So unsicher und beängstigend sich die Zeiten, in denen wir leben, gerade auch gestalten mögen, eines ist klar: Jeder Versuch, Menschen mit Terror zu entzweien, erhält eine starke Antwort. Und diese Antwort wird in der Ära von Social Media besonders schnell und besonders laut verbreitet, und zwar mit einem eigenen #Hashtag. Nach den schrecklichen und unvergesslichen Ereignissen der Nacht des 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt hat nun auch Wien ihre Antwort, und so auch ihren Hashtag.
Nach #jesuischarlie, #prayforlondon, #niewieder und Co. hat Wien Worte für ihre Haltung gegen den Terror gefunden. Und die wiederholt zur lebenswertesten Stadt der Welt gewählte österreichische Bundeshauptstadt wäre nicht sie selbst, wenn sie nicht so "anders", ausdrucksstark und liebevoll "grantlert" wäre, wie Wien eben selbst: Innerhalb weniger Stunden postete und teilte nicht nur ganz Wien #schleichdiduoaschloch, der emotionale Ausruf eines Anrainers, den er dem Attentäter aus dem Fenster nachrief, stellt sich der Trauer, der Wut, der Angst und der Verunsicherung, die dieser Akt des Grauens bei uns allen hinterlässt, gemeinsam mit vielen berührenden, beeindruckenden und schönen Geschichten aus der Nacht, in der der Terror nach Wien kam, entgegen.
"In Wien ist jeder Willkommen. Außer Arschlöcher."
In Wien ist jeder willkommen. Außer Arschlöcher #wieneralltagspoeten Danke an die vielen Menschen, die dieses Zitat...
Gepostet von Wiener Alltagspoeten am Dienstag, 3. November 2020
#schleichdiduoaschloch: Direkt vom Wienermund ins Wienerherz
Wien zeigt sich im Angesicht des Terrors so urwienerisch wie nie, und die Welt, die kollektiv ihre Anteilnahme, ihre Bestürzung und ihre Unterstützung zusichert, erhält mit unserem Dank auch eine kleine Lektion im Wiener Dialekt: Tatsächlich hat es "Schleich di du Oaschloch" auf die Titelseiten der internationalen Presse geschafft. Am Cover der Mittwochsausgabe der deutschen Täglichen Allgemeinen Zeitung, kurz TAZ, prangt eine Fotografie des nächtlichen Wien, darüber der Spruch, der zur Ideologie wurde. Oder wie die TAZ schreibt: "Der Protestruf eines Anwohners wurde zur Haltung einer Stadt".
Und nun will die ganze Welt wissen, was "Schleich di du Oaschloch" heißt:
Deutschland, Belgien, Schweden, die Slowakei, Russland, die USA, England, Italien und so viele mehr: Sie alle haben ihre Erfahrungen mit Terror gemacht und sie alle entsandten durch die Stimmen ihrer Staatschefs und vieler Einzelpersonen ihre Gedanken und ihre Unterstützung. Besonders berührend und eindrucksvoll in diesen Tagen zeigte sich hier die Reaktion Frankreichs, eines Landes, das selbst vom Terrorismus "gebeutelt" ist, wie es die ORF-Außenkorrespondentin in Paris, Cornelia Primosch, so treffend ausdrückte. Innerhalb nur eines Monats erlebte die "Grande Nation" gleich drei schreckliche Terroranschläge, darunter die unglaublich brutale Enthauptung eines Lehrers, der seinen Schülern die Hintergründe um die Mohammad-Karikaturen in Charlie Hebdo näher gebracht hatte, und erst vergangene Woche die Ermordung dreier Menschen in einer Basilika in Nizza. Nicht wenige zogen Vergleiche der Anschläge in Wien mit früheren Anschlägen in Frankreich, allerdings mit jenen in Bataclan, Paris im Jahr 2015.
Frankreichs Präsident Emanuel Macron war so auch einer der allerersten, die via Twitter Solidarität bekundeten, mehrmals. Dienstagmittag besuchte Macron sogar den österreichischen Botschafter in Paris, um sich persönlich in das dort aufliegende Kondolenzbuch einzutragen: Eine Geste großer politischer Tragweite und ein Zeichen, dass wir nicht allein sind und auch bei politischen Uneinigkeiten im Angesicht eines gemeinsamen Feindes geeint stehen. Eine Haltung, die mit der Kranzniederlegung der österreichischen Polit-Elite am Tatort direkt im Anschluss ganz genau so gezeigt wurde.
Geeint wie nie zuvor zeigten sich Alexander Van der Bellen, Sebastian Kurz, Wolfgang Sobotka und Co. nicht nur im stillen Gedenken dort, sondern auch im Rahmen des besonderen Gottesdienstes in Anwesenheit von Mitgliedern aller Kultusgemeinden - jüdisch, katholisch, evangelisch, orthodox und muslimisch - im Wiener Stephansdom.
Helden mit Migrationshintergrund und Gratiskonzert der Philharmoniker: "Das Wien das wir alle lieben"
Man will Positivität verbreiten, und das gelingt: Schnell machten auch die ersten Heldengeschichten der Terrornacht die Runden, und bezeichnenderweise sind neben den unzähligen Helden in Uniform von Polizei, Sondereinheiten, Bundesheer und Rettung, die übermenschliches leisteten und leisten, die drei eindrucksvollsten Helden junge Wiener mit Migrationshintergrund und mehr Mut und Zivilcourage, als man fassen kann: Recep Gültekin, Mikail Özen und Osama Joda. Die ersten beiden wurden für einen Moment beinah als potentielle Mit-Attentäter verkannt, doch sind die beiden türkischstämmigen Boxer gleich mehreren Menschen unter Einsatz ihres eigenen Lebens im Kugelfeuer zu Hilfe geeilt.
Joda erlebte mit seiner Familie hier bereits Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, aber wurde zum selbstlosen Ersthelfer für den schwer verletzten jungen Polizisten und wurde prompt von der Polizei geehrt. Es würde den begrenzten Rahmen dieses Artikels sprengen, ihnen allen in würdiger Länge gerecht zu werden, doch sie alle stehen gemeinsam mit vielen hilfsbereiten Personen aus der Zivilbevölkerung, Hoteliers und Gastronomen, die Unterschlupf gewährten sowie den Betreibern der Kulturinstitutionen und den Wiener Philharmonikern als Helden der Nacht, indem sie alle ihren unschätzbaren Beitrag geleistet haben.
Von Twitter auf die Titelseiten, T-Shirts und Turnsackerl
Vom Terroristen zum "Oaschloch" in wenigen Stunden, das ist ein Wandel, der auch mit der Verarbeitung der Menschen etwas (positives) macht und sich dem Ziel der Terroristen, nämlich dem Schüren von Angst und Zwietracht, entgegenstellt. Und in dieser Mission wurde so mancher gar erfinderisch:
Und die Haltung der Stadt und ihrer Unterstützer will nun nicht nur im Herzen, sondern auch auf Kleidung und "Sackerln" getragen werden: Schnell wurde der Ruf nach einer Art "Anti-Terror-Merchandise" laut und so ließen die ersten T-Shirt-Designs nicht lange auf sich warten. Ali Mahlodji, selbst Wiener mit Migrationshintergrund und erfolgreich und bekannt teilt Whatchado-Gründer und Speaker, teilte eines der ersten Designs zu Shirts, deren Erlös zur Gänze (abzüglich der Produktionskosten, Anm.) der Friedensflotte Mirno More gespendet wird, einem Verein, der junge Menschen an die Notwendigkeit von Frieden und Akzeptanz von Vielfalt heranführt.
Und auch Eva Katharina Armborst, Einzelunternehmerin aus Mariahilf, machte sich gleich an die Nähmaschine ihres Vintage Inspired Shops, der "Magic Oyster" und designte Tragetaschen und Turnsackerl im "Schleich di, du Oaschloch"-Design. Nicht weil es gut ihr Geschäft, sondern für Wien sei, wie sie erklärt: " Wie wohl die meisten in unserer Stadt bin auch ich entsetzt und schockiert ob des terroristischen Anschlags auf Wien. Ich war sprachlos. Ich war traurig und wütend und wusste nicht wie ich das kommunizieren kann. Dann ist mir die Aussage 'Schleich di, du Oaschloch!' untergekommen und habe mich sofort verstanden gefühlt. Dieser Satz drückt so gut aus, was wir in Wien hier gerade fühlen. Ich habe das Statement auf den Social Media Kanälen meines Unternehmens geteilt und den Tag über immer wieder gelesen, und mit jedem mal lesen fand ich ihn nur noch passender."
Armborst teilt dieser Tage durch die Coronakrise mit ihrem kleinen Shop in einer Seitengasse der Mariahilferstraße dieselben Sorgen und Herausforderungen der meisten Einzel- und Kleinstunternehmer, wollte aber ein Zeichen setzen, so die Jungunternehmerin im Exklusivgespräch mit LEADERSNET: "Ich betreibe eine kleine Boutique in Mariahilf. Viele meiner Kollegen hatten am Tag nach dem Anschlag ihre Shops geschlossen, aber ich wollte öffnen. Ich wollte mein Geschäft wegen so einem Oaschloch nicht auch nur einen Tag schließen. Wie erwartet blieben die Leute zuhause und waren nicht in Geschäften unterwegs, so hatte ich aber zumindest Zeit die Idee zu bedruckten Stoffsackerln zu entwickeln und auch gleich umzusetzen. 'Schleich di, du Oaschloch!' entspricht eigentlich überhaupt nicht der Corporate Identity meines Geschäfts, aber es entspricht uns Wienern, vor allem jetzt. Ein Statement das uns, glaube ich, noch lange begleiten wird. Eine Aussage die Wien in ihrem sympathischen Grant und ihrer bodenständigen Ehrlichkeit verbindet."
Die Shirts von Mahlodij finden Sie um 25 Euro
hier, Armborsts Sackerl bekommen Sie direkt in der "
Magic Oyster" in der Ésterhazygasse oder auf Anfrage via
Mail oder
Social Media. Jetzt fehlen den Twitter-Usern laut eigenem Wunsch zum kompletten Look nur noch die passenden Masken.
Trotz allem: Hier bekommen Sie Hilfe
Nichts ist in Krisenzeiten jeglicher Art wichtiger, als sich mit positiven Dingen und Gedanken zu umgeben. Aber das funktioniert nicht immer, und darum ist es genauso wichtig, zu wissen, dass es absolut in Ordnung ist, bei der Bewältigung mancher Situationen Hilfe zu benötigen bzw. zu beanspruchen. Es ist kein Zeichen von Schwäche, nach dieser zu fragen und sich diese zu holen. Darum möchten wir hier noch
wichtige Hotlines anführen, deren Unterstützung in Zeiten wie diesen unschätzbar wertvoll und, wie Mahlodji in einem Retweet so treffend schreibt, sogar ein Zeichen von Stärke" ist:
(rb)
www.wien.gv.at
www.wien.info
www.instagram.com/v.for.vertigo
Schleich di du Oaschloch!
Das ist mein Wien!
ZORNEN!!!
Unter Tränen herzlichsten Dank an die HELDEN>>>
HINTERHERRUFER ? , RECEP GÜLTEKIN, MIKAIL ÖZEN, OSAMA JODA und ALLE ANDEREN menschlichen und selbstlosen
HELFER:INNEN von
WIEN, einer der
MUSIK-KULTUR-ÄSTHETIK-ARCHITEKTUR-MULTIETHNIC und PIU SIMPATICHE CITTÀ of the whole galaxy !!!!!!!!
🎼🌙🏛🌉🌠👍
seneca, der Ältere
Das sentimental- melancholische, blumig-poetische liegt dem grantelnden, raunzenden, suddernden, aber unverwüstlichen Wiener nicht!
Und dieser eine Satz bringt tatsächlich auf den Punkt, was viele denken und fühlen - darum kann sich auch nahezu jeder Wiener damit identifizieren!
"Schleich Di, Du Oaschloch"
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