Viel Geld haben oder gar reich sein, das ist der Traum vieler Menschen. Dafür braucht es aber meist strategisch gute Anlagen, mit denen sich das eigene Kapital vermehrt. Und – was viele oft nicht bedenken – es braucht vor allem gutes Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge. Genau dafür gibt es den Beruf des bzw. der Wirtschaftsjournalist:in. Sie bereiten noch so komplexe Vorgänge in der nationalen wie internationalen Wirtschaft auf und machen sie für jedermann:frau zugänglich. Die Wahrheit ist aber, dass sich die wenigsten Menschen für Berichterstattung in diesem Ressort interessieren. Und das, obwohl es in allen Alters- und Bildungsschichten an Wirtschaftswissen mangelt. Das zeigte sich etwa auch in der weltweiten Studie "Worlds of Journalism" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für Österreich, Deutschland und die Schweiz. Auszüge daraus wurden nun beim Internationalen Forum für Wirtschaftskommunikation (IFWK) präsentiert.
Dass der Finanz- und Wirtschaftsjournalismus einer "aussterbenden Berufsgruppe" angehört, statuiert bei der Diskussionsrunde beispielsweise Madlen Stottmeyer aus der Wirtschaftsredaktion der "Presse". Die enthüllenden Berichterstattungen rund um Wirecard, Signa oder dem "STRABAG/Deripaska-Deal" würden jedoch zeigen, was Journalismus alles leisten kann.
In der Studie zeigte sich allerdings, dass sich die Arbeit von Wirtschaftsjournalist:innen über die Jahre zunehmend verändert: "Das Publikum geht weg von der reinen Faktenorientierung und so zeigt sich auch ein Wandel im Wirtschaftsjournalismus vom objektiven Faktenjournalismus hin zu einem interpretativen, aber auf Transparenz bedachten Journalismus", hob Josef Seethaler, Abteilungsleiter des Instituts für vergleichende Medien- und Kommunikationsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), einen zentralen Aspekt der Studie hervor. Zudem haben Wirtschaftsressorts – wie auch viele andere Bereiche – mit der Bekämpfung von Desinformation zu kämpfen.
Die Macht des Journalismus
Wie viel Macht Journalist:innen immer noch haben, zeigte Silvia Kaupa-Götzl (langjährige Vorständin der Österreichischen Postbus AG, davor Prokuristin bei den ÖBB) aus Sicht einer Top-Managerin auf. Sie habe bei der ÖBB gelernt, dass "wichtige Entscheidungen gemeinsam mit der Kommunikations- und PR-Abteilung transparent und nachvollziehbar aufbereitet werden müssen", da das Verlangen nach Transparenz von Kommunikator:innen, wie etwa Journalist:innen, groß sei. Sie finde es dementsprechend äußerst bedenklich, wenn Geheiminformationen aus Sitzungen plötzlich in den Medien landen oder wenn Verhandlungspartner mit einem "Gang zu den Medien" drohen.
Journalist:innen sehen jedoch eben das als einen zentralen Punkt ihrer Recherchearbeit an, wie Hedi Schneid, eine der erfahrensten Wirtschaftsjournalist:innen Österreichs, meint: "Meine Aufgabe als Journalistin ist es, hinter die Kulissen zu schauen und Dinge rauszukriegen."
"Die Eigenwahrnehmung ist laut der vorliegenden Studie, dass sie gar nicht so viel Macht haben", erklärt Hans-Peter Siebenhaar, aktueller Chefredaktion von Focus Money und langjähriger Redakteur beim Handelsblatt sowie Konzernsprecher der OMV. In Wahrheit haben Journalist:innen aber natürlich Macht. Und die sei umso größer, je börsennotierter ein Unternehmen ist, über das berichtet wird. Das zeigt sich etwa anhand steigender und fallender Aktienkurse nach einer einschlägigen Berichterstattung. "Umso kleiner so ein börsennotiertes Unternehmen von seiner Marktkapitalisierung her ist, umso anfälliger ist es natürlich auch gegenüber der Berichterstattung und der Analyse, die von den Medien kommt", ergänzt Siebenhaar.
Österreich schwach in Wirtschaftsberichterstattung
Bei der Betrachtung des Wirtschaftsjournalismus in Österreich kritisiert der Focus Money-Chefredakteur unter anderem, dass das Wirtschaftsblatt eingestellt wurde: "Eine Volkswirtschaft im Herzen Europas verdient eine eigene Wirtschaftszeitung liberaler Art, die nah an den Unternehmen ist." Er bedauere zudem, dass der ORF als einer der ganz wenigen öffentlichen Rundfunkanstalten keine Börsenberichterstattung am Abend, also beispielsweise in der "ansonsten journalistisch gut gemachten" ZiB2 hat. "Ökonomisch autarker Journalismus wäre gut für die Öffentlichkeit, das dient auch zur Ökonomisierung von Denken und Handeln", meint Siebenhaar.
Ungleichgewicht zwischen Redaktionen und Kommunikationsabteilungen
Außerdem stehe man vor der Herausforderung, dass zwischen den Redaktionen und den viel stärker besetzten Kommunikationsabteilungen der Unternehmen ein personaltechnisch großes Ungleichgewicht herrsche. Darauf ging Waltraud Kaserer ein, die nicht nur im Bankenbereich und direkt an der Börse arbeitete, sondern auch als Journalistin beim Standard, der Welt am Sonntag und baute die Seite von manger-magazin.de sowie ftd.de auf. Auch war sie als Kommunikationschefin in der Politik sowie bei börsennotierten Unternehmen wie der Lenzing AG tätig. Sie meint: "Für das Ungleichgewicht zwischen großen Kommunikationsabteilungen und Redaktionen, das Wirtschaftsjournalisten beklagen, sind die vielen Social-Media-Kanäle verantwortlich. Die Unternehmen stehen dort einem riesigen Bereich an unregulierten Absendern gegenüber, der rund um die Uhr ohne Gatekeeper, wie es die Journalisten in klassischen Medien sind, posten. Und wenn ein Shitstorm erst losgetreten ist, ist es wahnsinnig schwierig, ihn wieder einzufangen." Die klassischen Medien hätten den Zugang zu vielen Zielgruppen sowie ihre Deutungshoheit verloren. Zwar hätten Wirtschaftsjournalist:innen nach wie vor große Macht, allerdings beschränke sich diese nur auf einen Teil der Medienkonsument:innen.
Fehlende Finanzbildung
Kritisiert wurde von Josef Herget, Direktor des Excellence Instituts, etwa auch, dass bei Politikberichterstattung viel zu wenig Verknüpfung zwischen politischen und ökonomischen Aspekten hergestellt werden würde.
Damit einher gehe fehlende Finanzbildung, meint Karl Koczurek, Landesdirektor der Österreichischen Beamtenversicherung (ÖBV): "16-jährige Lehrlinge haben oft keine Ahnung, wie sich die auf ihrem Gehaltszettel ausgewiesenen Sozialversicherungsbeiträge zusammensetzen, von Themen wie Zinsen oder Zinsdeckel gar nicht zu reden."
Renommiertes Podium
Bei der Diskussionsrunde im Wiener Raiffeisenhaus, zu der IFWK-Gründer Rudolf J. Melzer Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft und Medien einlud, nahmen unter anderem auch Die Finanz-Chefin der APA – Austria Presseagentur sowie Geschäftsführerin der Gentics Software GmbH, Doris Pokorny, Susanna Janovsky, Head of Corporate Communications bei Dorda, Klaus Schmid, Geschäftsführer von Amberon Consulting sowie des Bundesverbandes Elektromobilität (BVe), der Anwalt Michael Borsky und der CFO von Hamburger Containerboard, Sigmar Mielacher, teil. Geleitet wurde die Debatte von sheconomy-Herausgeberin Michaela Ernst.
LEADERSNET war bei der Studienpräsentation dabei. Eindrücke können Sie sich in unserer Galerie machen.
www.ifwk.net