Interview
"Wir sehen uns als Botschafter der Digitalisierung"

| Dejan Filipovic 
| 19.02.2024

Im LEADERSNET-Interview spricht Karl Sagmeister, Geschäftsführer von Schneider Electric Österreich, u.a. darüber, was es genau heißt, Spezialist im Bereich Energiemanagement und Automatisierung zu sein, wohin sich die Branche entwickelt und welchen Stellenwert das Thema ESG in der Praxis einnimmt. Außerdem gewährt er einen Ausblick auf die Zukunftspläne des Konzerns. 

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Sagmeister, Schneider Electric ist Spezialist im Bereich Energiemanagement und Automatisierung. Was bedeutet das konkret und wo liegt der Unterschied zu anderen Unternehmen, die vielleicht ein ähnliches Konzept verfolgen?

Karl Sagmeister: Wir als Schneider Electric wollen ein Unternehmen sein, das eine kraftvolle Wirkung und einen Impact erzeugt. Daher beschäftigen wir uns damit, Zustände im Bereich der Energieversorgung und Ressourceneffizienz in industriellen Anlagen, in Gebäuden, in der Infrastruktur oder in Data Centern sichtbar zu machen, um diese zu managen und zu optimieren. Am Markt sind wir als führender Technologieanbieter im Bereich der Digitalisierung und des Energiemanagements mit einem sehr umfassenden Lösungsportfolio bekannt.

Schon früh haben wir das Thema Nachhaltigkeit mit den Themen Energiemanagement und Digitalisierung verknüpft und bereits 2005 unseren ersten Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt. Im Nachhinein betrachtet galten wir als Visionär:innen, doch damals haben uns viele Leute inklusive der Stake- und Shareholder gefragt, was wir mit dem Thema Nachhaltigkeit überhaupt erreichen wollen. Mittlerweile betreiben wir über 100 sogenannte intelligente Fabriken und 80 CO2 neutrale Standorte weltweit. Dort, wie auch an vielen anderen unserer Standorte, setzen wir unsere eigenen Produkte und Lösungen ein, um Effizienz nicht nur zu predigen, sondern auch vorzuleben.

LEADERSNET: Wohin entwickelt sich die Branche im Allgemeinen? Was sind die vordringlichsten Themen?

Sagmeister: Im Moment ist das vordringlichste Thema die Energiewende, womit viele andere Themen einhergehen. Etwa ist der Ausbau der erneuerbaren Energie nur der Anfang einer Reise, die mindestens die nächsten zehn Jahre dauern wird. Strom nur nachhaltig zu erzeugen, reicht dabei nicht aus. Es braucht leistungsfähige Netze und ein digitales Energiemanagement, um die vorhandene Energie möglichst effizient einzusetzen. Und das auf beiden Enden: sowohl bei der Einspeisung der Erneuerbaren als auch beim späteren Verbrauch in Anlagen oder Maschinen.

Variable Erzeugungskapazitäten wie zum Beispiel Solar- oder Windkraft benötigen auch eine steuerbare, variable Lastverteilung. Wenn also auf der einen Seite variabel eingespeist wird, muss auch die Verbraucherseite variabel und schnell reagieren können und der Verbrauch an die Erzeugungslage anpassen. Ein effektives Energiemanagement setzt jedoch Digitalisierung voraus, da dafür eine hohe Datentransparenz notwendig ist.

LEADERSNET: Die Digitalisierung verändert aktuell alle Lebensbereiche. Der damit einhergehende Strukturwandel erfasst Gesellschaft, Staat und Wirtschaft gleichermaßen. Kaum etwas ist im Moment präsenter als dieses Thema. Welche Rolle nimmt hier Schneider Electric ein?

Sagmeister: Um einen Konnex zur letzten Frage und dem Thema Ausbau der Energienetze zu schlagen: Bei dem Thema spielen Kapazitätserhöhung, Flexibilisierung, aber auch Digitalisierung eine wichtige Rolle. Denn nur wenn ich etwas digital steuern kann, kann ich es auch anpassen, modifizieren und auf unterschiedliche Zustände reagieren.

Unser Leitspruch lautet "All Digital, All Electric". Wir setzen schon seit Jahren konsequent auf das Thema Digitalisierung und waren auch die Ersten, die unter dem damaligen Konzept "Transparent Factory" die Vision entwickelt haben, dass man Fabriken mithilfe von Sensorik und einer Internetverbindung dezentral von der ganzen Welt aus steuern kann. Das waren die ersten Vorstufen des heutigen Internet of Things (IoT).

Unsere Kund:innen unterstützen wir bei der Digitalisierung und bieten ihnen Lösungen, Softwareangebote und Services an, um den Schritt in diese Richtung zu erleichtern. Außerdem hilft Schneider Electric, mit der Fülle an Daten richtig umzugehen, um aus Big Data zu Smart Data zu kommen. Dabei verwenden wir auch Künstliche Intelligenz, weil diese Datenmengen nicht mehr allein durch menschliche Kräfte zu analysieren und interpretieren sind.

Doch auch unsere eigenen Mitarbeiter:innen kommen von Anfang an mit dem Thema Digitalisierung in Berührung. Sie haben früh die Chance, sich im Unternehmen mit Digitalisierungsthemen auseinanderzusetzten, die sie dann auch privat nutzen können. Wir sehen uns als Botschafter:innen der Digitalisierung. Viele unserer Mitarbeiter:innen sind beispielsweise auch stolze Besitzer:innen von Smart Homes. Das sind Dinge, die uns Freude bereiten und wo man sieht, dass Digitalisierung auch lebendig und Teil unserer Gesellschaft ist. Digitalisierung dient also nicht nur zur Bespaßung wie auf TikTok oder anderen Social Media-Plattformen, sondern trägt längst auch dazu bei, unseren Planeten zu einem besseren Ort zu machen.

LEADERSNET: Klimawandel, Umwelt, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind immer wichtigere Themen. Welchen Stellenwert nimmt das Thema ESG in Ihrem Unternehmen ein?

Sagmeister: Der Klimawandel macht vor Österreich und unserer Gesellschaft nicht halt. Auch wenn es noch Menschen gibt, die dieses Thema bestreiten, gibt es messbare Faktoren, die zeigen, dass Wien 2023 eine durchschnittliche Jahrestemperatur wie Rom vor 25 Jahren hatte. Auch wenn wir es schaffen, alle Emissionen zu stoppen, wird es noch circa 1000 Jahre dauern, bis das gesamte schädliche CO2 aus der Atmosphäre verschwunden ist. Es gibt zahlreiche Studien die belegen – und die Bundesministerin Leonore Gewessler wie auch die Präsidentin der EU-Kommission Ursula von der Leyen betonen dies ebenfalls –, dass die Kosten des Nichthandelns definitiv höher sind als die des aktiven Handelns zur Reduktion von CO2-Emissionen.

Aus eigener Erfahrung können wir sagen, dass die nachhaltigen Unternehmen langfristig auch profitabler sind. Wir konnten unsere eigene Profitabilität von Jahr zu Jahr verbessern, aber dafür leisten wir auch sehr viel und der bürokratische Aufwand ist enorm. Nachhaltigkeit gibt es nicht geschenkt. Dieses Thema ist schon seit vielen Jahren das Herzstück unseres Handelns und auch in der Unternehmenskultur zentral verankert. Auch unsere Geschäftsmodelle drehen sich alle stark um das Thema Nachhaltigkeit. Dass das erfolgreich ist, zeigt sich an den unterschiedlichsten Auszeichnungen und Top-Rankings, die wir in den letzten Monaten und Jahren erhalten haben.

Schon mehrfach wurde der Konzern von Corporate Knights zu einem der nachhaltigsten Unternehmen der Welt gekürt. Auch belegt Schneider Electric seit Jahren eine Spitzenplatzierung im "Corporate Sustainability Assesment" (CSA), durchgeführt von S&P Global. Ebenfalls sind wir im renommierten Dow Jones Sustainability Indize und in der A-Liste des Carbon Disclosure Projects vertreten. Dazu haben wir eine Top-Wertung im branchenspezifischen ESG-Ranking des Moody's zugehörigen Vigeo Eiris. Darauf basierend wird Schneider Electric auch mit Top-Platzierungen in verschiedenen regionalen ESG-Indizes von Moody's gelistet. Die aktuellste Prämierung erfolgte durch das Weltwirtschaftsforum, wo wir als sogenanntes Circularity Lighthouse ausgezeichnet wurden.

Unsere externen Zertifizierungen belegen den Erfolg unserer Arbeit und das ist auch unseren Kund:innen und Partner:innen bewusst. Wir arbeiten anhand von Science Based Targets, denen wir uns und unsere Mitarbeiter:innen unterworfen haben. Daher werden unsere Mitarbeiter:innen jährlich zum Thema Nachhaltigkeit geschult und wissen, wie positiv sich nachhaltiges Handeln auf die Gesellschaft auswirkt. Außerdem ermöglichen wir unseren Mitarbeiter:innen freie Tage im Jahr, um sich tiefergehend mit dem Thema Nachhaltigkeit zu beschäftigen.

LEADERSNET: Nach welchen Kriterien sucht sich Schneider Electric ihre neuen Angestellten aus und gibt es vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels Probleme, die richtigen Arbeitskräfte zu finden?

Sagmeister: Wir sind ein spezifisches Unternehmen und stolz auf unsere Kultur der Nachhaltigkeit und Effizienz – aber auch darauf, wie wir miteinander arbeiten. In jedem Einstellungsgespräch kommunizieren wir unsere Unternehmenskultur und suchen Menschen, die diese Werte und Ziele teilen. Wer den Klimawandel verneint oder für den:die das Elektroauto zu blöd ist und lieber mit einem Diesel fährt, ist definitiv nicht richtig bei Electric Schneider.

Es gibt also grundlegende Werte, auf die wir schauen, weil wir der Meinung sind, dass nicht die Produkte und Lösungen uns von anderen Unternehmen unterscheiden, sondern die Menschen und die Art, wie wir zusammenarbeiten. Bei uns spürt man, dass die Arbeit Sinn macht. Jede:r Mitarbeiter:in kann jeden Tag nachhaltig handeln und zu einer besseren Welt beitragen. Beispielsweise indem er:sie für eine Dienstreise einen Zug statt einen Flug, ein Elektroauto statt einen Diesel nutzt oder in einem papierlosen Office arbeitet und ein Glas statt einen Plastikbecher verwendet. Wir fördern außerdem die öffentliche Mobilität: Bei uns bekommt jede:r Mitarbeiter:in eine Jahreskarte zur Verfügung gestellt und das Klimaticket, wenn es sich um weite Anreisen handelt.

Wir sind auch als familienfreundliches Unternehmen zertifiziert. Wir bieten unseren Angestellten sowohl eine zeitliche als auch örtliche Flexibilität an. Auditor:innen bewerten, dass Schneider Electric unter den Top 0,5 Prozent ist, wenn es um die Angebote und Möglichkeiten für Mitarbeiter:innen geht, Familie und Privatleben in Einklang zu bringen. All das trägt dazu bei, dass wir wenig Probleme bei der Rekrutierung von Fachkräften haben. Zudem haben wir aufgrund unserer multilokalen Unternehmensaufstellung die Möglichkeit, Fachkräfte die wir nicht in Österreich finden, dann anderweitig in der Welt zu rekrutieren und für uns zu erschließen. In Österreich haben wir zwei globale R&D-Zentren, an denen wir Softwarelösungen für den Weltmarkt entwickeln und nutzen natürlich auch die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten, um Entwicklungsingenieur:innen auf der ganzen Welt für diese Standorte zu suchen.

LEADERSNET: Wie schauen die Pläne von Schneider Electric für 2024 und die weitere Zukunft aus?

Sagmeister: Das Inkrafttreten der ersten Phase der Nachhaltigkeits-Berichtspflicht ist ganz oben auf unserer Agenda in diesem Jahr. Unsere Aufgabe besteht darin, unseren großen Industriekunden in Österreich zu helfen, sich bei diesem Thema zurechtzufinden und ihrer Nachhaltigkeitsberichtpflicht nachzukommen. Das Thema ist zwar nicht neu, aber die Energiekrise und die hohen Energiepreisen haben dazu geführt, dass das Thema noch einmal einen Push in den Vorstandsetagen auf C-Level bekommen hat und es dort noch intensiver diskutiert wird. Natürlich ist es aber ein Thema, das auch Klein- und Mittelbetriebe betrifft. Die Lösungen aus unserem Portfolio sind skalierbar und eignen sich sowohl für große Industriekunden wie auch für KMUs. Wir unterstützen daher alle diese Unternehmen dabei, Maßnahmen zu definieren, diese umzusetzen und auch die erforderlichen Dokumentationen zu erhalten.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die PV-Förderung. Die letzten Förderschienen waren gut, aber sehr oft überzeichnet. Ab 1. Jänner gibt es die Mehrwertsteuerbefreiung für PV-Anlagen, die aus unserer Sicht zu einer Belebung des PV-Marktes führen wird. Für uns geht es vor diesem Hintergrund sehr stark darum, die Infrastruktur für diese Anlagen entsprechend zu stützen. Etwa indem wir Smart Home-Lösungen, Verteiler, Elektroinstallationsgeräte zur Absicherung dieser PV-Anlagen oder Ladestationen für E-Mobilität liefern.

Der dritte Bereich ist das Thema Gebäudeautomatisierung. Seit letztem Jahr haben wir in Österreich eine Förderung für die Gebäudeautomatisierung in der Renovierung von Bestandsgebäuden. Gerade in diesem Gebäudebereich gibt es noch viel Potenzial bei CO2-Einsparungen und der Energieeffizienz. 2024 wollen wir dabei unterstützen, hier noch mehr Einsparungen zu erzielen und diese Förderung zu lukrieren.

LEADERSNET: Was kann der "Geschäftsführer" Sagmeister von der Privatperson Sagmeister lernen?

Sagmeister: In meiner Karriere hatte ich immer wieder Mentor:innen und habe Weiterbildungen und Seminare besucht, wo es darum ging, den Wert der persönlichen Entwicklung in den Vordergrund zu stellen. Denn die Beschäftigung mit sich selbst im Sinne des "Selbstbewusstsein", ist die wertvollste Zeit. Gib nicht den anderen die Schuld oder warte nicht darauf, dass dich jemand motiviert, sondern schaue in dich hinein, verstehe wer du bist, was dich antreibt und dann setzte dort an und beginne an dir zu arbeiten.

In den frühen Dreißigern habe ich dann erkannt, dass Erfolg haben und Ziele erreichen, bewusste Entscheidungen sind. Dabei spielt vor allem Authentizität eine wichtige Rolle. Denn wenn ich authentisch und dieselbe Person im Beruf und Privatleben bin, dann brauche ich keine Energie mehr zu verbrauchen, um darüber nachzudenken, wer ich bin. Außerdem habe ich immer nach einem Umfeld gesucht, das meinen Vorstellungen und Werten entspricht und konnte dort immer ich selbst sein. Ich lerne permanent weiter und schaffe es, unabhängig von meiner Funktion, meine Fähigkeiten jeweils nach Bedarf und Anlass im Beruf und Privatleben zu nutzen. Ich bin Karl Sagmeister der Mensch und "Geschäftsführer" ist nur ein Titel.

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