Journalistenbarometer
Journalismus zwischen schlechten Arbeitsbedingungen und gespaltener Gesellschaft

| Redaktion 
| 16.04.2024

Die 20. Auflage des Journalistenbarometers zeichnet ein ernstes, aber nicht hoffnungsloses Bild der Branche. Die Bereitschaft zur Weiterbildung in Hinblick auf KI und Fake News hält sich überraschenderweise in Grenzen.

Zum bereits 20. Mal befragte das Marktforschungsinstitut Marketagent jüngst 358 Journalist:innen in Österreich, Deutschland und der Schweiz zu aktuellen Themen und fühlte den Redaktionen auf den Zahn, was sie im Superwahljahr bewegt – das zweite Mal in Folge in Zusammenarbeit mit der Kommunikationsagentur leisure communications.

Zu den großen Themen der politisch brisanten Zeit zählen Fake News und Deep Fakes durch Künstliche Intelligenz (KI). In den Redaktionen herrscht laut dem Barometer jedoch überschaubarer Wille, sich an entsprechenden Aus- und Fortbildungen zu beteiligen. Ebenso zeigt sich eine eher zurückhaltende Bereitschaft zur Investition in Faktenchecks und Kontrollmechanismen.

Abgesang auf die Printmedien

Gleichzeitig herrscht Bewusstsein, dass ausländische Regierungen die bevorstehenden Wahlen auf EU- und Bundesebene beeinflussen werden. Politisch korrektes Framing in den Medien wird als problematischer Beitrag zur gesellschaftlichen Spaltung erkannt, dem man mit konstruktivem Journalismus begegnen möchte. In den bevorstehenden Wahlkämpfen werden soziale Medien, Fernsehen und Online-Portale journalistischer Herkunft die bestimmende Kraft sein, während selbst Medienmacher in den Abgesang auf Printmedien einstimmen.

"Die Zufriedenheit mit dem eigenen Job sinkt seit 20 Jahren und die Herausforderungen nehmen konsequent zu. Aktuellen Problemen ist sich der Journalismus bewusst, scheint ihnen aber wenig entgegenhalten zu können. Dem entspricht die Wahrnehmung des eigenen Images, die in den letzten Jahren signifikant gesunken ist. In der langjährigen Betrachtung zeigt sich zunehmende Unzufriedenheit. Sie hält Journalist:innen jedoch nicht davon ab, sich wieder für ihren Beruf zu entscheiden. Die Lage in den deutschsprachigen Redaktionen kann als durchaus ernst, aber bei weitem nicht hoffnungslos bezeichnet werden", fasst Marketagent-Geschäftsführer Thomas Schwabl zusammen.

Medien tragen demokratiepolitische Verantwortung

Im Superwahljahr 2024 erkennen mehr als neun von zehn befragten Journalist:innen eine Verantwortung der Medien zur Steigerung der politischen Partizipation, wobei der Wert in Österreich mit 94,8 Prozent die höchste Ausprägung erreicht. Journalistischen Medien wird eine hohe Kraft zugetraut, die Menschen für den Gang zur Wahlurne zu motivieren. Im deutschsprachigen Raum denken rund 85 Prozent der Medienschaffenden, dass sich ihre Arbeit positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt. Anders wird die Lage für die Vereinigten Staaten eingeschätzt. Nur knapp zwei Drittel der Journalist:innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz hegen die Hoffnung, dass etablierte Medienmarken einen Einfluss auf die Wahlbeteiligung im Match Biden gegen Trump haben.

Knapp die Hälfte der Journalist:innen denkt, dass der Einfluss und die Bedeutung parteieigener Medien in den nächsten zwei bis drei Jahren steigen werden, während etwa ein knappes Drittel von einem gleichbleibenden Stellenwert ausgeht. In Sachen personeller Ausstattung und finanzieller Ressourcen sind Publikationen politischer Parteien klassischen Medien, welche sich am freien Markt finanzieren müssen, häufig deutlich überlegen.

Deep Fakes und Fake News werden zum Problem

95 Prozent der Journalist:innen sehen sich in Wahlkampfzeiten mit einer (stark) steigenden Anzahl an Fake News und Deep Fakes konfrontiert. Mehr als die Hälfte musste sich im beruflichen Kontext schon mit Deep Fakes auseinandersetzen. Bereits sieben Prozent sind in ihrem Arbeitsalltag häufig mit Deep Fakes konfrontiert.

Zwei Drittel der Medienschaffenden trauen sich jedoch zu, aufgrund ihrer technischen und inhaltlichen Qualifikation Fake News zu erkennen. Ein Drittel meint sogar, Deep Fakes zu entlarven. 60 Prozent haben jedoch noch nie an einer Aus- oder Fortbildung zu Deep Fakes und Fake News teilgenommen. 22 Prozent haben immerhin eine fachspezifische Ausbildung absolviert. Nur acht Prozent bilden sich konsequent fort und können auf mehr als zwei Aus- oder Fortbildungen verweisen.

"Ohne entsprechende Aus- und Fortbildung läuft der Journalismus Gefahr, gegen die Wand zu fahren und erneut eine Entwicklung in der digitalen Transformation zu verpassen. Die Vermittlung von Medienkompetenz ist allerdings keine Frage, die sich auf Redaktionen beschränkt, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die keinen Aufschub duldet", warnt Wolfgang Lamprecht, Partner bei leisure communications.

www.marketagent.com

www.leisure.at

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