"Die meisten Menschen arbeiten nicht für Geld, sondern für den Arbeitsplatz, der sie umgibt"

| Tobias Seifried 
| 06.10.2022

Im LEADERSNET-Interview spricht Allegra Frommer, Vorstandsvorsitzende der Hogast, u.a. über die Vorteile einer Genossenschaft, wie sich die aktuellen Krisen auf die Mitgliedsbetriebe auswirken, den Arbeitskräftemangel in der Hotel- und Gastrobranche und worauf es beim Umgang mit Mitarbeiter:innen ankommt.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Frommer, die Hogast ist mit rund 3.250 Mitgliedsbetrieben eine der wichtigsten Einkaufsorganisationen für die Hotellerie und Gastronomie des Landes. Wie hat es die Genossenschaft die letzten 40 Jahre geschafft, sich immer wieder an die jeweiligen Situationen anzupassen?

Frommer: Für mich gibt es eine sehr klassische Erklärung. Die Hogast ist von Hoteliers selber gegründet worden. Und jedes Unternehmen muss sich an gewisse Bedingungen des Marktes anpassen, wenn es weiter erfolgreich sein will. Insofern ist es sehr positiv, dass diese Nähe zum Unternehmer da ist. Die Mitgliedsbetriebe sind bei uns nach wie vor stark involviert. Gewisse Dinge mussten sich über die vier Jahrzehnte natürlich professionalisieren. In heutigen Zeiten besinnt sich die Genossenschaft wieder sehr stark auf diesen Community Gedanken. Es geht nicht mehr nur um den Gewinn alleine oder um den Markt selber zu bearbeiten, sondern darum, wie man das gemeinsam bestmöglich mit Kolleg:innen und mit anderen Hoteliers und Gastronomen schaffen kann. Gerade in schwierigen Zeiten wie diesen ist dieser Gemeinschaftsgedanke sehr positiv.

LEADERSNET: In welchen Bereichen setzt die Hogast aktuell ihre Schwerpunkte?

Frommer: Hier gibt es drei Teilbereiche. Einer ist der gemeinsame Einkauf. Deswegen haben wir auch momentan einen guten Zulauf an neuen Mitgliedern. Man besinnt sich eben darauf, dass eine Community doch stärker ist, als man als Betrieb alleine ist. Wir haben natürlich gewisse Prozedere. Bei den aktuellen Preissteigerungen haben wir ja das Phänomen, dass auch viele Trittbrettfahrer dabei sind. Hier setzen wir auf gewisse Szenarien, um zu schauen, ob diese Preissteigerungen wirklich gerechtfertigt sind. Dadurch entsteht eine gewisse Professionalität und hier bleiben wir auch hart. Der zweite Fokus liegt bei uns in der Digitalisierung, was ein sehr großer Begriff ist. Hier stehen der Online-Einkauf und die Professionalisierung der Onlineshop-Systeme im Mittelpunkt. Zudem hilft die Digitalisierung, die Effizienz zu steigern und die Komplexität, die mittlerweile in jedem Betrieb herrscht, besser bewältigen zu können. Der dritte Teilbereich ist der Servicegedanke. Das heißt, was können wir intern tun, um unsere Mitglieder gut und professionell zu servicieren, damit sie sich rein aufs Kerngeschäft konzentrieren können.

LEADERSNET: Viele Hotels und Gastronomiebetriebe leiden derzeit enorm unter den stark steigenden Kosten (Energie, Rohstoffe, Lebensmittel, etc). Kann ihnen die Hogast mit dem gemeinsamen Einkauf auch beim Sparen helfen?

Frommer: Nicht nur das. Wir bieten den Mitgliedern auch diverse Tools an. Bei uns auf der Plattform "myHogast" können sie beispielsweise Preisvergleiche machen, um die eigenen Kosten besser einschätzen zu können. Aktuell ist es besonders wichtig, schnell zu sehen, wie mein Betrieb aufgestellt ist, wo stehe ich mit meiner Produktpalette, etc. Meiner Meinung nach sind das echte Schlüsselfragen, die für den Erfolg ausschlaggebend sind.

LEADERSNET: Gibt es noch weitere spezielle Vorteile, welche die Genossenschaft ihren Mitgliedern in schwierigen Zeiten wie diesen bieten kann?

Frommer: Ein großes Plus ist der Informationsaustausch. Als Einzelbetrieb muss ich mich mit meinen Lieferanten - etwas zynisch ausgedrückt - alleine herumschlagen. Bei uns findet hingegen dieser Austausch statt. Wir bekommen auch sehr viel Feedback zurück. Weiters haben wir Expert:innen, die sich mit dem Energiebereich beschäftigen. Wir können für unsere Mitglieder zwar keine Gaspipelines bauen, aber natürlich versuchen wir, mit unseren Energiekonzernen zu sprechen und dann auch ein Bild zu zeichnen. Das ist zwar nicht leicht, aber wir tun unser Bestes.

LEADERSNET: Ein weiteres Problem, das die heimische Wirtschaft aktuell beschäftigt, ist der Fachkräftemangel. Wie sieht es diesbezüglich bei der Hogast aus? Sie bieten ja auch Beratung und Services für Investitionen, Personal, Versicherung sowie Vermarktung an. Finden Sie genügend Mitarbeiter:innen, um diese Dienstleistungen in entsprechender Qualität zu bewerkstelligen oder wie gehen Sie dabei vor Ort um?

Frommer: Uns geht es gleich wie allen anderen Unternehmen. Damit ist jetzt nicht nur die Hogast gemeint, das sehe ich in Gesprächen mit Geschäftsführer:innen aus allen Branchen. Fluktuation ist für uns alle ein großes Thema. Was unseren internen Betrieb betrifft, versuchen wir das Thema Mitarbeiter-Wertschätzung noch stärker zu unterstreichen. Ich bin der Meinung, dass die meisten Menschen nicht für Geld arbeiten, sondern für den Arbeitsplatz, der sie umgibt. Deshalb ist es ganz wichtig, einen gewissen familiären Charakter reinzubringen und die Mitarbeiter:innen wissen, dass sie wertgeschätzt werden und sich wohlfühlen. Für unsere Mitglieder versuchen wir über unsere Seiten und Portale mehr Reichweite zu generieren und Kooperationen zu schließen, um ihnen die Personalsuche zu erleichtern. Aktuell ist die Situation so prekär, dass man versucht, überhaupt jemanden zu finden, der arbeiten will. Da sprechen wir gar nicht mehr nur über Fachkräfte.

LEADERSNET: Die Hogast ist ein großes Unternehmen. Können Sie den Mitgliedern dennoch ein gewisses Maß an Individualität sowie Mitspracherecht bieten und auch auf unterschiedliche regionale Bedürfnisse eingehen?

Frommer: Eindeutig. So haben wir in unseren Statuten festgelegt, dass der Aufsichtsrat von Mitgliedern besetzt ist. Hinzu kommen verschiedene Beiräte in jedem Bundesland, die als Schnittstelle zwischen der Hogast und den Mitgliedsbetrieben fungieren. Dann haben wir auch eine rund 20-köpfige Außendienstmannschaft, die direkt zu den Mitgliedern fahren und mit diesen in direktem Kontakt stehen. Das ist für mich genau dieser eingangs erwähnte Community Gedanke. Diesen werden wir noch stärker forcieren. Aber das dauert natürlich seine Zeit. Gleiches gilt für die Tools. Denn es verändern sich auch die Generationen. Deshalb wird es auch hier zu einer Digitalisierung kommen müssen, mit einer Art Community Plattform. Da haben wir aktuell viele Ideen, wie wir diese laufende Kommunikation mit den Mitgliedern weiter verbessern können. Meinen Vorstandskollegen und mir ist es ebenfalls ein großes Anliegen, dass wir regelmäßig bei den Mitgliedsbetrieben vorbei kommen. Je mehr man sich den Menschen verbunden fühlt und glaubt, das Richtige für sie zu tun, umso schöner ist es.

LEADERSNET: Spielen bei dieser individuellen und regionalen Betreuung auch die Tochterunternehmen, die Sie mittlerweile gegründet haben, eine Rolle?

Frommer: Gegründet worden sind sie, weil die Hogast gesehen hat, dass es einen Bedarf gibt. Die Firma Handover bewegt sich im Pflegebereich - vom Seniorenheim bis zu Krankenhäusern. Auch für solche Bereiche macht es Sinn, die Einkäufe zu bündeln und ein passendes Service anzubieten. Es ist zwar ein anderer Markt, dennoch gibt es viele Parallelen. Das ist sehr zukunftsträchtig und hat zudem einen schönen intrinsischen Gedanken, weil man gleichzeitig was Gutes damit tut. Deutschland ist naheliegend. Hier wenden wir unser österreichisches Modell nahezu eins zu eins an. Das läuft sehr gut und wir glauben, dass der deutsche Markt noch mehr Potenzial hat. Momentan sind wir sehr im bayerischen und baden-württembergischen Raum vertreten, wollen uns aber in ganz Deutschland etablieren. Die HGP ist wiederum unsere Tochter für die kleineren Betriebe, die für uns ebenfalls ganz wichtig sind. Wir konzentrieren uns nicht nur auf die ganz großen Betriebe. Die kleineren Betriebe profitieren besonders von unseren Dienstleistungen, weil sie noch weniger Zeit haben, sich mit der gestiegenen Komplexität herumzuschlagen. Wir betreuen jedes Mitglied gleich - egal ob groß oder klein.

LEADERSNET: Die letzte Frage ist allgemeiner gehalten. Aktuell ist es aufgrund der angespannten weltpolitischen Lage extrem schwierig, in die Zukunft zu blicken. Aber wie schätzen Sie die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung in Österreich ein und wo sehen Sie die Hogast in drei bis fünf Jahren?

Frommer: Weltpolitisch müssen wir alle schauen, was sich jetzt tatsächlich im Russland-Ukrainekonflikt tut. Ich bin kein Fan von Hysterie und glaube, man kann sich nur auf seine eigenen Stärken konzentrieren. Wir tun unser Bestes, um das Geschäft, das wir machen, bestmöglich zu machen. Intern ist mir wichtig, dass wir unseren Mitarbeiter:innen auch die Sicherheit geben, dass sie wissen, ihre Arbeitsplätze sind nicht in Gefahr. Das bringt auch eine gewisse Ruhe in den Betrieb. Wirtschaftlich wird es stark von den Förderungen des Bundes abhängen. Gerade im Energiesektor wird das vor allem heuer eine Schlüsselfrage werden. Ohne den Krieg würde die Wirtschaft deutlich anziehen. Unsere Betriebe würden ein super Geschäft machen. Der Mitarbeitermangel und der Krieg bremsen den Aufschwung jedoch etwas. Für die Hogast ist in naher Zukunft die Modernisierung und Digitalisierung besonders wichtig. Auch das organische Geschäft werden wir in jedem Fall ausbauen. So werden vor allem der Non Food-Bereich und das Projektgeschäft weiter wachsen. Und dann haben wir unsere drei Tochterfirmen, die nach wie vor auf Expansionskurs sind. Dabei werden wir sie tatkräftig unterstützen. Also für mich ist klar, die Hogast ist auf einem erfolgreichen Weg.

www.hogast.at

Über die Hogast

Die Hogast wurde 1976 gegründet und ist mit mehr als 3.200 Mitgliedsbetrieben und einem Umsatz von 415 Millionen Euro (Gruppenumsatz: 730 Millionen Euro) laut eigenen Angaben das größte Unternehmen für Hotellerie und Gastronomie in Österreich. Den süddeutschen Raum betreut das Tochterunternehmen mit Sitz in München. Teil der Hogast-Gruppe sind auch die "Hotel Gastro Pool" speziell für kleinere Hotel- und Gastronomie-Betriebe sowie die "Handover" für Einrichtungen aus dem Sozialbereich.

Für die Mitgliedsbetriebe wird das Einkaufsvolumen in allen wichtigen Bereichen – von F&B über Verbrauchsgüter und Investitionsgüter bis hin zu Energie und Versicherungen - gebündelt.

Zentrales Element der Dienstleistungen ist die lieferantenübergreifende Online-Bestellplattform myHogast. Darüber hinaus bietet die Gruppe Beratung und Services zu einzelnen Produkten und Themen wie Investitionen, Energieeffizienz, Personal und Digitalisierung.

Bericht ebenfalls von heute und der untermauert meine Theorie:
"Nur 28 Prozent der Angestellten sind mit der täglichen Arbeit zufrieden – allerdings nehmen ganze 80 Prozent der Arbeitgeber:innen das an"
Das viele Menschen nicht für Geld arbeiten sehe ich als frommen Wunsch!

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Über die Hogast

Die Hogast wurde 1976 gegründet und ist mit mehr als 3.200 Mitgliedsbetrieben und einem Umsatz von 415 Millionen Euro (Gruppenumsatz: 730 Millionen Euro) laut eigenen Angaben das größte Unternehmen für Hotellerie und Gastronomie in Österreich. Den süddeutschen Raum betreut das Tochterunternehmen mit Sitz in München. Teil der Hogast-Gruppe sind auch die "Hotel Gastro Pool" speziell für kleinere Hotel- und Gastronomie-Betriebe sowie die "Handover" für Einrichtungen aus dem Sozialbereich.

Für die Mitgliedsbetriebe wird das Einkaufsvolumen in allen wichtigen Bereichen – von F&B über Verbrauchsgüter und Investitionsgüter bis hin zu Energie und Versicherungen - gebündelt.

Zentrales Element der Dienstleistungen ist die lieferantenübergreifende Online-Bestellplattform myHogast. Darüber hinaus bietet die Gruppe Beratung und Services zu einzelnen Produkten und Themen wie Investitionen, Energieeffizienz, Personal und Digitalisierung.

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