Corona beschäftigt nach wie vor die Wirtschaft. Eine Änderung dürfte es sobald nicht geben. Kurt Egger verrät LEADERSNET-Redakteur Christoph Aufreiter seine Einschätzung, wie sich die Pandemie noch auf die Unternehmen auswirken wird und wieso er für die Zulassung des russischen Impfstoffes Sputnik plädiert.
LEADERSNET: Nach wie vor beschäftigt Corona die Wirtschaft. Die Bundesregierung hat am 16. Februar neue Lockerungen beschlossen. Wie zufrieden sind Sie damit?
Egger: Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Wir selbst haben Öffnungsschritte gefordert und ich bin überzeugt, dass sich diese neuen Lockerungen positiv niederschlagen werden. Die Unternehmer:innen können endlich wieder das tun, was sie gerne tun, nämlich zu wirtschaften, Gäste zu empfangen und dementsprechend auch ihren Service anzubieten. Und daher bin ich sehr zufrieden, dass das so verlaufen ist.
LEADERSNET: Es geistert der Begriff der sogenannten "Zombie Unternehmen" durch die Wirtschaftsbranche. Wie realistisch sehen Sie die Gefahr, dass es viele Unternehmen gibt, die jetzt noch durch staatliche Förderungen weiter existieren, aber eigentlich schon den geordneten Weg in den Konkurs planen? Kommt eine Konkurswelle auf uns zu?
Egger: Wir sind durch die großzügige Unterstützungsleistungen der Bundesregierung sehr gut durch die Krise gekommen. Es hat wahrscheinlich nicht immer alles haargenau gepasst, aber im Großen und Ganzen sind die Unternehmer, die Hilfe notwendig hatten, sehr gut von der Bundesregierung begleitet worden. Wir haben auch anhand der Insolvenzzahlen der letzten zwei Jahre gesehen, dass das, was vorhergesagt wurde, nicht eingetreten ist. Und die Prognosen gehen auch nicht von einem großen Schreckensszenario aus. Man muss einfach schauen, wie sich die Dinge entwickeln. Es wird wahrscheinlich Unternehmen geben, die am Markt keinen Platz mehr haben, aber das ist ein natürlicher Vorgang im Wirtschaftsleben. Ich gehe davon aus, dass mit Beratung und Unterstützung auch dementsprechend viele gehalten werden können.
LEADERSNET: Sie haben unlängst die Zulassung des russischen Impfstoffs Sputnik gefordert, um dem Fachkräftemangel entgegen zu wirken. Vielleicht können Sie uns kurz erklären, was es damit konkret auf sich hat?
Egger: Da geht es nicht nur Fach-, sondern ganz grundsätzlich um Arbeitskräfte. Wir sind an den Außengrenzen unter anderem mit Ungarn, Slowenien und der Slowakei verbunden. Dort gibt es viele Tages-Pendler, die zum Arbeiten über die Grenze kommen. Von denen sind viele mit Sputnik geimpft. Wenn diese Personen sich bei jeder Einreise testen lassen müssen, dann ist das eine nicht notwendige Hürde. Der Impfstoff wirkt. Daher haben wir auch gefordert, dass Sputnik zugelassen wird.
LEADERSNET: Ein anderes großes Thema ist der Fachkräftemangel. Was genau sollte unternommen werden, um diesen zu bekämpfen?
Egger: Wir sprechen nicht nur von einem Fachkräfte-, sondern von einem Arbeitskräftemangel im Ganzen. Ich bin oft in Betrieben unterwegs, um mir ein Bild zu machen, wie die Lage vor Ort ist. Das erste Thema auf das ich dort angesprochen werde, ist, wo man die notwendigen Arbeitskräfte findet. Wir haben in Österreich aktuell 400.000 Arbeitssuchende. Dem stehen 250.000 offene Stellen gegenüber. Jetzt ist es oft so, dass die Qualifikationen nicht zu den entsprechenden offenen Stellen passen. Daher muss man sich einige Dinge überlegen.
Jene Arbeitssuchende, bei denen es möglich ist, müssen Zusatzqualifikationen erhalten. Das eine oder andere muss auch in der Anreizbildung passieren. Es muss attraktiv werden, arbeiten zu gehen. Das wird es nur dann, wenn der Unterschied zwischen einem Arbeitsloseneinkommen und einem Einkommen aus Arbeit eine gewisse Differenz erreicht, sodass es einen Anreiz gibt, arbeiten zu gehen. Des Weiteren gibt es neben dem Arbeitslosengeld die Möglichkeit, sich etwas geringfügig dazuzuverdienen. Die Höhe dieser Summe sollte begrenzt werden, um auch hier die Attraktivität, arbeiten zu gehen gesteigert wird. Außerdem müssen wir durch eine verbesserte Kinderbetreuung versuchen, die Teilzeitquote zu erhöhen und uns überlegen, ob es möglich ist, bei älteren Arbeitnehmer:innen Anreize zu schaffen, noch nicht sofort in Pension zu gehen.
LEADERSNET: Man hat oft das Gefühl, dass die Lehre an Wert verliert. Was wären da Maßnahmen, um diese Ausbildung wieder attraktiver zu machen? Reicht das Modell der "Lehre mit Matura", oder sollte man da andere Maßnahmen setzen?
Egger: Ich gebe Ihnen Recht, die Lehre hat nicht immer den Stellenwert, den sie verdient. Wir haben aber gerade bei den letztjährigen Lehrlingszahlen gesehen, dass der Trend wieder nach oben geht. 35 bis 40 Prozent eines Jahrganges wählen als Ausbildung die Lehre. Diese Zahl hat heuer erstmals seit langem wieder die 40 Prozent Marke überschritten. Die große Herausforderung, die wir in dem Zusammenhang haben, ist, dass die Grundgesamtheit der Jugendlichen eines Jahrgangs nicht mehr so groß ist, wie das vor zehn oder 15 Jahren der Fall war. Damit gibt es automatisch weniger, die eine Lehre beginnen.
© Julius Hirtzberger
Man muss an mehreren Schrauben drehen. Man kann auf der einen Seite Image mäßig etwas tun, indem man zum Beispiel die Euroskills in Österreich stattfinden lässt und sie bewirbt. Man hat mit den jungen Fachkräften gesehen, welches Potenzial hier vorhanden ist. Und auf der anderen Seite muss man natürlich auch dafür Sorge tragen, dass man den Jugendlichen die Lehre nicht als Einbahnstraße verkauft. Es herrscht noch oft der Glaube vor, dass man in dem Bereich, in dem man eine Lehre absolviert, auf "ewig gefangen" ist. Das ist absolut nicht mehr der Fall. Man hat mittlerweile unterschiedlichste Möglichkeiten sich weiterzubilden. Mit dem Lehrabschluss und der Studienberechtigungsprüfung kann man etwa studieren gehen.
In Zukunft sollte das sogar noch einfacher gestaltet werden. Ich denke, die Lehre mit Matura ist ein Puzzlestein dieses ganzen Programms, bei dem es vor allem darum geht, auch den Eltern zu signalisieren, dass eine Lehre attraktiv ist. Es wird Zeit, der Lehre den Wert beizumessen, den sie auch verdient hat. Wenn man sich überlegt, wie viele Fachkräfte gesucht werden, dann ist das in der Zukunft sicher ein großer Stellenwert.
LEADERSNET: Man spricht oft von einem sogenannten "Akademisierungswahn" – also von der Vorstellung, dass jeder studieren gehen sollte. Es gibt jetzt Bachelor- und Masterabschlüsse. Das war auch dafür gedacht, junge Menschen vielleicht schon nach drei Jahren Studium in die Arbeitswelt zu entlassen. Das hat sich aber noch nicht wirklich durchgesetzt, meistens studiert man bis zum Masterabschluss weiter. Nimmt man durch diesen Drang zur Akademisierung in jedem Berufszweig, nicht relativ viele junge Menschen unnötig lange vom Arbeitsmarkt weg?
Egger: Ich glaube, man sollte den jungen Menschen die Möglichkeit bieten, die Ausbildung zu machen, die sie sich vorstellen. Ich bin ein großer Freund davon, dass man bei der Arbeit Spaß haben sollte. Und Spaß hat man dann, wenn man etwas gerne macht. Es ist nicht immer einfach, die richtige Berufswahl zu treffen, weil man oft erst währenddessen erkennt, ob einem etwas liegt. Grundsätzlich sollte man natürlich möglichst zügig versuchen, in den Arbeitsprozess zu kommen, aber sich etwas auszuprobieren halte ich nicht für verkehrt.
LEADERSNET: Es wird aktuell darüber diskutiert, die Kapitalertragssteuer auf Wertpapiere gänzlich abzuschaffen. Wie sieht es der Wirtschaftsbund und was wären die Vor- oder Nachteile?
Egger: Wir sehen den Vorschlag von Finanzminister Brunner grundsätzlich sehr, sehr positiv. Es geht darum, auch den Finanzmarkt zu stärken und den Menschen die Möglichkeit zu bieten, für die Zukunft, die Pension, vorzusorgen. Das gute alte Sparbuch, wie wir es gekannt haben, hat aufgrund der jetzigen Situation ausgedient. Daher ist das eine zusätzliche Möglichkeit, Vorsorge zu treffen.
LEADERSNET: Österreich hatte im vergangenen Jahr ein Wirtschaftswachstum von vier Prozent – ein relativ hoher Wert für eine entwickelte Industrienation. Woran liegt das?
Egger: Also das überdurchschnittlich hohe Wachstum resultiert natürlich aus dem niedrigen Niveau, von dem man nach 2020 weggestartet ist. Was wir schon merken ist aber, dass die Wirtschaft gerade brummt. man darf ja nicht vergessen, dass 60 bis 65 Prozent der Unternehmer:innen durch die Corona Krise gar nicht betroffen waren. In der Industrie etwa, hier ist die Auftragslage auch dementsprechend gut. Ich blicke auch sehr positiv in die Zukunft. Wenn noch die ergänzenden Branchen wie Handel und die Gastronomie wieder ohne Beschränkungen arbeiten können, dann wird das natürlich auch die Stimmung im Land heben. Dieser positive Trend wird anhalten.
LEADERSNET: Dürfen wir uns auf die wirtschaftliche Zukunft freuen oder sollten wir diese mit Respekt erwarten?
Egger: Respekt ist grundsätzlich gut. Vorsicht ist auch für einen guten Kaufmann immer eine Tugend, die im unternehmerischen Leben eine Rolle spielt. Ich bin grundsätzlich positiv gestimmt, aber man muss sich natürlich die Entwicklungen anschauen. Wir haben große Herausforderungen, wie schon besprochen, große Herausforderungen bei den Arbeitskräften. Die steigenden Energiekosten treiben den Unternehmer:innen natürlich den Schweiß auf die Stirn. Auch die Lieferketten funktionieren noch immer nicht so gut, wie wir das haben wollen. Das muss man schon noch im Auge haben, weil das ein Hemmschuh für die Entwicklung sein könnte. (ca)
www.wirtschaftsbund.at
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