Der heimische Arbeitsmarkt ist zur Zeit von zahlreichen Herausforderungen geprägt: zunehmender Fachkräftemangel, voranschreitende Digitalisierung und Kürzungen aufgrund von steigenden Kosten. Um nachhaltig positive Veränderung zu schaffen, ist einer der essenziellen Punkte, zu verstehen, was Arbeitnehmer:innen heutzutage von ihrem Beruf erwarten und was sie bewegt. Diesem Thema hat sich jüngst das Online Research Institut Marketagent in Kooperation mit willhaben angenommen und veröffentlichte nun die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage unter 1.020 unselbstständig erwerbstätigen Österreicher:innen. Dabei zeigt sich ganz deutlich, in welcher Hinsicht Arbeitgeber:innen großem Handlungsbedarf gegenüberstehen.
So zufrieden sind heimische Arbeitnehmer:innen
Allgemein geben sieben von zehn Befragten an, sich auf den nächsten Arbeitstag zu freuen. Wenig verwunderlich, ist die Zufriedenheit mit dem Job sowie dem:der Arbeitgeber:in doch recht hoch. So würden sich gut drei Viertel der Arbeitnehmer:innen erneut bei ihrem aktuellen Unternehmen bewerben. Trotzdem zeigt sich, dass 44 Prozent ihrem bisherigen beruflichen Werdegang kritisch gegenüberstehen und den gleichen Weg nicht noch einmal einschlagen würden, wenn sie die Zeit zurückdrehen könnten.
Hinsichtlich der Entlohnung für ihre Arbeit ist die Mehrheit der heimischen Arbeitnehmer:innen zufrieden: Insgesamt empfinden 76 Prozent ihr Gehalt als "sehr fair" oder "eher fair", das restliche Viertel fühlt sich dagegen unfair entlohnt. Hier zeigen sich deutliche Generationsunterschiede, wobei Jüngere ihr Gehalt kritischer sehen und sich häufiger benachteiligt fühlen, während die Kohorte der Babyboomer die höchste Zufriedenheit ausstrahlt
Aufstiegsmotivation gering
Wenn es darum geht, die Karriereleiter zu erklimmen, zeigen sich die heimischen Arbeitnehmer:innen erstaunlicherweise wenig motiviert. Nur 38 Prozent zeigen aktives Interesse, eine höhere Position zu erreichen. Dagegen stehen satte 56 Prozent, die einem Aufstieg skeptisch gegenüberstehen oder diesen gar ablehnen. Die restlichen sechs Prozent meinen, dass dies in ihrem aktuellen Unternehmen nicht möglich sei.

© Marketagent / willhaben
"Diese geringe Ambition, die Karriereleiter nach oben zu klettern, zeigt, dass Unternehmen verstärkt Anreize schaffen müssen, um Führungskräfte von morgen zu gewinnen. Es gilt, nicht nur attraktive Aufstiegsmöglichkeiten zu bieten, sondern auch gezielt Mitarbeiter:innen zu fördern", appelliert Thomas Schwabl, Gründer und Geschäftsführer von Marketagent.
KI im Bewerbungsprozess wird kritisch betrachtet
Bezüglich des Bewerbungsprozesses ist den heimischen Arbeitnehmer:innen Aufrichtigkeit und Authentizität besonders wichtig. So geben knapp neun von zehn Befragten (87 Prozent) an, noch nie bei einer Bewerbung in Sachen Erfahrung und Qualifikation gelogen zu haben. Bei Jobinterviews werden weiterhin persönliche Gespräche bevorzugt, wie 89 Prozent meinen. Dagegen wird Künstliche Intelligenz kritisch betrachtet, so lehnen drei Viertel die Verwendung von KI im Bewerbungsprozess ab. Im Generellen ist die Nutzung solcher Tools auch gering, und nur 13 Prozent haben KI-Tools schon einmal für ihre Bewerbung genutzt, wobei die Gen Z hier deutlich aufgeschlossener ist (27 Prozent).
"Wir sehen, dass KI-Anwendungen im Bewerbungsprozess viele Chancen bieten, aber auch Bedenken hinsichtlich Transparenz und Fairness aufwerfen", erklärt Markus Zink, Head of Jobs bei willhaben. "Daher gilt es, etwaige Sorgen der Arbeitnehmer:innen ernst zu nehmen. Konkret bedeutet das, dass Unternehmen gefordert sind, Vertrauen aufzubauen, indem sie Künstliche Intelligenz transparent und verantwortungsvoll einsetzen."
Flexibilität essenziell
Wenig überraschend zeigt die Studie, dass Teilzeitbeschäftigung nach wie vor mehrheitlich weiblich ist - in dieser Umfrage liegt der Frauenanteil der Teilzeitbeschäftigten bei ganzen 78 Prozent. Dabei ist der mit 32,5 Prozent am häufigsten genannte Grund für eine Stundenreduktion, dass familiäre Verpflichtungen – wie etwa Kinderbetreuung oder Care Arbeit – vorliegen, die sich nicht mit mehr Stunden vereinbaren lassen. Auch hier ist der Frauenanteil (37 Prozent) deutlich höher als jener der Männer (18 Prozent). Zudem wollen 24 Prozent mehr Zeit für Familie und Freude, und 20,5 Prozent für sich selbst haben. Außerdem geben 22,3 Prozent an, dass ihnen die Arbeitsbelastung mit mehr Stunden zu hoch wäre, und 19,1 Prozent sehen in ihrer aktuellen Stelle/Position keine Möglichkeit zur Stundenaufstockung.
"Um eine echte Wahlfreiheit zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeit zu ermöglichen, braucht es umfassende Unterstützungsangebote für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie", meint Andrea Berger, Research & Communications bei Marketagent. Dabei könnten mehr Flexibilität und gezielte Maßnahmen helfen, um die Arbeitszeiten besser an individuelle Lebensumstände anzupassen.
Erreicht werden könne derartige Flexibilität beispielsweise durch das Arbeiten im Homeoffice. Entgegen oftmalig gehörter Annahmen meinen 39 Prozent der Arbeitnehmer:innen, die sowohl zu Hause als auch im Office arbeiten, dass sie an beiden Orten gleichermaßen produktiv seien. 32 Prozent sind sogar überzeugt, im Homeoffice bessere Arbeitsleistung zu erbringen, wobei das Ergebnis bei Frauen (40 Prozent) noch höher ist. 29 Prozent fühlen sich dagegen im Büro produktiver.
Handlungsbedarf bei Geschlechter-Gleichstellung
Bezüglich der Gleichstellung von Geschlechtern besteht Handlungsbedarf in der Arbeitswelt, wie auch die aktuelle Marketagent-Studie zeigt. Demnach ist insgesamt mehr als die Hälfte der Befragten (57 Prozent) der Meinung, dass Männer in Österreich bessere Karrieremöglichkeiten haben als Frauen. Im Geschlechtervergleich nehmen Frauen diese Benachteiligung mit 70 Prozent deutlich häufiger wahr als Männer, von denen "nur" 45 Prozent diese Ansicht teilen.
Als Gründe für diese Diskrepanz sehen die meisten Befragten (66 Prozent) die stärkeren familiären Verpflichtungen von Frauen, und damit einhergehend auch traditionelle Geschlechterrollen (59 Prozent). Außerdem sehen 49 Prozent Defizite in der Förderung von Frauen in männerdominierten Berufsfeldern.
In Hinblick auf die Zukunft zeigt sich ein ernüchterndes Ergebnis: Mit 51 Prozent glaubt etwas mehr als die Hälfte, dass es niemals zu einer vollständigen Gleichstellung der Geschlechter am österreichischen Arbeitsmarkt kommen wird.
Mehr Informationen zur Studie finden Sie in unserer Infobox.
www.marketagent.com
www.willhaben.at
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