LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Hörmann, seit der Eröffnung des Showrooms in der Wiener Innenstadt im Herbst 2021 ist Polestar in Österreich offiziell vertreten. Wie sind Sie mit dem ersten Jahr zufrieden?
Hörmann: Im ersten Jahr geht es vor allem darum, dass man die notwendigen Rahmenbedingungen schafft. Das heißt, man beginnt mit dem Netzaufbau. Wir können hierzu Synergieeffekte mit der Schwestermarke Volvo nutzen, wodurch wir einen großen Vorteil hatten. Anstatt auf der grünen Wiese starten zu müssen, bauen wir auf einem gut etablierten Netz an Service-Partnern auf. Eine ebenso große Aufgabe war es, in der Wiener Innenstadt unseren Polestar Space einzurichten und in Betrieb zu nehmen. Hier ist unsere Marke zuhause, hier stellen wir auch unsere Fahrzeuge aus - inklusive speziellen Exponaten, was sehr viele Autointeressierte anlockt.
Nach dem erfolgreichen Start des Schauraums war es natürlich wichtig, Auslieferpartner zu finden. Hier gibt es mittlerweile vier Betriebe, die gut über Österreich verteilt sind (Wiener Neudorf, Linz, Graz und Innsbruck) und die auch Probefahrten mit dem Polestar 2 anbieten. Zudem sind bei den Auslieferpartnern auch Polestar Pop-ups installiert, in denen die Kund:innen die Fahrzeuge erleben können und professionell beraten werden. Der Verkaufsstart in Österreich erfolgte am 5. Oktober 2021. Neben der Infrastruktur war es enorm wichtig ein Netz an Mitarbeiter:innen aufzubauen. Derzeit haben wir ein 22-köpfiges Team, das den österreichischen Markt bearbeitet. Insgesamt bin ich mit dem Start und dem ersten Jahr sehr zufrieden.
LEADERSNET: Polestar setzt auf einen völlig digitalen Ansatz – Probefahrten-Buchung, Konfiguration, Leasing, Kauf, etc. werden online abgewickelt. Wie wird das von den Österreicher:innen angenommen?
Hörmann: Diesbezüglich ist für Österreich noch ein gewisser Weg zu gehen. Wir sind als Land oder als Österreicher:innen nicht so digital affin wie andere Nationen. Nichtsdestotrotz haben wir einen sehr guten Response. Viele unserer Aktivitäten werden von Beginn an digital aufgesetzt. Wir versuchen diesen 360-Grad-Ansatz konsequent durchzuziehen und bieten deshalb auch eine Reihe an Services digital an. Wichtig ist es, möglichst viele Kund:innen auf unsere Homepage zu bringen, wo sie sich alle Informationen zu unseren Produkten abholen und zum Newsletter anmelden können.
Das Angebot geht jedoch weit darüber hinaus. Hier können Kund:innen nicht nur Fahrzeuge konfigurieren, sondern eine komplette Kalkulation durchführen und die Fahrzeuge auch bestellen. Wenn das Fahrzeug dann produziert ist, werden sie ebenfalls digital darüber informiert. Kund:innen können sich einen Händlertermin mit ihrem gewünschten Auslieferungspartner ausmachen. Zu diesem muss man dann aber doch noch physisch erscheinen (lacht). Bei der Abholung des Fahrzeugs gibt es auch eine umfangreiche Einschulung. Wir versuchen also wirklich, das gesamte Geschäft rund herum abzudecken. Inklusive der Möglichkeit des physischen Erlebnisses in unserem Polestar-Space und bei den Auslieferungspartnern. Denn dieses ist beim Autokauf nach wie vor besonders wichtig, genau wie die Möglichkeit von Testfahrten. Aktuell sind wir noch eine Monoprodukt-Firma, da der Polestar 1 ausverkauft und derzeit nur der Polestar 2 im Modellprogramm zu finden ist. Mit dem Polestar 3 steht aber bereits ein weiteres Modell in den Startlöchern.
LEADERSNET: Für fällige Arbeiten wie Service, Reifenwechsel, "Pickerl"-Überprüfung, etc. kooperieren sie mit der Schwestermarke Volvo. Sind alle heimischen Volvo-Betriebe Service-Partner von Polestar bzw. wie viele gibt es davon in Österreich?
Hörmann: Unser österreichweites Netz besteht aus 28 Polestar Servicepartnern. Hier greifen wir also auf ein sehr erfahrenes, top ausgebildetes und hochwertiges Servicenetz von Volvo zurück. Werkstätten, Software, Teile, Nachschub, Winterreifen, Service - für Polestar-Kund:innen bleibt kein Wunsch offen. Dass Volvo als schwedische Premiummarke einen hervorragenden Ruf genießt, ist für uns natürlich ein Segen.
LEADERSNET: Hierzulande werden Elektroautos zum Großteil von Unternehmen gekauft. Wie hoch ist der Firmenkund:innen-Anteil bei Polestar?
Hörmann: In einem Bereich zwischen 70 und 80 Prozent. Hier liegen wir also exakt auf dem Niveau des österreichischen Marktes.
LEADERSNET: Wie viele Modelle Ihrer Marke sind derzeit mit österreichischen Kennzeichen unterwegs?
Hörmann: In Österreich sind derzeit rund 600 Polestar 2 zugelassen. Jedes Fahrzeug, das ins Land kommt, ist verkauft. Die Nachfrage ist höher als das verfügbare Angebot. Doch von den Lieferproblemen sind aktuell alle Hersteller betroffen.
LEADERSNET: Bisher hat Polestar mit dem Plug-in-Hybrid-Sportwagen Polestar 1, der nicht mehr verkauft wird, und dem Polestar 2 zwei Modelle im Programm. Anfang 2023 kommt das große SUV Polestar 3 dazu. Welche Erwartungen haben sie in den Newcomer?
Hörmann: Die sind zweifelsohne groß. Es ist unser erstes SUV, also genau ein Modell jenes Segments, das derzeit am stärksten boomt. Der Polestar 3 ist ein Elektro-SUV, wie es sich unsere Marke vorstellt. Es ist mit 4,9 Meter ein großes Fahrzeug, wirkt aufgrund seines sportlichen Designs jedoch kompakter. Dazu trägt auch die im Vergleich zu Konkurrenten geringere Höhe bei. Alles in allem spielt der Polestar 3 in einem Segment, das grundsätzlich sehr wachstumsstark ist und hohe Margen bietet. Genau hier kann sich eine Premiummarke weiterentwickeln und gutes Geld verdienen, das dann wiederum in die Entwicklung der gesamten Marke fließt. Den Polestar 3 haben wir auch - bis auf die Plattform - eigenständig entwickelt. Es verkörpert also alle Prinzipien der Polestar-DNA.
Für uns spielen die Themen Design und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle und wir folgen dem Motto "sustainability by design". Alle wichtigen Entscheidungen werden bereits am Skizzenblock getroffen, alle Materialien werden bewusst ausgewählt. Wir werden auch für den Polestar 3 wieder eine umfassende Lebenszyklusanalyse durchführen, die den CO2-Fußabdruck des Fahrzeugs ausweist. Bis 2030 wollen wir ja ein vollkommen klimaneutrales Auto entwickeln. Dieses ganzheitliche Herangehen macht den Polestar 3 und unsere Marke so besonders und unterscheidet uns von anderen. Natürlich ist der Polestar 3 auch bei wichtigen Aspekten wie Sicherheit oder Konnektivität ganz vorne mit dabei.
LEADERSNET: Viele Hersteller von Elektroautos kämpfen aktuell mit extrem langen Lieferzeiten. Wie sieht es hier bei Polestar aus und ist es diesbezüglich von Vorteil, dass die Fahrzeuge in China gefertigt werden?
Hörmann: Das hat mehrere Facetten. Die eine ist jene der Fertigungsqualität, die sehr hoch ist. Die andere betrifft die harte Lockdown-Strategie der chinesischen Regierung. So hat uns der Lockdown in Shanghai doch stark getroffen, weshalb der Nachschub aus China eine Weile unterbrochen war. Konkret waren das die Produktionsmonate April und Mai, weshalb viele bestellte Autos erst zeitverzögert den Weg nach Europa und eben auch Österreich gefunden haben. Mit einer Wartezeit von rund sechs Monaten stehen wir aber vergleichsweise gut da.
Stolz wind wir darauf, dass unser Werk sehr umweltfreundlich ist - nicht nur für chinesische Verhältnisse, sondern global gesehen. Von der energetischen Seite her wird es rein mit erneuerbarer Energie betrieben, zudem zählt es zu den effizientesten Werken weltweit, was ihm auch den Top Goldstandard eingebracht hat. Ab 2024 produzieren wir dann auch außerhalb Chinas. Der Polestar 3 wird nämlich auch in einem Werk in den USA vom Band laufen.
LEADERSNET: Der Marktanteil von Elektroautos steigt in Österreich zwar kontinuierlich, dennoch ist er nach wie vor vergleichsweise gering. Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf?
Hörmann: Natürlich ist nicht alles perfekt. Aber ich bin auch davon überzeugt, dass man beispielsweise die Lade-Infrastruktur in Österreich ständig schlechter macht, als sie eigentlich ist. Entlang der Hauptverkehrsrouten haben wir ausreichend Schnellladestationen. Ich weiß das aus der Praxis, schließlich fahre ich durchschnittlich 600 Kilometer pro Woche. Der Polestar 2 verfügt über eine hohe Reichweite und lädt mit bis zu 155 kW, wodurch die seltenen Ladestopps äußerst kurz ausfallen. In den urbanen Bereichen könnte die Infrastruktur jedoch besser sein. Im internationalen Vergleich steht Österreich aber auch hier nicht schlecht da. Dennoch sind eine laufende Weiterentwicklung sowie ein Ausbau wünschenswert und auch notwendig.
Bei den Förderungen kommen Änderungen auf uns zu. So wird der Incentive für Firmen Ende des Jahres voraussichtlich komplett auslaufen. Privatpersonen werden bei Neuanschaffung aber auch 2023 mit 5.000 Euro unterstützt, wenn sie die vorgegebenen Voraussetzungen erfüllen. Unternehmen profitieren hingegen wiederum von deutlichen Steuererleichterungen (kein Sachbezug, etc.). Zudem fallen für E-Autos generell keine NoVA und keine motorbezogene Versicherungssteuer an. Zu kritisieren ist, dass es in Österreich - wie so vieles - mit großem bürokratischen Aufwand verbunden ist, an die vorhandenen Incentives zu kommen. Hier könnte man die Komplexität deutlich reduzieren. Nordische Länder wie Norwegen zeigen, dass das für die Käufer:innen und Fahrer:innen von Elektroautos auch deutlich einfacher und mit weniger Aufwand funktioniert.
LEADERSNET: Wie sehen die Ziele für das kommende Jahr aus? Wie viele Autos muss Polestar 2023 in Österreich verkaufen, damit Sie zufrieden sind?
Hörmann: Da wir ein börsennotiertes Unternehmen sind, kommentieren wir national keine Ziele und keine Zahlen. Aber Polestar hat heuer ganz klar das Ziel weltweit 50.000 Fahrzeuge auszuliefern. Im Vorjahr waren es 29.000. Im Jahr 2025 wollen wir global bei 290.000 ausgelieferten Polestar-Modellen landen. Das bedeutet binnen fünf bis sechs Jahren eine Verzehnfachung und dazu soll auch Österreich seinen Anteil beitragen. Im nächsten Jahr werden wir noch deutlich mehr Polestar 2 als 3 verkaufen. Denn der Produktionsstart für das neue SUV erfolgt erst im Sommer 2023, zu den Käufer:innen wird es dann im vierten Quartal des kommenden Jahres kommen.
www.polestar.at
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