Am Dienstag wurden die Jahresbilanz 2023 sowie die HV-Händlerbefragung für das zweite Quartal 2024 vorgestellt. Dabei ging der Handelsverband (HV) zusammen mit Kreutzer Fischer & Partner den Fragen nach, welche Produktgruppen die Privatausgaben im stationären Einzelhandel sowie im Onlinehandel aktuell antreiben und wie sich die Inflation auf das Konsumverhalten auswirkt. Das sind einige der Ergebnisse.
Comeback nicht gelungen
Im Vergleich zum ebenfalls holprigen Jahr 2022 stiegen die einzelhandelsrelevanten Ausgaben der privaten Haushalte (ohne Kfz) im Vorjahr zwar um insgesamt +2,8 Prozent (nominell) auf 77,2 Milliarden Euro (2022: 75,1 Milliarden Euro). Real (inflationsbereinigt) blieb die Nachfrage also damit aber um -4,5 Prozent unter dem Niveau des Vorjahreszeitraums.
"Im Teuerungsjahr 2023 sahen sich viele Österreicher:innen wegen der hohen Preise für Strom, Treibstoff und Miete dazu gezwungen, bei den Einkäufen zu sparen. Die Zahlen lügen nicht, fast jede einzelne Einzelhandelsbranche musste 2023 ein preisbereinigtes Umsatzminus verkraften, im Branchenschnitt liegen wir bei -4,5 Prozent. Vor allem bei Produkten rund um Haus und Garten, bei Einrichtungsgegenständen, Elektrogeräten setzten die Haushalte den Sparstift an. Auch im Lebensmittelbereich mussten die Supermärkte und Diskonter einen Ausgabenrückgang von real 1,5 Prozent verkraften", erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will die zentralen Ergebnisse der Studie und fügt hinzu: "Gleichzeitig ist aber die Kostenbelastung für unsere Betriebe dramatisch gestiegen. In der aktuellen Flaute müssen wir daher die Segel richtig setzen, damit wir dann im Aufschwung durch Anreize Zukunftsinvestitionen und Mehrarbeit leisten können."
Dienstleistungssektor wächst, langfristige Investitionen brechen ein
Im Einzelhandel stellen die Segmente Tierfutter (nominell +15,9 Prozent) und Taschen (+10,2 Prozent) eine positive Ausnahme dar. Aber auch der Sportgeräteverleih konnte um +11,7 Prozent zulegen. Hauptverantwortlich dafür sei laut den Expert:innen der boomende Tourismus. Die Urlaubsausgaben sind 2023 um fast 30 Prozent nach oben geklettert. Hier zeigt sich ein anhaltender Trend zu Dienstleistungen.
Generell ist eine deutliche Verschiebung der Konsumausgaben in Richtung Tourismus und Freizeit zu bemerken. "Das Konsumverhalten hat sich deutlich verlagert, weg vom klassischen Produktkauf hin zu Aktivitäten und Erlebnissen. Während die Investitionen in langlebige Konsumgüter im Vorjahr um 5,3 Prozent regelrecht erodiert sind, stiegen die Ausgaben für Reisen, Freizeit und Mobilität um mehr als 9 Prozent", sagt Studienautor Andreas Kreutzer, Geschäftsführer von Kreutzer Fischer & Partner.
Das spiegelt sich auch im Fünf-Jahres-Vergleich wider. "Von 2019 bis 2023 hat der stationäre Handel ganze 6,2 Prozent an Haushaltsausgaben eingebüßt. Der Onlinehandel konnte hingegen um fast 23 Prozent zulegen. Über alle Warengruppen und Vertriebskanäle hinweg liegt der österreichische Handel damit inflationsbereinigt noch immer deutlich unter dem Vor-Krisen-Niveau von 2019", so Susanne Eidenberger, Geschäftsführerin von bellaflora.
Österreichs Handel im Kampf gegen Temu & Shein
Die Ergebnisse zeigen ebenfalls, dass dem Onlinehandel nach zwei Jahren das Comeback gelungen ist. "Die eCommerce-Ausgaben der österreichischen Privathaushalte sind 2023 um nominell +3,5 Prozent auf 9,4 Milliarden Euro angewachsen. Die Onlinequote, also der Anteil des eCommerce an den gesamten Ausgaben im Einzelhandel, steigt damit auf ein neues All-Time-High von 12,1 Prozent", so Kreutzer.
"Die Mehrausgaben der heimischen Konsument:innen im Onlinehandel sind gänzlich an Drittstaatenhändler:innen abgeflossen. Insbesondere Plattformen aus Fernost wie Temu oder Shein haben davon profitiert. Wir gehen davon aus, dass die Ausgaben der Österreicher:innen bei chinesischen Onlineshops bis zum Jahresende auf mehr als eine Milliarde Euro ansteigen werden, wenn der enorme Werbedruck und das eklatante Vollzugsdefizit aufrecht bleiben", sagt Handelssprecher Will.
44 Prozent spüren den Wettbewerbsdruck
Die jüngste Blitzumfrage des Handelsverbandes vom Mai 2024 bestätigt die schwierige Lage. Laut Eigenauskunft haben 17 Prozent der heimischen Händler:innen Produkte in ihrem Sortiment, die auch von Temu und/oder Shein verkauft werden. 44 spüren den generellen Wettbewerbsdruck durch neue Onlinemarktplätze aus Fernost aufgrund des Regulierungsungleichgewichts, ebenfalls 44 Prozent machen sich Sorgen, eigene Kund:innen an dubiose QuickCommerce-Plattformen zu verlieren, die sich nicht an die europäischen Gesetzesvorgaben halten.
Ausblick im Superwahljahr 2024
30 Prozent der Händler:innen erwartet für das Gesamtjahr 2024, das Geschäftsjahr mit einem Verlust abzuschließen. 37 Prozent kalkuliert mit einem ausgeglichenen Ergebnis und 33 Prozent rechnen mit einem Gewinn. "Auch 2024 gestaltet sich für den Handel herausfordernd, aber wir bleiben zweckoptimistisch. Trotz der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat sich zumindest die Konsumstimmung zuletzt aufgehellt, auch das Preisniveau normalisiert sich langsam wieder. Das ist der Hoffnungsschimmer, an den wir uns jetzt klammern", sagt Will.
Dass die Situation im Handel angespannt ist, sollen die neuesten Zahlen von KFP bestätigen. Sowohl die Bundesregierung als auch die Europäische Kommission seien laut dem HV gefordert, einen wirtschaftlichen Flächenbrand zu verhindern.
LEADERSNET war bei der Pressekonferenz. Einen Eindruck können Sie sich hier machen.
www.handelsverband.at
www.kfp.at
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