"Wir geben jedem die Möglichkeit, direkt am Bauernhof einzukaufen"

Gründerin Theresa Imre im Interview über die Vision eines lokal verankerten Lebensmittelsystems, die Demokratisierung der Lebensmittelbranche, was hinter dem digitalen Bauernmarkt steckt und wie Corona ihr Business ankurbelt. 

Einer Umfrage der Agrarmarkt Austria von April 2020 zufolge geht die Hälfte aller Befragten seit Beginn der Coronakrise seltener in den Supermarkt  - sehr zugunsten von Ab-Hof-Verkaufsstellen und Online-Lebensmittelhändlern. markta.at hat schon vor der Krise die Zeichen der Zeit erkannt und alles auf einen bequemen, digitalen Zugang zu regionalen Lebensmitteln gesetzt. Bei markta.at gibt es regionale Schmankerl ohne örtliche Gebundenheit und ohne Öffnungszeiten. LEADERSNET hat die Gründerin des virtuellen Bauernmarktes, Theresa Imre, zum Interview getroffen.

LEADERSNET: Corona hat dem Online-Lebensmittelhandel einen Boost verpasst. Spüren auch Sie diesen?

Imre: Ja, auch wir haben diesen Boost klar gespürt. Der Aufwand und das Bestellvolumen auf markta.at sind in der Zeit des Lockdowns im März 20x mehr geworden als davor. Das gesamte Team hat mit vollem Einsatz angepackt und sogar Freunde, Familienmitglieder und Bekannte haben dabei geholfen diese hohe Zahl an Bestellungen gemeinsam abzuwickeln. Nur so konnten wir es auch schaffen, jede Woche 80.000 Lebensmittel anzunehmen, zu verpacken und schlussendlich an zahlreiche Kunden zu liefern. Diesen Aufschwung konnten wir auch nachhaltig spüren, indem unsere Bestellzahlen nun weitaus höher sind, als vor Corona.

LEADERSNET: Was kann man sich unter markta.at vorstellen? Wie kam es zur Gründung?

Imre: markta ist mehr als ein digitaler Bauernmarkt – eine neu gedachte Plattform für regionale Lebensmittel. Wir wollen ganzheitliche und nachhaltige Lösungen schaffen. Auf markta kommen die Leute zusammen, durch die Verbindung von Produzenten und Konsumenten.

markta ist aus dem Foodblog "Eingebrockt und Ausgelöffelt" entstanden, welchen ich gemeinsam mit einer Sandkastenfreundin ins Leben gerufen habe. Durch den Erfolg des Foodblogs sowie die intensive Beschäftigung mit Lebensmitteln und Lebensmittelproduzenten ist mir schnell klar geworden, dass die meisten ländliche Betriebe und Produzenten keine guten Vertriebsstrukturen haben. Somit kam die Idee, einen digitalen Bauernmarkt zu bauen. Zwischen 2016 und 2017 wurde dann auch schon der Prototyp für markta entwickelt, welcher in weiterer Folge auch ein entsprechendes Logistikkonzept für eine bequeme und unkomplizierte Lieferung der Lebensmittel direkt vor die Haustüre anbietet.

LEADERSNET: Mit gutem Geschmack das Gemeinwohl fördern: Kann das funktionieren?

Imre: Durch den Austausch und die Kommunikation wird der Bezug zur Herkunft der Lebensmittel wieder aufgebaut, Vertrauen geschaffen und der Mehrwert gegenüber der konventionellen Landwirtschaft vermittelt. Mit dem Vorhaben der Inklusion kleiner Produzentinnen in die Nahrungsbeschaffungskette, schaffen wir einen Beitrag zur Verteilung der derzeit gebündelten Kaufkraft auf mehrere Akteure nach dem Prinzip der Sharing Economy.

Wir nützen damit die treibenden Kräfte und Trends:
• Moderne Netzwerke ermöglichen den Austausch von Informationen und Wissen
• Das Ressourcen- und Umweltbewusstsein ist gestiegen
• Ein Wertewandel hin zu mehr Individualität und Multioptionalität
• Soziales Motiv des Teilens und etwas Gutes tun
• Veränderung ist emotional und wird durch soziale Interaktion gestaltet

Neben den Zielen der Dezentralisierung, Demokratisierung und Inklusion kleiner Akteure, ist es ferner möglich, beim Kommissionierungsprozess benachteiligte Personen auf dem Arbeitsmarkt in das Vertriebsservice miteinzubinden und innerstädtische Lieferungen oder die Konsolidierung von markta Regionspaketen übernehmen zu lassen.

LEADERSNET: Sie setzen sich für eine Demokratisierung des Lebensmittelmarktes ein. Wie soll das konkret ablaufen?

Imre: Eine zunehmende Vernetzung der Lebensmittelverteilung, wie die Bereitstellung einer vertrieblichen Versorgung hat eine Demokratisierung des Lebensmittelmarktes zur Folge. Menschen mit eingeschränkter Mobilität, ältere Menschen, Menschen ohne Auto, wie auch jene in abgelegeneren ländlichen Gebieten wird der Zugang zu Lebensmitten einfach ermöglicht und ein Beschaffungsproblem gelöst. Darüber hinaus ermöglicht der Ansatz des iterativen UX-Prozesses auch für weniger digital-affine Menschen eine optimierte Benutzerfreundlichkeit und macht die Benutzung zu einem intuitiven Prozess. Dies fördert eine demokratische Zielgruppeansprache und macht die Plattform für eine größtmögliche Gruppe zugänglich.

LEADERSNET: Wie ermöglichen Sie den Zugang zu hochwertigem Essen aus der Region?

Imre: Dadurch, dass markta.at eine Online-Plattform ist, wird möglichst vielen Menschen die Möglichkeit gegeben, ganz einfach und bequem von zu Hause Zugang zu hochwertigem Essen aus der Region zu erlangen. Denn vor allem Menschen, welche in urbanen Gebieten wohnen, haben oftmals genau hierzu wenig Zugang. Denn das Ab-Hof-Angebot von Bauern und Bäuerinnen findet man meist bloß in ländlicheren Gegenden oder Bauernmärkte können auf Grund von Zeitmangel nicht besucht werden. Durch unsere Online-Plattform soll Jung und Alt in ganz Österreich die Möglichkeit gegeben werden, direkt am Bauernhof einzukaufen. markta arbeitet eng mit Kleinproduzent*innen aus der Region zusammen, welche ihre handgemachten Produkte über unsere Plattform anbieten – so kommen Konsument*innen an wirklich hochwertige Lebensmittel aus der Region. Denn jeder und jede soll erleben und schmecken, was gutes Essen wert ist.

LEADERSNET: Mit welchen Tools können Sie breitere Bevölkerungsgruppen ansprechen?

Imre: Natürlich erreichen wir durch unsere Online-Plattform potenziell viel mehr Menschen, als mit reiner Offline-Präsenz. So bieten wir allen Menschen in Österreich online direkt beim Bauern einzukaufen. Rund um die Uhr kann somit auf markta.at eingekauft werden.
Zudem bieten wir nicht nur Konsumenten, die Möglichkeit durch den Online-Einkauf zu profitieren, sondern auch den Produzenten bieten wir – vor allem am Marktplatz – passende Tools, um ihre Produkte in ihrem Marktstandl zu vermarken. Zudem sind wir auf diversen Social Media Plattformen präsent, um uns mit Kunden auszutauschen und diese zu informieren.

Doch wir wollen nicht nur auf reine Online-Präsenz setzen, auch offline gibt es immer wieder vor Ort Veranstaltungen, wo Kunden unsere Produzent*innen kennenlernen können und mehr über markta erfahren können.

LEADERSNET: Welche Arten der Zustellung gibt es?

Imre: Ja, auch bei der Zustellung wollen wir Kunden verschiedene Optionen anbieten: so kann zwischen Hauszustellung und einer Zustellung zu einer markta Abholstelle gewählt werden. Bei einer Zustellung zur Abholstelle werden keine Versandkosten verrechnet und man kann mittels Code seinen Einkauf rund um die Uhr abholen. So können auch sehr beschäftigte Menschen, trotz Zeitdruck, nachhaltig, biologisch und regional einkaufen.

LEADERSNET: Wie läuft eine Bestellung ab?

Imre: Auf markta.at kann man ausschließlich online bestellen. Das heißt aber auch, dass man rund um die Uhr die Möglichkeit hat, direkt beim Bauern oder der Bäuerin einzukaufen. Entweder man stellt sich seinen Einkauf individuell nach Geschmack zusammen oder man wählt eines der fix-fertig zusammengestellten Packerl aus. Anschließend wählt man den gewünschten Liefertag sowie die Versandart – direkt nach Hause oder zu einer markta Abholstelle – bezahlt und schon ist die Bestellung abgeschlossen.

Die Produkte werden frisch von unseren Produzenten angeliefert und warten dann direkt vor der Haustüre unserer Kunden nur darauf ausgepackt und verspeist du werden. Übrigens: bei einer Hauszustellung muss man bei der Lieferung nicht mal daheim sein. Unser Lieferdienst stellt das Packerl einfach vor der Wohnungstüre ab und die Lebensmittel warten dann gut gekühlt und isoliert, vor der Türe auf unsere Kunden.

LEADERSNET: Was ist der Unterschied zwischen dem markta Einkauf und dem markta Marktplatz? Was wird alles angeboten?

Imre: Der Marktplatz stellt in erster Linie das Netzwerk und die Informationsbasis für Konsument*innen dar und dient den Produzenten als eigener Webshop. Produzenten – von Landwirten über Imker hin zu Craftbier-Brauer – können ihre virtuellen Marktstände selbständig bespielen. Jedes Profil ist gleichzeitig der persönliche Webshop – das Standl auf dem Marktplatz –, über den er bzw. sie seine Produkte zum Verkauf anbietet und sich selbst präsentiert. Der  Konsument bekommt auf den Profilen der Produzenten direkte Einblicke in die Produktionen, den Alltag und Gesichter zu den Menschen, die dahinterstehen. Am Marktplatz verschicken die Produzent*innen ihre Produkte selbst.

Beim Einkauf kommissioniert markta das Angebot verschiedener Produzenten zu einem Paket, welches schlussendlich auch von unserem Logistikzentrum in Wien verschickt wird. Der Einkauf macht es Konsumenten also noch einfacher gleichzeitig bei mehreren Produzenten aus der Region einzukaufen und alles in nur einem Packerl bis vor die Haustüre geliefert zu bekommen.

Auf beiden Plattformen erweitert sich das Produktsortiment laufend weiter. Denn einerseits melden sich immer mehr Produzenten am Marktplatz an, andererseits listen wir mit markta aber auch immer mehr Produzenten im Einkauf. Das Angebot reicht bei beiden von frischen und haltbaren Lebensmitteln bis hin zu Haushaltswaren und Drogerieartikeln und Geschenken.

LEADERSNET: Wer profitiert aller von markta.at?

Imre: Eine Hühnerbäuerin ist mehr als nur Adresse auf dem Eierkarton. Auf markta interagieren Konsumenten mit ihren Produzenten. Produzenten erzählen die Geschichten hinter den Produkten und können diese auch selbstständig vermarkten. Sie erhalten hierbei Unterstützung durch die regionale Kreativwirtschaft, mit der sie sich auf markta vernetzen können.

Konsumenten wird das regionale Angebot an Lebensmitteln bewusst und zugänglich gemacht. Sie können auf markta direkt bei regionalen Produzenten Produkte bestellen, und sich mit ihnen austauschen und kommunizieren.

markta bildet die wesentliche Basis für ein lokales, vielfältiges und solidarisch vernetztes System und stärkt damit regionale Kreisläufe. So profitieren bei markta also vor allem Konsument*innen und Produzenten, doch auch Kreativschaffende und bestehende Initiativen und Regionen ziehen aus markta ihre Vorteile.

LEADERSNET: Tragen Sie mit markta.at auch zur Klimabilanz bei? Wie?

Imre: Übergeordnetes Ziel und Vision von markta ist es, globale Strukturen beim Lebensmittelkonsum zu vermeiden, Bewusstsein für regionale Produzent*innen und Produkte zu schaffen und damit Treibhausgase sowie CO2-Emmissionen einzusparen. Nachhaltiger Konsum lässt sich bei Lebensmitteln einfach und bodenständig vermitteln, da ein hoher direkter Bezug der Konsumenten gegeben ist.

Dies geschieht durch die direkte Vernetzung von Produzent*innen und Konsument*innen auf Basis regional-saisonaler Angebote, welche sowohl direkte als auch indirekte positive Auswirkungen haben. Durch das regionale Angebot und die Möglichkeit "on demand" Lebensmittel auszuwählen und einzukaufen können lange Transportwege mittels Flugzeug, Schiff, LKW etc. vermieden und damit Energie und Emissionen eingespart werden. Unterstützt durch ein Versand- bzw. Abholservice inklusive Zustellung durch sanfte Mobilität und "green packages" lassen sich auch im Vertrieb Energie, Emissionen und Verpackungsmaterial wie Kunststoffe reduzieren. Beispielsweise verzichten wir bei Verpackungen der Pakete komplett auf Styropor und greifen stattdessen auf nachhaltige Schafwolle als Dämmmaterial zurück. Kund*innen können diese sowie den Karton und weitere Pfandprodukte an uns retournieren, wodurch eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft gefördert wird.

LEADERSNET: "Befreiung, Gleichheit und Solidarität": Wird angestrebt, eine soziale Community zu erschaffen?

Imre: markta stellt Menschen und Geschichten in den Mittelpunkt und schafft im Sinne der Shared Economy eine Community-Plattform, die gemeinschaftlich ein neues Lebensmittel- Netzwerk aufbaut, um die Bedingungen für ein gutes Leben für alle zu schaffen.
Der Austausch mit den Kunden steht im Vordergrund. Produzenten können ihre Geschichten erzählen und Interessierte am Produktionszyklus und ihrem Alltag teilhaben lassen. Konsument*innen können nachfragen, bewerten, wünschen und verstehen. Durch den Austausch und die Kommunikation wird der Bezug zur Herkunft der Lebensmittel wieder aufgebaut, Vertrauen geschaffen und der Mehrwert gegenüber der konventionellen Landwirtschaft vermittelt. Wir setzten uns stark für Gender Equality ein und bemühen uns um ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis. Wir fördern den Austausch von Ideen und setzen uns die direkte Schaffung von Arbeitsplätzen zum Ziel.

markta sieht sich als Teil emanzipatorischer, auf Befreiung, Gleichheit und Solidarität hin orientierter sozialer Bewegungen, um die Bedingungen für ein gutes Leben für alle zu schaffen. (jw)

www.markta.at

 

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