Private Equity & Venture Capital: "Investoren, die jetzt einsteigen, finden ein günstiges Marktumfeld vor"

| Redaktion 
| 28.08.2022

Martha Oberndorfer – internationale Kapitalmarktexpertin sowie ehemalige Staatsschulden- und Beteiligungsmanagerin – ist neue Associate Partnerin bei Venionaire Capital, ein auf Private Equity und Venture Capital spezialisiertes Wiener Beteiligungs- und Beratungsunternehmen. LEADERSNET hat sie zum Interview gebeten.

Im LEADERSNET-Interview spricht Martha Oberndorfer darüber, warum immer mehr institutionelle Anleger auf Private Equity setzen, wie Risikokapital die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreichs steigert, warum Diversität den Unternehmenserfolg erhöht und wie sich Frauen im "Boys Club" der Finanzbranche gekonnt etablieren können.

LEADERSNET: Sehr geehrte Frau Oberndorfer, Sie verstärken seit rund drei Monaten als neue Associate Partnerin das Team von Venionaire Capital in Wien. Wie waren die ersten Monate für Sie?

Oberndorfer: Großartig. Ich bin vom Venionaire-Team und den spannenden Projekten begeistert. Es wird hart gearbeitet und auch viel gelacht. Besonders gefällt mir die Vielfalt an Tätigkeiten: Einerseits das Orchestrieren traditioneller Finanzierungen, andererseits das ganze Spektrum Risikokapital – vom Start-up über das Einhorn bis hin zum Börsen-Listing. Es macht Spaß, coole Gründer:innen zu begleiten und wirklich sinnvolle Innovationen voranzutreiben.

LEADERSNET: Wie sieht Ihre neue Tätigkeit bei Venionaire Capital genau aus?

Oberndorfer: Meine Aufgabe ist es, die Brücke zwischen institutionellen Anlegern sowie Corporates und dem Angebot von Venionaire Capital – also den Beratungsdienstleistungen und Investitionsmöglichkeiten – zu schlagen. Dazu ist meine jahrzehntelange Verankerung im Geschäft mit institutionellen Anlegern als auch mit Corporates von großem Vorteil. Ich kenne ihre Bedürfnisse sehr gut. Zudem tragen wir damit zwei aktuellen Trends am internationalen Kapitalmarkt Rechnung: Einerseits wird Private Equity als Asset-Klasse auch bei institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Pensionskassen hierzulande bedeutender, andererseits arbeiten auch börsennotierte Gesellschaften mit externen Venture-Capital-Partnern zusammen, weil es die Innovationskraft stärkt.

LEADERSNET: Sind Private Equity Beteiligungen für Versicherungen und Pensionskassen tatsächlich so interessant?

Oberndorfer: Absolut, ja. Institutionelle Anleger setzen insbesondere aufgrund des aktuellen Inflations- und Zinsanstieges vermehrt auf nicht-börsengelistete Beteiligungen. Die aktuelle Marktsituation unterstreicht den Bedarf nach Private Equity, weil diese Asset-Klasse aus Gesamtportfolio-Sicht mehr Diversifikation und weniger Volatilität bedeutet. Investoren, die jetzt einsteigen, finden ein günstiges Marktumfeld vor: Die Unternehmensbewertungen sind vernünftiger geworden und es gibt viele Chancen – auch durch die Megatrends wie Digitalisierung oder den Green Deal der EU sowie Fusionen, Übernahmen und Nachfolgethemen. Als gelernte Finanzanalystin gefällt es mir, dass man nun wieder genauer hinschaut. Nachdem Risikokapital typischerweise in mehreren Tranchen abgerufen wird, finden es Langfristinvestoren vorteilhaft, gerade in schwierigen Marktzeiten einzusteigen und die Erholungsphase mitzumachen.

LEADERSNET: Stichwort Green Deal – welche Rolle spielen die Themen Nachhaltigkeit und ESG für Start-ups?

Oberndorfer: Eine größere als viele denken. ESG gilt als Treiber für die Steigerung des Unternehmenswerts und spielt für Investor:innen bei der Wahl einer Anlage eine zentrale Rolle. Hier setze ich mich dafür ein, die richtige Balance für Jungunternehmen zu finden, sodass dem Thema gebührend Rechnung getragen werden kann, ohne dass überbordende Kapazitäten dafür eingesetzt werden müssen.

LEADERSNET: Sie waren viele Jahre für die öffentliche Hand tätig. Warum verschlägt es Sie nun zu einem privaten Investment- & Beratungsunternehmen?

Oberndorfer: Ich war länger bei Privatbanken und Asset Managern tätig als für staatliche Stellen. Allerdings habe ich auch aus der Privatwirtschaft Transaktionen für die öffentliche Hand arrangiert oder Portfolios gestioniert. Damit stand ich jedoch deutlich weniger im Rampenlicht als während der Leitung des Treasurys der Republik oder als Chefin der staatlichen Beteiligungsgesellschaft. Schließlich ist es egal, ob man für private oder öffentliche Dienstgeber tätig ist: Bei der Tätigkeit am Kapitalmarkt zählt einzig die Performance.

LEADERSNET: Investmentunternehmen gibt es viele. Warum ist Ihre Wahl auf Venionaire Capital gefallen?

Oberndorfer: Ich sehe Venionaire Capital als Spezialboutique, die eine treibende Kraft im heimischen Innovations- und Start-up-Ökosystem ist und gleichzeitig auch traditionelle Finanzierungen und Finanzthemen begleitet. Natürlich habe ich auch den exzellenten Track Record des bereits zehnjährigen Unternehmens registriert, das ein außerordentlich gutes Gespür für das Marktpotenzial von Start-ups hat – für Tops oder Flops. Bei Venionaire Capital geht es wirklich um Investitionen mit Sinn und Zukunftspotential. Außerdem verbindet mich mit dem CEO und Gründer, Berthold Baurek-Karlic, eine sehr produktive gemeinsame berufliche Zeit, die mehr als 15 Jahre zurückliegt. Was mir besonders gut gefällt, ist sein Antrieb: Er möchte Hidden Champions vor den Vorhang holen – und sucht regelrecht nach dem Herz dieser Champions – dem Feuer, was ihr Unternehmen ausmacht und antreibt. Dabei erkennt er eine "Gründer-DNA" sofort.

LEADERSNET: Was macht Venionaire Capital?

Oberndorfer: Venionaire Capital ist ein unabhängiges auf Private Equity und Venture Capital spezialisiertes Beteiligungs- & Beratungsunternehmen mit Hauptsitz in Wien. Im Investmentfokus des 2012 gegründeten Unternehmens stehen vor allem innovationsstarke nationale und internationale Start-ups aus den Bereichen HighTech, MedTech, GreenTech und Digitalisierung. Gemeinsam mit einem Netzwerk von rund 200 internationalen Expert:innen beraten wir Konzerne, mittelständische Unternehmen, Family Offices und den Öffentlichen Sektor bei komplexen Finanzierungs- und Veranlagungsfragen. Venionaire Capital investiert selbst regelmäßig über den European Super Angels Club, dem größten paneuropäischen Investor:innennetzwerk. Bisher hat Venionaire Capital Investments von rund einer Milliarde Euro begleitet. Das macht uns bereits seit einem Jahrzehnt zu einer treibenden Kraft im österreichischen Innovations- und Start-up-Ökosystem.

LEADERSNET: Welche Bedeutung haben Private Equity & Venture Capital für die österreichische Wirtschaft? Warum braucht es diese Finanzierungsformen? Wo liegen die Herausforderungen in Österreich?

Oberndorfer: Für die Attraktivität Österreichs als Wirtschaftsstandort wäre es wichtig, das ganze Spektrum des Kapitalmarktes in einer ausreichenden Breite und Tiefe zur Verfügung zu haben – von der Start-up-Finanzierung bis hin zum liquiden außerbörslichen und börslichen Handel. Wenn die Voraussetzungen für Risikokapital im Inland als nicht ausreichend gut empfunden werden, wandern Know-how und Kapital ins Ausland ab. Damit entfallen auch potenzielle Arbeitsplätze und Beiträge zum BIP – die Kennzahlen und Statistiken, nach denen Österreich international beurteilt wird, reflektieren das. Österreich als kleines Land hat auch kleinere Strukturen sowie viele Klein- und Mittelbetriebe, die nicht an die Börse können oder wollen, und dennoch Kapital abseits von Bankenfinanzierungen benötigen.

Dieses sollte so leicht wie möglich zugänglich gemacht werden, weil Eigenkapital der wichtigste Beschleuniger für Innovation, Wachstum und qualifizierte Arbeitsplätze ist. Hier denke ich an die Regulatorien für Investmentfonds, Pensionskassen und Versicherungen. Für Pensionskassen hat sich das Umfeld deutlich verbessert. Andererseits sind Fondslösungen nach Luxemburger Recht für österreichische Projekte noch immer stark nachgefragt, weil sie als besser geeignet empfunden werden. Auch die Unterlegungspflichten für Versicherungen sind eine Hürde für Private Equity, die nicht nur hierzulande, sondern auf EU-Ebene besteht. Gerade langfristig orientierte Anleger:innen sind perfekte Investor:innen für Private Equity und Venture Capital.

LEADERSNET: Welche aktuellen Entwicklungen zeichnen sich am heimischen Markt für Private Equity & Venture Capital ab?

Oberndorfer: Grundsätzlich sehe ich einen allgemeinen weltweiten Trend: die steigende Attraktivität von nicht-börsengelisteten Anlageformen. Gründe dafür sind bessere Renditen, mehr Diversifikation und weniger Volatilität in den Portfolios. Private Equity ist längst nicht mehr so exotisch wie Mitte der 90er Jahre – aktuell liegt der Anteil sogar bei institutionellen Anlegern wie Versicherungen und Pensionskassen laut EIOPA europaweit bei rund 10 Prozent. Die Höhergewichtung der Asset-Klasse "Private Markets" macht sich natürlich auch am heimischen Markt bemerkbar. Allerdings werden Direktbeteiligungen vor allem von vermögenden Privatpersonen und Stiftungen gehalten. Institutionelle Anleger investieren bislang vorwiegend international und über Fonds, weil sie bestimmte Mindestinvestitionssummen benötigen. Hier besteht Potenzial, Angebot und Nachfrage noch besser aufeinander abzustimmen – und gebündelte Alternativen zu finden, Start-ups stärker mit institutionellen Anlegern zu vernetzen und mehr Regionalität zu ermöglichen.

Daraus ergäbe sich auch eine Win-Win-Situation: Die erfolgreichen Start-ups hierzulande würden nicht von ausländischen Unternehmen aufgekauft werden, und die lokalen institutionellen Anleger haben vielfältigere Investitionsmöglichkeiten. Das finde ich volkswirtschaftlich wichtig, es geht auch um das BIP und die Zahlungsbilanz. Und das ist etwas, was uns alle betrifft – einschließlich der nächsten Generationen. Natürlich sind auch die aktuellen internationalen Entwicklungen hierzulande spürbar: Ukraine-Krieg, Inflation, Energiepreise, Lieferkettenschwierigkeiten sowie der Trend zu weniger Globalisierung und zu mehr Regionalität. Das bedeutet mehr Unsicherheit in allen Marktsegmenten. Es wird wieder genauer hingesehen und die Entscheidungen nehmen mehr Zeit in Anspruch. Gerade in schwierigen Marktzeiten wurden wichtige Erfolgsbausteine für namhafte Unternehmen gelegt: Amazon und Google vor dem Kollaps 2001 sowie Twitter, Uber und Airbnb vor der Krise 2008. Üblicherweise folgen auf Krisen wahre Gründungswellen, da viele frei gesetzte Talente aus ihrer ursprünglichen Komfortzone gerissen werden und sich als Unternehmer:innen entfalten.

LEADERSNET: Die Finanzwelt ist in der Regel sehr männerdominiert. Wie schwierig ist es, sich als Frau in dieser Branche zu etablieren?

Oberndorfer: Ich bestärke Frauen, in Bereichen tätig zu werden, wo Leistung zählt und leicht zu erkennen ist. Das sind meist nicht die Bereiche wie Personalwesen oder Marketing, sondern es ist das Kerngeschäft, wo die entscheidenden Ergebnisbeiträge entstehen. Asset Management ist prinzipiell ein guter Bereich für Frauen, weil die Performance leicht messbar ist. Die Zahlen sprechen für sich – und weniger das Eigenmarketing.

LEADERSNET: Noch gibt es in der Finanzwelt kaum Frauen in Führungspositionen. Woran liegt das Ihrer Ansicht nach? Und welche Möglichkeiten gibt es, mehr Frauen in den "Boys Club" zu bringen?

Oberndorfer: Der Frauenanteil in der Führungsriege der österreichischen Finanzbranche (Banken, Versicherungen, Kapitalanlagegesellschaften) beträgt unter zehn Prozent, weltweit unter 20 Prozent. Das zeigt, dass viel Potenzial nicht genützt wird. Dabei ist Diversität äußerst wichtig und auch Erfolg bringend. Es gibt ausreichend empirische Evidenz dafür, dass eine hohe Diversität zu besseren Entscheidungen führt, die Unternehmenskennzahlen verbessert, den Unternehmenswert steigert und mehr Resilienz zufolge hat. Das sind Vorteile, die gerade für Banken und Asset Manager wichtig sind. Die ehemalige IWF-Chefin Christin Lagarde meinte, dass die Finanzkrise anders verlaufen wäre, wenn statt den Lehman Brothers die Lehman Sisters am Werk gewesen wären. Der Fokus auf eine wertsteigernde Unternehmensführung sollte jeden Aufsichtsrat und jeden Eigentümer interessieren. Steuerungsmöglichkeiten bestehen beispielsweise über die Vorgaben von spürbaren bonusrelevanten Umsetzungsschritten und über das Verlangen ausgewogener "Long Lists" bei Vorstandsbesetzungen und anderen wichtigen Vorhaben. Möglicherweise wird auch hierzulande der Druck von internationalen Investor:innen, Analyst:innen und Ratingagenturen spürbar werden: Namhafte Investor:innen weltweit sehen sich – noch bevor sie die Finanzkennzahlen analysieren – die Zusammensetzung der Boards und der wichtigen Unternehmensgremien an, wenn sie Anlageentscheidungen treffen oder Mandate an Vermögensverwalter vergeben. Wenn diese Gremien keine oder zu wenig Diversität aufweisen, werden mitunter keine weiteren Schritte gesetzt, weil das längerfristige Potenzial – auch bei aktuell guten Kennzahlen – weniger gut eingeschätzt wird.

LEADERSNET: Welche Karrieretipps können Sie Frauen in der Finanzbranche mit auf den Weg geben?

Oberndorfer: Aus meiner persönlichen Erfahrung heraus kann ich Frauen vor allem folgende Tipps geben:

  • eine internationale Top-Ausbildung und laufend Weiterbildungen absolvieren
  • in einem Bereich des Kerngeschäfts tätig werden, wo die Leistung sichtbar ist
  • eine dicke Haut zulegen und nicht alle Kommentare ernstnehmen
  • einen Dienstgeber suchen, wo es bereits Frauen im Vorstand gibt
  • gute Mentoren und Mentorinnen suchen
  • wenn sich in der Finanzbranche zu wenig bewegt, in den Finanzbereich einer Organisation außerhalb des Finanzsektors wechseln

www.venionaire.com

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