"Es wird dann versucht, brennende Häuser zu versichern"

| Tobias Seifried 
| 27.09.2023

Jörg Conradi, Vorstandsvorsitzender der Allcura Versicherung, erklärt im LEADERSNET-Interview die Besonderheiten am österreichischen Markt, warum man sich auf Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen spezialisiert hat und weshalb selbst Manager:innen mit Top-Gehalt im Falle einer Klage in den finanziellen Ruin schlittern können. 

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Conradi, gemeinsam mit Kollegen haben Sie einen Spezialversicherer in Hamburg gegründet. Warum kommt man auf solch eine Idee?

Jörg Conradi: Wir waren Bestandteil eines sehr großen Konzerns. Wenn Sie dies auf ein Krankenhaus übertragen, waren wir wie eine Kardiologische Abteilung in einem Krankenhaus, die aber weniger als drei Prozent des Umsatzes generiert hat. Wenn Sie eine große Klinik leiten müssen, dann sind Bedürfnisse von allen Abteilungen zu berücksichtigen. Nie wird man den Fokus auf die individuellen Bedürfnisse von kleinen Einheiten richten. Dies hat uns gestört und wir wollten eine Gesellschaft aufbauen, die sich im Fokus nur um das Thema Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung kümmert. Seit 13 Jahren liegt der Fokus der Allcura nur auf diesem Thema. Damit sind wir heute eine spezialisierte "Privatklinik".

LEADERSNET: Warum hat sich Ihr Unternehmen dazu entschieden, nach Österreich zu kommen?

Conradi: Das haben wir nicht entschieden. Wenige Tage nach der Verlautbarung unserer Gründung, sind österreichische Vermittler auf uns zugekommen und haben Bedarfe angemeldet. Wir hatten sehr großen Respekt vor dem hiesigen Markt. Aus diesem Grund haben wir einige Jahre gezögert. Wir mussten erst das notwendige spezifische Wissen aufbauen. Dies ist uns mit zwei österreichischen Kollegen gelungen. Heute werden wir angefragt und sind im Markt präsent.

LEADERSNET: Wie hart ist der Markt hierzulande umkämpft, wo liegen die größten Herausforderungen und haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Conradi: Die Anzahl der Marktteilnehmer ist ähnlich wie in unserem Heimatmarkt. Die abgerufenen Kapazitäten, also die Höhe der Absicherung eines Risikos, sind in Österreich deutlich geringer. Die Rückversicherer schätzen, dass Österreich nur etwa 100 Millionen Euro Prämie in Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung generiert werden. Die Herausforderung liegt damit in der Kalkulation. Wir kaufen Risiken ein und müssen dabei versuchen mehr Prämie zu generieren, als wir im Schaden auszahlen. Hierfür ist die korrekte Einschätzung des Risikos unumgänglich. Im Ergebnis muss die "Diagnose" stimmen. Die gesetzliche Verjährung von Ansprüchen beträgt 30 Jahre. Wir müssen damit auf jeden Fall noch 20 Jahre warten, bis wir über erfüllte Erwartungen sprechen können.

LEADERSNET: Sie und Ihr Unternehmen gelten als Spezialist für Vermögensschadenhaftpflichtversicherungen. Warum sollte man eine derartige Versicherung abschließen?

Conradi: Wer arbeitet macht Fehler. Diese Binsenweisheit erklärt wie Risiken entstehen. Ob man dieses Risiko selbst tragen will, kann grundsätzlich jeder für sich selbst entscheiden. Wer das Risiko teilweise loswerden will, kann dies über einen Risikotransfer – mehr ist eine Versicherung nicht – verkaufen.

Im Segment der Pflichtversicherungen hat der Staat in den Markt eingegriffen. Einzelne Berufe müssen eine Mindestversicherung nachweisen, um im Schadenfall – dem Ergebnis eines beruflichen Fehlers – auch zahlungsfähig gegenüber dem Geschädigten zu sein. Das Manko liegt in der Höhe der Verpflichtung. Einzelne Berufe müssen nach wie vor nur den Eurogegenwert von einer Million Schilling nachweisen. Die Haftung bleibt bestehen, auch wenn die Deckung bereits leer ist.

LEADERSNET: Ist das Bewusstsein dafür in den österreichischen Management-Etagen bereits angekommen?

Conradi: Unternehmensleiter treffen täglich Entscheidungen. Wenn sie dabei ständig über die Haftung nachdenken würden, wären sie gelähmt und nicht arbeitsfähig. Dennoch ist es notwendig, sich einmal intensiv mit seinem Risiko zu beschäftigen. Die Privathaftpflicht für den Beruf – die Unternehmensleiterdeckung ist die persönliche Absicherung für berufliche Fehler – wird mehr und mehr abgefragt. Viele haben verstanden, dass ihr Unternehmen im Streitfall kein Freund, sondern der Anspruchsteller ist.

LEADERSNET: Wird das Risiko, mit dem eigenen Vermögen zu haften, von vielen Manager:innen nach wie vor unterschätzt?

Conradi: Ja, dies sehen wir immer wieder. Es wird dann versucht, brennende Häuser zu versichern. Was aber nicht funktioniert.

LEADERSNET: Kann das im schlimmsten Fall selbst bei Manager mit einem besonders hohen Einkommen zum finanziellen Ruin bzw. Privatkonkurs führen?

Conradi: Ja, auch diese Fälle sind bereits passiert. An dieser Stelle möchte ich nochmals betonen, dass es eine individuelle Entscheidung ist, ob man einen Risikotransfer im Rahmen einer Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung betreiben will. Wer dies nicht für notwendig hält, wird im Anspruchsfall alle Aufwendungen privat bestreiten. Es ist schwer genug, ein paar Millionen im Berufsleben anzusparen. Was kostet mich die Absicherung, wie wahrscheinlich und hoch ist der Eintritt des Anspruchs – eine ökonomische Abschätzung, die jeder für sich treffen muss.

LEADERSNET: Welche Arten einer Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gibt es eigentlich? Und zu welcher würden Sie persönlich raten?

Die Vielfalt und Ausprägung der Berufe spiegelt sich in der Produktwelt der Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung wieder. Wir unterhalten heute mehr als 400 unterschiedliche Bedingungen. Versicherungen sollen "worst case", also die schlimmsten Fälle absichern. Wenn ich persönlich finanziell überfordert bin, dann brauche ich einen Partner. Bei diesen Risiken suche ich mir privat meinen Risikotransfer. Etwas anderes rate ich auch anderen Mitmenschen nicht.

Sollten Sie zu dem Thema eine Rechtsberatung in Anspruch nehmen wollen, finden sie die Kontaktadresse sowie weitere Informationen in der Infobox.

www.allcura-versicherung.at

www.allcura-versicherung.de

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Nähere Informationen zu Prävention und Risikominimierung erhalten Sie gegen einen Pauschalbetrag von € 250.- unter risikoberatung@leadersnet.at

Über Jörg Conradi

Jörg Conradi ist Vorstandsvorsitzender der Allcura Versicherung mit Hauptsitz in Hamburg (Ressorts: Vertrieb, Marketing und Personal)

Seit 1990 ist der Top-Manager für Betrieb, Risikozeichnung und Vertrieb tätig in den Sparten Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und Allgemeine Haftpflicht-Versicherung bei einem großen Versicherer, u.a. in den USA für internationale Haftpflichtprogramme, seit 2002 betriebliche Leitung der Sparte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, ab 2007 Leiter der zentralisierten Betriebsabteilung der Branche Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, zuletzt Leiter Risikozeichnung für Firmen- und Privatkundengeschäft.

Dr. Josef FRITZ
Eine sehr fundierte und professionelle Darlegung, die man in der Versicherungsbranche so nicht hört bzw. liest- wertvoll !

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Über Jörg Conradi

Jörg Conradi ist Vorstandsvorsitzender der Allcura Versicherung mit Hauptsitz in Hamburg (Ressorts: Vertrieb, Marketing und Personal)

Seit 1990 ist der Top-Manager für Betrieb, Risikozeichnung und Vertrieb tätig in den Sparten Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung und Allgemeine Haftpflicht-Versicherung bei einem großen Versicherer, u.a. in den USA für internationale Haftpflichtprogramme, seit 2002 betriebliche Leitung der Sparte Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, ab 2007 Leiter der zentralisierten Betriebsabteilung der Branche Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung, zuletzt Leiter Risikozeichnung für Firmen- und Privatkundengeschäft.

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