Lieferrevolution auf der "letzten Meile"?
Automatisierte Paketboxen sollen kostenlose Hauszustellung ersetzen

| Redaktion 
| 07.05.2024

In einer Zeit der "Packerl-Schwemme" gilt die letzte Meile zum Verbraucher mit 50 Prozent der Lieferkosten als Achillesferse der Logistikbranche. Eine Lösung soll jedoch das Zeug zur Lieferrevolution haben.

Ein Klick auf den Bestellbutton und ein paar Tage später klingelt der Paketbote an der Haustür. Geht es nach der Studie "Locking up the last mile" könnte damit bald Schluss sein. Der Grund: Steigende Zustellkosten, Fahrermangel, hohe Kraftstoffpreise und Vorschriften zur Dekarbonisierung des Verkehrs würden die klassische Hauszustellung an Privatkund:innen zunehmend unrentabel machen.

Margen verschwinden

Laut der Studie der globalen Unternehmensberatung Kearney lassen die Kosten für die "Letzte Meile" die Margen der Logistiker schmelzen. Im schlimmsten Fall drohe sogar ein Ende der kostenlosen Zustellung für Privatkund:innen. "Mit über 50 Prozent der Lieferkosten ist die letzte Meile bis zur Haustüre des Kunden mit Abstand der teuerste Teil und die Hauszustellung die am wenigsten effiziente Zustellart", so Sven Rutkowsky, Partner bei Kearney und Leiter der europäischen Transportation Practice.

Die Lösung könnte der Ausbau von automatisierten Paketboxen, sogenannten "Automated Parcel Machines", sein, wo Pakete der Nachbarschaft gesammelt werden und die Kund:innen die "Letzte Meile" selbst schultern müssen.  "Wir haben errechnet, dass eine Lieferung, die beispielsweise 3,50 Euro kostet, im Mittel bei der Nutzung einer Paketbox statt der Hauszustellung rund einen Euro pro Paket spart. Die Gewinnspanne steigt dabei um etwa 30 Prozentpunkte", ergänzt Rutkowsky.

15-mal weniger Gesamtemissionen

Automatisierte Paketboxen würden nicht nur Kosten sparen, sie würden auch die Umwelt schonen. Für Logistikunternehmen seien solche Standorte nämlich deutlich umweltfreundlicher als Lieferungen direkt zum:zur Kund:in, da sie die Anzahl der erforderlichen Lieferfahrten und gefahrenen Kilometer massiv reduzieren würden. Zudem mehren sich auch die Forderungen, Stadtzentren in Nullemissionszonen zu verwandeln oder die Elektrifizierung kommerzieller Flotten zu erzwingen. Wenn die Verbraucher:innen die Paketboxen bequem ohne Pkw, ohne Umwege erreichen können und das Fahrzeug, mit dem ein Schließfach beliefert wird, umweltfreundlich ist, können die Gesamtemissionen 15-mal niedriger sein als bei Zustellung desselben Pakets direkt an die Haustür, schätzen die Autor:innen.

400.000 zusätzliche Paketboxen in Europa

Je größer die Paketboxennetzwerke werden, desto bequemer würden sie für die Kund:innen werden. Dieser "Schwungradeffekt" könnte sich als besonders ausgeprägt für "First Mover"-Anbieter:innen und Marktführer:innen erweisen. Diese können frühzeitig Markenbekanntheit, Kundentreue und Skaleneffekte aufbauen und sich die günstigsten und kosteneffizientesten Standorte sichern. "2022 sind Paketboxennetze in allen europäischen Ländern um 3.000 bis 6.000 Paketboxen pro Land gewachsen. Wir schätzen das Potenzial für ein Wachstum von etwa 400.000 zusätzlichen Paketboxen auf dem gesamten Kontinent", so Rutkowsky.

Um neue Standorte zu erschließen, gebe es zunehmend Absprachen mit Immobilienunternehmen sowie neue Angebote neutraler Paketboxensysteme. Klar sei für ihn, dass das Zeitalter der Haustürbelieferung ohne Preisaufschlag für Privatkund:innen sich dem Ende nähere. Das Rennen um die Marktführerschaft in der Out-of-Home-Zustellung sei eröffnet. 

www.kearney.com

Der Ansatz mit automatisierten Paketboxen klingt zunächst nach einer effizienten Lösung, jedoch stellt sich die Frage nach der tatsächlichen Umweltbilanz, insbesondere in ländlichen Regionen. Wenn jeder Einzelne mit dem eigenen Auto zum Paketfach fahren muss – oft die einzige Option aufgrund schlecht ausgebauter öffentlicher Verkehrsmittel –, könnte das zu einem Anstieg der Emissionen führen. In diesem Fall fährt der Zusteller mit einem Fahrzeug sämtliche Haushalte an, was potenziell umweltschonender ist. Eine echte Emissionsreduktion wäre wohl nur dann gegeben, wenn es in jedem Ort eine Zustellbox gäbe. Doch auch das könnte die Emissionen nur marginal senken. Vielleicht wäre eine innovative Lösung wie die Drohnenzustellung eine Überlegung wert? 😄

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