Gastkommentar
Mich frisst der Neid!

| Redaktion 
| 21.01.2024

Gastkommentar von Ralf-Wolfgang Lothert, Mitglied der Geschäftsleitung und Director Corporate Affairs & Communication von JTI Austria.

Liebe Leser:innen! In meinem heutigen Gastkommentar wollte ich mich ursprünglich dem Bürokratiewahnsinn in Österreich und Deutschland widmen, jedoch ist mir beim Durchblättern einer großen österreichischen Boulevardzeitung ein anderes Thema ins Auge gesprungen: In der Republik Österreich herrscht großer Neid. Sind Ihnen vielleicht auch schon ein zunehmender Neidkomplex und die andauernden Neiddebatten aufgefallen? Nicht nur, aber vor allem in Österreich, was angesichts der katholischen Prägung des Landes verwundert, gehört Neid doch zu den Sieben Todsünden.

Aber eines nach dem anderen: Was bedeutet eigentlich Neid? Auf Wikipedia wird er beschrieben als "eine Empfindung, bei der die neidende Person über die Güter einer anderen Person selbst verfügen möchte oder ihr diese nicht gönnt. Dabei kann sich der Neid auf materielle Besitztümer und immaterielle Vorzüge wie Attraktivität, Erfolg, Freundschaften oder Privilegien beziehen." Kommt Ihnen das bekannt vor, möglicherweise gar bei sich selbst oder bei anderen?

"Gegen die da oben"

Auch am politischen Parkett, insbesondere in Zeiten von Wahlkämpfen, ist dies zu beobachten, wenn extrem rechte oder linke Gruppierungen "gegen die da oben" wettern. Was auch immer oben bedeuten mag – im Grunde genommen geht es ausschließlich um das Schüren von Neid, indem suggeriert wird, man hätte Anspruch auf etwas, das jemand anderer hat. Das ist insofern absurd, als man es, wenn man es möchte, immer schaffen kann, zu "denen da oben" zu gehören oder einfach etwas ganz anders zu machen und sich zu verwirklichen. In anderen Ländern ist man stolz, wenn andere etwas vollbracht haben und nimmt sich dies als Vorbild bzw. Ansporn, es selbst zu erreichen – allerdings ohne dabei neidischen Umverteilungsfantasien anheim zu fallen. Man ist stolz, zelebriert, was man hat und gönnt es auch den anderen – was einen wahrscheinlich auch persönlich glücklicher macht. Hierzulande jedoch wird am sogenannten "Fat Cat Day" über Manager hergezogen, oder es wird ehemaligen Politikern nicht gegönnt, dass sie nach ihrer Politkarriere in der Privatwirtschaft gut verdienen. Die jüngste Diskussion über einen ehemaligen österreichischen Bundeskanzler zeigt dies sehr deutlich. Das hat natürlich nichts damit zu tun, dass eben dieser Ex-Bundeskanzler nicht fähig war, bzw. in der Ausführung seines Aufsichtsratsmandates versagt hat und dafür auch haften sollte. Es geht in erster Linie um das grundsätzliche "Nicht-gönnen-wollen", um den Neid.

Aber woran liegt es, dass in zahlreichen täglichen politischen Konflikten, bei den Tarifverhandlungen und bei Demonstrationen die Neiddebatte stetig zunimmt? Vielfach geht es in den meisten Auseinandersetzungen gar nicht mehr um ideelle Dinge, sondern am Ende fast immer um materielle Werte. Wir befinden uns in einem gefühlsmäßigen negativen Abwärtstrend, wie viele Umfragen dies auch belegen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Stagnation bis hin zu einem Abwärtstrend, in dem wir uns befinden. Mit dem Effekt, dass der Vergleich mit anderen immer dann besonders wichtig wird, wenn der eigene Wohlstand nicht mehr wächst. Und natürlich geht der Blick immer zu jenen, denen den es vermeintlich besser geht. Problematisch ist dies vor allem dann, wenn die Menschen keine Legitimation des Unterschiedes anerkennen, die Verantwortung für den Unterschied nicht bei sich selbst vermuten oder der Ansicht sind, dass es ohne Intervention keine Verbesserung geben kann.

Öl ins Feuer

Durch die enormen Unterstützungspakete der letzten Jahre wurde hier sicherlich noch zusätzlich Öl ins Feuer gegossen, und bei vielen entstand der Eindruck, dass vor allem jene am meisten profitiert haben, die sich am lautesten durchgesetzt haben. Hier bewahrheitet sich leider eine alte Weisheit: Wohltaten geraten bei den Empfänger:innen immer schneller in Vergessenheit als bei den "neidischen", die vielleicht nur wenig bekommen haben oder gar leer ausgegangen sind.

Bei meinen Recherchen zum Thema Neid bin ich in mehreren Artikeln auf eine weitere Conclusio gestoßen. Diese eben beschriebene Reaktion führt auch dazu, dass die Politik sich über immer weniger Reformen, oder besser gesagt Veränderungen, traut. Ein Beispiel: Wer wie z. B. in Österreich von der Abschaffung der Kalten Progression profitiert, nimmt dies als selbstverständlich wahr, wohingegen jene, die möglicherweise weniger davon profitieren, laut dagegen protestieren werden. Die Politik will in der Folge den Menschen kaum mehr etwas zumuten und nimmt daher nur Belastungen einzelner vor (die anscheinend so viel haben), auch wenn das für einen sehr kurzfristigen Zeitraum wohl die letzte Ressource gewesen sein wird. Vor allem aber schütten die meisten Regierungen Geschenke aus, was wiederum die Verschuldung in den meisten Ländern exorbitant steigen lässt.

Geneigte Leser:innen, ich könnte hier noch viel weiter ins Detail gehen, aber Ihnen ist wohl bereits mehr als klar, was ich meine. Neid ist einer der Treiber, der uns sowohl privat als auch politisch und wirtschaftlich in den Abgrund treiben kann und wird. Insoweit kann man der katholischen Kirche wenig Argumente entgegensetzen, Neid als Todsünde zu bezeichnen. Deshalb lassen Sie uns in unserem engeren Umfeld damit beginnen, anderen etwas zu gönnen, oder uns vielleicht sogar darüber zu freuen, wenn jemandem etwas gelingt, er oder sie "es" gar geschafft hat. Wir sollten – egal von wem geschürte –Neidkampagnen ablehnen und uns viel eher darauf konzentrieren, was jede:r einzelne von uns, vielleicht mit der Unterstützung und dem Wohlwollen anderer, in diesem großartigen Land selbst erreichen kann.

Natürlich wird angesichts unseres heurigen 240-jährigen Firmenjubiläums da und dort Neid aufflackern, denn nicht vielen Unternehmen ist solch eine wirtschaftliche Beständigkeit beschieden. Anstatt diesem Gefühl nachzugeben wäre es aber auch eine Option, sich zu freuen, in einem Land zu leben, wo dies möglich ist und es als Ansporn für das eigene Durchhaltevermögen zu sehen.

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