"Die Branche will feiern und hat auch das Geld dazu"

Thomas Kenyeri, CEO von Kesch, erklärt im Interview, warum es nicht reicht, Live-Events online zu übertragen, welche Fehler bei Hybrid-Events gemacht werden, warum "Geselligkeit, Musik und Entertainment bald explodieren" und wie Nachhaltigkeit der Sicherheit den Rang abläuft. 

Im Event-Trendreport zeigt die Wiener Event- und Promotionsagentur Kesch jährlich Entwicklungen in der Veranstaltungsbranche auf. LEADERSNET hat mit Kesch-Chef Thomas Kenyeri über die aktuellen Themen der Branche gesprochen.

LEADERSNET: Die Regierung hat kürzlich verkündet, dass ab 5. März 3G in sämtlichen Bereichen fallen soll, darunter auch Veranstaltungen. Was bedeutet das nun für die Veranstaltungsbranche?

Kenyeri: Für die ganze Veranstaltungsbranche ist das der Tag, auf den wir alle gewartet haben. Was es genau bedeuten wird, das kann man jetzt schwer sagen. Wir merken einfach nur, die Branche will feiern und die Branche hat auch das Geld zu feiern, weil in den letzten Monaten haben sehr viele auch sehr viel Geld verdient. Es wurde sehr viel verschoben. Das große Thema jetzt ist, dass alle, die etwas geplant und dann verschoben haben, im Frühjahr sofort feiern wollen. In Wien und in umliegenden Bundesländern sind gewisse Termine bereits komplett voll und die Locations sind ausgebucht, weil die Menschen an den gleichen Tagen feiern wollen. Wir merken extrem, dass das jetzt schon Vollgas losgeht.

LEADERSNET: Was wird 2022 bei der Durchführung von Events trotz der nun angekündigten Lockerungen wichtig zu beachten sein?

Kenyeri: Ich glaube, die Details weiß man noch nicht. Bei uns in der Branche hat sich das in den letzten Monaten oft wöchentlich verändert. Und wir haben bereits gehört, dass bis zum 5. März hin die Lockerungen geprüft werden. Ob dann wirklich alles genau so ist, wie es jetzt in den Medien veröffentlicht wurde, das traue ich mich nicht zu unterschreiben. Wir wissen auch, dass wir wieder die ersten sind, die abgedreht werden, falls es Probleme gibt.

Fakt ist, dass die Eventbranche sehr gut vorbereitet ist. Das hat man auch schon in der Vergangenheit gesehen. Bei  Veranstaltungen haben sich wenig Menschen infiziert, was sicher daran liegt, dass sich diese Branche sehr gut weitergebildet und vorbereitet hat. Das Thema Sicherheit bleibt auch 2022 an oberster Stelle. Es wird de facto keinen Event ohne Corona-Beauftragte und Sicherheitspräventionskonzept geben. Durch die neuen Technologien wie Apps, QR-Code-Technologien oder RFID wird das natürlich unterstützt. Prozesse wie Eingangskontrollen werden dadurch einfacher und besser.

LEADERSNET: Das Jahr 2022 scheint also vorerst Erleichterungen für Live-Events zu bringen. Könnten Veranstaltungen in der virtuellen Welt dadurch wieder an Bedeutung verlieren?

Kenyeri: Veranstaltung ist nicht gleich Veranstaltung. Veranstaltungen, die einen sozialen Nutzen haben, bei denen es um Geselligkeit, Musik und Entertainment geht, die werden jetzt explodieren. Die Menschen wollen einfach dorthin gehen. Diese Art der Veranstaltung hat man auch nie wirklich geschafft, zu digitalisieren, weil das auch sehr schwierig ist. Ich sage nicht, dass es nicht geht, aber es ist sehr schwierig und mit Kosten und Aufwand verbunden. Bei Eventbereichen, bei denen es vor allem um Wissenstransfer geht, wo sich kleine Gruppen treffen und man normalerweise hinfliegen hätte müssen, wird es digital bleiben. Da wird sich auch sehr viel tun, damit diese Meetings und diese Online-Events noch sehr viel besser werden.

Und ja natürlich, das große Thema nach der Sicherheit ist die Nachhaltigkeit. Ich glaube, den Menschen ist auch bewusst geworden, dass es sinnvoller ist, sich online für zwei, drei Stunden zu treffen als sich in einen Flieger zu setzen.

 LEADERSNET: Mit welchen Entwicklungen im virtuellen Bereich ist 2022 zu rechnen?

Kenyeri: Alles, was mit Digitalisierung und virtuellen Themen zu tun hat, wird sich immer weiterentwickeln. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass gewisse Entwicklungen auch in eine falsche Richtung gegangen sind. Ich nenne jetzt einmal das Beispiel Virtual Reality oder Augmented Reality.  Da hat man einfach gemerkt, dass sich das im Veranstaltungsbereich noch nicht so durchgesetzt hat, weil es die Technologien, die Bandbreiten und so weiter noch nicht gibt. 5G wird da natürlich ein großer Game Changer sein. Die Datenraten gehen in eine andere Richtung. Beim Thema 360-Grad- Projektionen wird sich sehr viel tun. Man wird nicht mehr nur statisch vor einem Bildschirm sitzen und eindimensional Menschen sehen, sondern ein Raumgefühl bekommen.  Sprich, mit der 360-Grad-Technologie sitze ich vereinfach gesagt auch im Raum.

LEADERSNET: Als einen weiteren Game Changer bezeichnen Sie im aktuellen Event-Trendreport hybride Events. Welche Vorteile bringen diese mit sich?

Kenyeri: Ich glaube, das Hybride wird ja oft auch ein bisschen falsch dargestellt. Hybrid heißt nicht, dass ich einen Live-Event online übertrage. Das denken viele, aber leider ist es nicht so. Ich muss eigentlich zwei Events denken, nämlich einen Live-Event und einen Online-Event. Der Vorteil ist, dass jeder Mensch, der dabei sein möchte und kann, sich aber nicht den Weg antun möchte, sich diesen auch nicht antun muss. Das ist der Riesenvorteil.

Das ist auch wieder nachhaltiges Denken: Für ein Treffen, bei dem ein CEO mit seinen 2.000 Mitarbeitern aus fünf Nationen sprechen möchte, muss niemand kreuz und quer durch die Welt fliegen, das kann man virtuell lösen. Das heißt aber nicht, dass ich mit den Menschen, die ohnehin in meinem Umfeld sind, nicht vor Ort reden kann. Diese Kombination, dass Menschen da sind und andere live dazugeschaltet werden, das ist meiner Meinung nach eigentlich der Game Changer. Per Knopfdruck kann man mit Menschen auf der ganzen Welt sprechen.

LEADERSNET: In der virtuellen Welt lassen sich auch Orts- und Zeitgrenzen überwinden. Mit Hilfe der Hologrammtechnik können Personen an verschiedenen Orten zeitgleich auftreten. Ist es denkbar, dass zum Beispiel bei Konzerten irgendwann nur mehr Hologramme auf der Bühne stehen werden?

Kenyeri: Nein, bekannte Persönlichkeiten oder Top-Speaker werden immer live auf einer Bühne stehen. Was sein kann, ist, dass Speaker, die irgendwo in Amerika sind und in Europa auf einer Konferenz für eine Stunde einen Vortrag halten sollen, nicht nach Europa fliegen, sondern in Amerika einfach in einen Green-Screen-Room gehen, dort live gestreamt werden und via Hologrammtechnologie in Europa auf die Bühne gestellt werden. Das ist auch wieder ein Ressourcenthema. Ich erspare mir Flüge und Zeit und habe trotzdem den gleichen Effekt, denn die Menschen sehen nicht, dass das jetzt ein Hologramm ist. Die Person steht auf der Bühne als wäre sie wirklich da.

Bei den Konzerten gab es ja bereits welche, die  mit Hologrammtechnologie gemacht wurden. Zum Beispiel Roy Orbison oder Michael Jackson, aber das sind alles Verstorbene. Solche Themen wird es immer wieder geben, aber dass lebende Künstler irgendwo als Hologrammtechnologie auftreten, das glaube ich eher nicht. Da glaube ich eher, dass das Thema Metaverse ein großes Thema sein wird. Künstler könnten in Zukunft einfach in einer virtuellen Welt spielen und auflegen werden.

LEADERSNET: Im Metaverse sehen Sie Chancen für die Eventbranche. Wieso?

Kenyeri: Sich mit dem Metaverse nicht zu beschäftigen, ist eigentlich fahrlässig. Das ist in etwa so, wie wenn wir vor 25 Jahren gesagt haben, wir beschäftigen uns nicht mit dem Internet. Es ist nicht so, dass das Metaverse irgendwann einmal kommen wird, es ist ja schon da. Unsere Kinder wachsen in einem Metaverse auf. Die schreiben nicht eine SMS oder eine E-Mail, sondern die kommunizieren mit ihren Freunden auf Fortnite oder Roblox. Die leben schon in einem Metaverse.

Noch interessanter wird dieses Metaverse, wenn es mit allen Währungen verbunden wird. Dann können dort neue Geschäftsmodelle entstehen und ich kann einfach in dieser virtuellen Welt ein Konzert veranstalten und Tickets verkaufen. Deshalb sehe ich das natürlich auch als wichtigen Punkt für die Eventbranche. In Zukunft wird eine Bühne vielleicht nicht auf der Donauinsel stehen, sondern auf einer virtuellen Donauinsel.

LEADERSNET: Ermöglichen neue Technologien die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in Zukunft von der Couch im Wohnzimmer aus?

Kenyeri: Ja, es kann sein, aber das wird nicht von heute auf morgen passieren. Es ist ja nicht so, dass es das nicht alles schon gibt. Im Moment ist es nur so, dass die Menschen hinaus wollen, die wollen etwas erleben. Ich glaube, Corona hat die Technologie extrem befördert, aber auf der anderen Seite wird es sie auch wieder bremsen. Die Menschen wollen jetzt einfach hinaus in die Natur, sie wollen regionale Urlaube machen. Konzerte, die es jetzt geben wird, werden alle ausverkauft sein.

Jetzt haben die Leute kein Interesse, sich ein virtuelles Ticket zu kaufen. Das heißt aber nicht, dass das in Zukunft nicht passieren wird, denn unsere Kinder wachsen damit auf. So selbstverständlich das Handy für die letzte Generation war, ist es das Metaverse für unsere Kinder.

LEADERSNET: Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt in immer mehr Lebensbereichen an Bedeutung. Sie haben bereits ein paar Punkte angesprochen. Wie reagiert die Eventbranche noch auf diesen Trend?

Kenyeri: Wir müssen Nachhaltigkeit ein bisschen hinterfragen. Was bedeutet das eigentlich?  Nachhaltiges Denken und Handeln heißt, dass das Unternehmen, die Agentur oder die Dienstleister in allem Denken und Handeln nachhaltig sind. Da gehört auch dazu, dass die Mitarbeiter zufrieden sind. Im Veranstaltungsbereich wird seit langem versucht, Nachhaltigkeit zu etablieren. Vor über zehn Jahren hat man mit dem Thema Green Events begonnen, dann kamen Bio und die ganzen Zertifizierungen. Das hat sich aber nicht wirklich durchgesetzt. Wenn da ein Umweltsiegel drauf ist, heißt das zwar am Papier, dass das eine nachhaltige Veranstaltung ist, aber gerade junge Menschen wollen, dass Unternehmen und Veranstalter auch nachhaltig handeln. Das beginnt in der Kommunikation, aber auch beim Versuch, CO2-Emissionen zu vermeiden.

Beim Thema Catering ist es so, dass viele Menschen exotische Fruits wie Avocados oder Melonen wollen, aber diese Produkte sind immer mehr regional verfügbar. Ich muss nicht auf irgendwas verzichten, wichtig ist, dass es nicht um die ganze Welt geflogen wird. Das Thema Essen hat generell wieder an Wichtigkeit gewonnen. Gerade durch Corona haben die Leute wieder mehr selbst gekocht. Die Kochstars, die während der Lockdowns online gekocht haben, sind ein bisschen zu Superstars geworden. Daher geht auch der Trend in die Richtung, dass bei Veranstaltungen künftig mehr live gekocht werden wird.

LEADERSNET: Wie kann eine nachhaltige Veranstaltung aussehen?

Kenyeri: Das Wichtigste ist, dass ich als Veranstalter jeden einzelnen Touchpoint anschaue, wo ich mit Kunden in Kontakt bin, und mir überlege, wie ich das nachhaltiger lösen kann. Sei es vorab bei den Themen Einladungs- und Ticketmanagement oder Anreise  bis hin zu der Veranstaltung selbst. Brauche ich ein Feuerwerk oder internationale Foodtrucks, nur damit ich irgendeine coole Story erzählen kann? So kann ich meine Veranstaltung von A bis Z nachhaltig durchdenken.

Wichtig zu erwähnen ist, dass wir alles, was wir für eine nachhaltige Veranstaltung in Österreich brauchen, auch hier haben. Egal, ob es Technologien für das Einladungsmanagement sind, ob es Möglichkeiten sind, wie ich statt einem Feuerwerk eine interaktive Show machen kann oder alle Cateringthemen, alle Müllentsorgungsthemen, all das haben wir in Österreich. Wir sind da sehr gut aufgestellt. Die Eventagenturen würden alles nützen, das Entscheidende ist, dass auch die Unternehmen sagen: Ja, da bin ich dabei. (nf)

www.kesch.at

 

 

 

 

 

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV