelle dafür liefert, wieso der Schaden eingetreten ist oder das Versicherungskonzept nicht den erwarteten Erfolg hatte, sondern ich wäre gerne der Chirurg, der am offenen Herzen operiert!"
Allcura ist klein genug, um rasche Entscheidungen und individuelle, maßgeschneiderte Versicherungslösungen möglich zu machen. Meine Erfahrung und die Kenntnis zum österreichischen Versicherungsmarkt helfen uns dabei hier keine Irrwege zu gehen. "Aus Erfahrung innovativ" steht in meiner Signatur, das trifft es sehr gut finde ich.
LEADERSNET: Haben Sie je daran gezweifelt, sich für einen kleinen deutschen Versicherer am österreichischen Markt zu engagieren?
Fitsch: Ich kannte Allcura ja schon seit längerem, weil es schon das eine oder andere Projekt gab, an dem wir gemeinsam gearbeitet haben. Auch wenn damals aus diesen Projekten letztlich kein messbares Ergebnis herauskam, so waren mir doch einige der handelnden Personen und die Herangehensweise bekannt. Das entsprach sehr meinen Vorstellungen, wie ich mir ein Engagement am österreichischen Markt vorstelle. Um es ganz klar zu sagen: niemand hat in Österreich auf Allcura gewartet. Und wir sehen uns auch nicht Konkurrenten der hier etablierten Versicherer, sondern als sinnvolle Marktergänzung. Wir gehen in Themen hinein, mit denen sich sonst vielfach niemand am Markt befasst. Wir versuchen Produkte anzubieten, die am deutschen Markt vielfach üblich und etabliert, aber in Österreich unbekannt sind. Das ist eine aus meiner Sicht vernünftige Herangehensweise, weil in Nischen auch der Konkurrenzdruck niedriger ist.
LEADERSNET: Sie bieten auch Manager-Haftpflicht auf persönlicher Ebene an. Wie sehen Sie die Entwicklung dieses Produktes in Österreich und gibt es hierbei Unterschiede zum Allcura-Heimatmarkt Deutschland?
Fitsch: Unabhängig vom Bestehen einer Unternehmens-D&O halte ich eine persönliche D&O Versicherung für einen sehr sinnvollen Ansatz. Insbesondere dann, wenn ein:e Geschäftsführer:in im "Unfrieden" aus dem Unternehmen ausgeschieden ist und ihm im Nachhinein noch Verfehlungen angelastet werden, die zu Schadenersatzforderungen führen, ist es enorm schwierig für den:die ausgeschiedene:n Geschäftsführer:in auf die Unternehmens-D&O zuzugreifen. Hier lohnt es sich, sein "Schicksal in die eigene Hand" zu nehmen und individuell mit einem eigenen Versicherungsvertrag vorzusorgen. Damit stellt man auch sicher, dass die abgeschlossene Versicherungssumme uneingeschränkt für persönliche Haftungen zur Verfügung steht und nicht – wie in einer Unternehmens - D&O möglich – durch andere versicherte Organe bereits verbraucht ist. Diese Kernbotschaften sind mittlerweile auch am österreichischen Markt etabliert. Vielen Managern ist ihr persönliches Haftungsrisiko mittlerweile klar geworden, was zu einer deutlichen Steigerung der Nachfrage nach derartigen Versicherungslösungen führt. Das ist wohl auch den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in manchen Branchen geschuldet. Im Vergleich zum deutschen Versicherungsmarkt liegen die angefragten Versicherungssummen in Österreich deutlich unter dem dortigen Marktniveau.
LEADERSNET: Welche Produkte bietet die Allcura potenziellen Kunden in Österreich in diesem Bereich an? Gibt es hier maßgeschneiderte Lösungen für unterschiedliche Zielgruppen?
Fitsch: In unserer persönlichen D&O haben wir die Möglichkeit, auch mehrere Funktionen in einer Polizze abzubilden, also das gesamte Haftungsrisiko des:der Managers:in in einem einzigen Vertrag zu versichern. Darüber hinaus sind wir einer der wenigen Anbieter am österreichischen Markt, der für Manager:innen eine persönliche D&O auf Verstoßbasis anbietet. Das im Bereich der D&O Versicherung übliche "claims made" Prinzip zur Zuordnung des Versicherungsfalles bringt deutliche Nachteile gegenüber dem Verstoßprinzip. Die Erläuterung der Unterschiede würde hier zu weit führen. Ich kann nur dringend empfehlen, sich hier professionellen Rat vom:von der Versicherungsberater:in seines Vertrauens einzuholen. Als Abrundung und zusätzlich zu persönlichen D&O Versicherung bieten wir auch Versicherungslösungen für (leitende) Angestellte gegen Schadenersatzverpflichtungen wegen Vermögensschäden, die sie ihrem:r Arbeitgeber:in zufügen, an. Dieses Produkt rundet die Palette der persönlichen Haftpflichtdeckungen ab und bringt Versicherungsmöglichkeiten auch für die zweite Führungsebene.
www.allcura-versicherung.at
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