Frage der Finanzierbarkeit
Andreas Treichl und Hartwig Löger für Neuausrichtung des Pensionssystems

| Tobias Seifried 
| 11.09.2024

Mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Erste Stiftung und dem Vorstandsvorsitzenden der VIG wollen jetzt gleich zwei gewichtige Stimmen aus der Finanzbranche die Debatte um eine grundlegende Reform neu anstoßen und versachlichen.

Pensionist:innen zählen zu den größten Wählergruppen in Österreich. Kein Wunder, dass sich die meisten politischen Parteien davor sträuben, große Reformen, die finanzielle Einbußen oder einen späteren Pensionsantritt zur Folge hätten, anzugehen - überhaupt wenn in Kürze Wahlen vor der Tür stehen. Doch nun gibt es zwei gewichtige Stimmen aus der Finanzbranche, die die Debatte um eine grundlegende Reform des Pensionssystems neu anstoßen und versachlichen wollen: Andreas Treichl und Hartwig Löger. Als Basis dienen dem Aufsichtsratschef der Erste Stiftung und dem Vorstandsvorsitzenden der Vienna Insurance Group (VIG) die Ergebnisse einer aktuellen internationalen Studie vom Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria.

Die Studie bildet den Ausgangspunkt für weitere gemeinsame Aktivitäten seitens Erste Stiftung und Vienna Insurance Group (VIG), heißt es vonseiten der beiden Partner. Ziel sei, durch eine breite gesellschaftliche Diskussion ohne vorgefertigte Lösungen einen Transformationsprozess einzuleiten, der die Leistungsfähigkeit des österreichischen Pensionssystems steigern und die Wettbewerbsfähigkeit am Standort Österreich stärken soll.

Frage der Finanzierbarkeit

Österreich hat ein gutes und im Vergleich zu anderen Ländern großzügiges Pensionssystem, zu dessen Stärken sein Umverteilungseffekt zählt. In Zukunft werde es Expert:innen zufolge allerdings erheblich schwieriger und teurer, es zu erhalten. Während Österreichs Ausgaben für Pensionen deutlich über dem EU-Schnitt liegen und weiter ansteigen, sinken die Leistungen in Zukunft. Darüber werde zwar immer wieder diskutiert, aber bislang nicht wirksam gehandelt. Auch deshalb haben Treichl und Löger das Thema aufgegriffen. Die von ihnen beauftragte EcoAustria-Studie macht elf europäische Pensionssysteme miteinander vergleichbar und gebe damit erste, konkrete Ansatzpunkte für eine wirksame Pensionsreform in Österreich.

"Ziel der Studie war, zu verstehen, welche nachhaltigen Lösungen für sichere Pensionssysteme es in anderen europäischen Ländern gibt. Damit wollen wir die immer wieder aufkeimende Diskussion rund um die so dringend notwendige Pensionsreform versachlichen und auf ein neues Level heben. Wir sind überzeugt, dass es gelingen kann, das österreichische Pensionssystem grundlegend zu verbessern und damit eine langfristige und faire Lösung für die zukünftigen Generationen zu finden. Andere europäische Länder wie Dänemark oder Schweden weisen uns hier den Weg", so Hartwig Löger.

Risiko von Altersarmut steigt

Dass hierzulande die Ausgaben für Pensionen aus dem Staatsbudget gestützt werden müssen, ist bekannt. Aktuell sind Österreichs öffentliche Ausgaben für Pensionen die vierthöchsten in der OECD und liegen deutlich über dem EU-Durchschnitt. Ohne Reformen werden sie weiter steigen. Monika Köppl-Turyna, Direktorin von EcoAustria, zu den Details des Ländervergleichs: "Oft wird argumentiert, dass die Ausgaben nur moderat zunehmen werden. Aber auch das wird nicht ohne Folgen bleiben: Die Durchschnittspension wird relativ zum Durchschnittslohn sinken und das Risiko von Altersarmut demnach größer werden. Der Vergleich mit anderen Ländern und ihren Pensionssystemen zeigt, dass die Einbeziehung kapitalgedeckter Komponenten die Pensionen nachhaltig sichern kann. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge versteht sich als Ergänzung bzw. Weiterentwicklung zum vorherrschenden Pensionssystem mit Umlageverfahren. Beim Kapitaldeckungsprinzip wird Vermögen angehäuft und auf dem freien Kapitalmarkt angelegt, um später daraus eine Pensions- oder Kapitalleistung zu beziehen."

So liegt der Studie zufolge beispielsweise das Verhältnis von Durchschnittspension zu Durchschnittslohn (globale Ersatzrate) in Dänemark bei 61 Prozent und in den Niederlanden bei 67 Prozent, während dieser Wert in Österreich lediglich 56 Prozent beträgt. Sowohl die Niederlande als auch Dänemark setzen auf teilweise kapitalgedeckte Pensionssysteme und entlasten damit ihre Staatsbudgets, so die Studienautorin.

Gute Grundlage

Andreas Treichl sagt zur Forderung nach einer Reform: "Wir wollen das für Österreich beste Pensionssystem finden. Die Studie schafft eine gute Grundlage, um Alternativen besser und transparenter zu beurteilen und unvoreingenommen darüber zu diskutieren, ob und in welcher Form diese für Österreich in Frage kommen. Wie die Länderbeispiele zeigen, können kapitalgedeckte Komponenten im Pensionssystem den Wohlstand sichern. Sie haben einen sehr positiven Nebeneffekt: Indem im Budget weniger Geld für Pensionen reserviert werden muss, wird mehr für andere Themen wie die grüne Transformation frei. Entscheidend ist, jetzt keine Zeit mehr zu verlieren und damit zu beginnen, in engem Austausch mit allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen nach neuen Lösungen zu suchen. Warum sollten wir die Chance verstreichen lassen, das aktuelle System erheblich zu verbessern, statt uns bei der Diskussion ums Pensionsantrittsalter im Kreis zu drehen?"

Ein erster wichtiger Schritt dazu sei im Rahmen des diesjährigen Europäischen Forum Alpbach gelegt worden, wo Expert:innen aus unterschiedlichsten Institutionen weitreichende Überlegungen rund um das Thema Pensionsreform anstellten. Zusammen mit den Studienergebnissen sollen diese Gespräche als Ausgangspunkt für eine Serie von Experten-Runden dienen. Ziel sei, bis Mitte 2025 konkrete Vorschläge für eine Reform des österreichischen Pensionssystems zu erarbeiten. Die Erste Stiftung und die VIG werden dafür laut eigenen Angaben den Rahmen und die Infrastruktur stellen.

www.erstestiftung.org

www.group.vig

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