Wie wichtig die Automobilindustrie für den heimischen Wirtschaftsstandort ist, wurde im Frühjahr anhand einer großangelegten Studie gezeigt (LEADERSNET berichtete). Laut deren Ergebnissen handelt es sich bei dem Sektor um eine echte Leitbranche mit einer jährlichen Bruttowertschöpfung von 18 Milliarden Euro (direkt) bzw. 30 Milliarden Euro (total), 354.000 Arbeitsplätzen sowie einem jährlichen fiskalischen Beitrag von 2,3 Milliarden Euro. Doch aktuell befindet sich die Automobilbranche in einer schwierigen Transformationsphase hin zur Elektromobilität, die länger dauert, als zunächst angenommen wurde. Bei Österreichs Automobilherstellern/-zulieferern, Fahrzeughändlern und Automobilimporteuren läuten bereits die Alarmglocken.
"Die Zukunft des Autos ist elektrisch, aber..."
Deshalb stellten der Arbeitskreis der Automobilimporteure, der WKÖ-Fachverband der Fahrzeugindustrie und das WKÖ-Bundesgremium Fahrzeughandel am Donnerstag im Rahmen eines Pressefrühstücks ein gemeinsames Positionspapier (siehe unten) vor. Die darin enthaltenen Forderungen richten sich an die nächste Bundesregierung und an die zuständigen Vertreter:innen in der EU. Dabei wurde einmal mehr betont, dass die Automobilwirtschaft eine Schlüsselindustrie und Leitbranche in Österreich sei. Der Einbruch der Verkaufszahlen von Elektroautos in mehreren europäischen Ländern, inklusive Österreich (in Deutschland fällt er besonders stark aus), bringt einige zentrale Probleme mit sich. Denn, wenn die Hersteller in den nächsten Jahren nicht genügend reine Stromer verkaufen und sie deshalb die vorgegebenen CO₂-Ziele nicht erreichen, drohen ihnen Milliardenstrafen. Deshalb lautet eine Forderung, die Evaluierung des Weges, wie diese Ziele erreicht werden müssen, auf 2025 vorzuziehen. Laut aktuellem Stand soll sie erst 2026 erfolgen. Doch dass der vorgegebene Produktmix nicht erreichbar ist, sei aufgrund der aktuellen Absatzflaute von E-Autos bereits jetzt klar. "Die Zukunft des Autos – zumindest in Europa – ist elektrisch, aber...", sagte der Vorsitzende des Arbeitskreises der Automobilimporteure, Günther Kerle, beim Pressefrühstück. Bezüglich des "aber..." nannte er vier Punkte:
- ...die Transformation benötigt mehr Zeit, als zunächst angenommen wurde.
- ...die E-Mobilität benötigt mehr Unterstützung.
- ...es braucht verbesserte Rahmenbedingung.
- ...die Politik ist gefordert, die Realität anzuerkennen.
Nachholbedarf bei der Infrastruktur
Klaus Edelsbrunner, Obmann des Bundesgremiums des Fahrzeughandels, sieht es ähnlich. Laut ihm müsse sich vor allem bei der Ladeinfrastruktur im ländlichen Raum, bei der Preistransparenz und den Zahlungsmöglichkeiten an Ladesäulen sowie bei den Strompreisen an (Schnell-)Ladepunkten etwas ändern, um die Akzeptanz des Elektroautos bei Privatkund:innen zu steigern. Denn diese bieten Edelsbrunner zufolge nach wie vor nicht den von Verbrennern bekannten Komfort. Das Aufladen müsste auch unterwegs so einfach funktionieren wie das Tanken von Benzin oder Diesel. Am Angebot liege es jedenfalls nicht mehr, denn mittlerweile sind Elektroautos in unterschiedlichen Preisklassen und großen Reichweiten verfügbar. Doch der Funke sei noch nicht so richtig auf das Gros der Kund:innen übergesprungen. Edelsbrunner spricht sich auch für eine langfristige Förderung aus, um den potenziellen Käufer:innen die Unsicherheit zu nehmen. Zudem gehörten die betrieblichen Förderungen und die wirtschaftlichen Anreize für Unternehmen – rund 80 Prozent der Elektroautos werden von Firmen gekauft – ausgebaut. Eine weitere konkrete Forderung an die heimische Politik ist die "Entkomplikation" des NoVA-Gesetzes. Von dem sind Elektroautos zwar nicht betroffen, dennoch sei es viel zu intransparent, so Edelsbrunner.
CO₂-Flottenziele sofort evaluieren
Der stellvertretende Obmann des Fachverbands der Fahrzeugindustrie, Hansjörg Tutner, ging vor allem auf die CO₂-Ziele und die immer stärker werdende Konkurrenz aus China ein. Er fordert eine Vorverlegung der Überprüfung der von der EU vorgegebenen Flottenziele. Diese wurden im Jahr 2020 definiert, doch seither gab es mehrere Entwicklungen, die Tutner zufolge eine sofortige Evaluierung nötig machen. Man halte an den Zielen zwar fest und wolle diese auch erreichen, doch der Weg, wie das vonstattengehen muss, gehöre adaptiert. Der Experte fordert eine ergebnis- und technologieoffene Diskussion auf EU-Ebene. Ein weiterer wichtiger Punkt seien die transformativen Förderungen. Hier nannte Tutner u. a. das Ermöglichen einer Investitionsförderung für die Umstellung der Produktion auf Fahrzeuge mit alternativem Antrieb und deren Teile sowie die Verlängerung der Programme der Transformationsoffensive um weitere drei Jahre (2027 bis 2030). Eine weitere Forderung des stellvertretenden Obmanns des Fachverbands der Fahrzeugindustrie lautet, das EU-Beihilferecht anzupassen. So sollte es u. a. aus Gründen des fairen Wettbewerbs keine regionale Bevorzugung Osteuropas geben. Diese hat u. a. dazu geführt, dass der chinesische Autoriese BYD sein europäisches Werk in Ungarn baut (LEADERSNET berichtete). Apropos China – Tutner sieht den fairen Wettbewerb als wesentlichen Grundpfeiler der österreichischen Automobilwirtschaft. Eine Untersuchung der EU hat jedoch gezeigt, dass chinesische Hersteller von der Regierung teils hohe Subventionen erhalten und deshalb einen Wettbewerbsvorteil haben. Hansjörg Tutner ist zwar kein Fan von Strafzöllen, die EU müsse jedoch zur Stärkung der heimischen Industrie eingreifen.
Abschließend gab es von Kerle, Edelsbrunner und Tutner noch einen gemeinsamen Appell an die nächste Bundesregierung: "Die Automobilwirtschaft trägt wesentlich zum Wohlstand und zur Lebensqualität in Österreich bei. Ein konstruktiver Dialog zwischen Politik und den betroffenen Wirtschaftszweigen ist essenziell, um die aktuelle Umbruchphase proaktiv zu gestalten und in eine Win-win-Situation zu verwandeln." Neben zahlreichen Journalist:innen waren beim Pressefrühstück als weitere Branchenvertreter u. a. Christian Pesau, Geschäftsführer Arbeitskreis der Automobilimporteure in der Industriellenvereinigung und Andreas Gaggl, Geschäftsführer Fachverband Fahrzeugindustrie der WKÖ, mit dabei.
www.automobilimporteure.at
www.wko.at/fahrzeughandel
www.wko.at/fahrzeugindustrie
Das Maßnahmenpaket für bessere Rahmenbedingungen, in dessen Mittelpunkt fünf zentrale Forderungen stehen, im Wortlaut:
- Investitionsanreize setzen – Wohlstand sicherstellen: Die Automobilwirtschaft ist ein mächtiger Wirtschafts- und Jobmotor, mehr als 350.000 Österreicher:innen sind direkt und indirekt in der Branche beschäftigt. Daher braucht es die Wiedereinführung einer Investitionsprämie, die alle Finanzierungsformen zulässt.
- Review des Pkw-Flottenverbrauchs 2026: Die in den Pkw-CO2-Flottenzielen festgelegte Review 2026 ist ein wichtiger weiterer Schritt, kommt jedoch zu spät. Die Review sollte daher vorverlegt werden und parallel dazu das ordentliche Gesetzgebungsverfahren eröffnet werden. Es muss eine ergebnis- und technologieoffene Diskussion geführt werden. Auch muss eine ernsthafte Überprüfung der wichtigen Enabler durchgeführt werden (z. B. Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Marktanteile der E-Fahrzeuge, der grünen Wasserstoff-Infrastruktur und dessen Nutzung in Fahrzeugen). Auf Basis dieser Erkenntnisse müssen realistischere Ziele bei den CO₂-Flottenzielen festgelegt werden.
- Förderung von Transformation der Automobilindustrie in F&E und Produktion: Um sicherzustellen, dass auch die Antriebe und Fahrzeuge von morgen noch in Österreich produziert werden, sollte das bereits etablierte Förderprogramm für die Fahrzeugindustrie verlängert und auf Großbetriebe ausgeweitet werden.
- Individuelle Mobilität darf nicht zum Luxusgut werden: Da insbesondere im ländlichen Raum viele Menschen auf das Auto angewiesen sind und Autofahrer:innen ohnehin schon zu einer steuerlich besonders hoch belasteten Gruppe gehören, ist von Steuererhöhungen im Pkw-Bereich abzusehen.
- Förderung von emissionsfreien Antriebskonzepten: Hier braucht es eine Ankaufsförderung sowohl im gewerblichen Bereich als auch für Private, egal ob es sich um E-Mobilität oder Wasserstoff-Technologie handelt. Auch müssen Gebrauchtwagen in die Förderung einbezogen werden und die Lade- bzw. Tank-Infrastruktur massiv ausgebaut werden.
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