LEADERSNET: Das Familienunternehmen sehen!wutscher ist ein österreichischer Augenoptiker. Wo liegt der Unterschied zu anderen Unternehmen, die vielleicht ein ähnliches Konzept/Modell verfolgen?
Alexandra Wutscher-Hold: Wir sind seit 1966 ein Familienunternehmen. Mein Großvater hat das Unternehmen damals als Ein-Mann-Betrieb im steirischen Eisenerz gegründet. Mein Vater, Fritz Wutscher, hat es schließlich zu einem der größten Player am österreichischen Optikmarkt entwickelt. Und mittlerweile führen mein Bruder und ich das Unternehmen in dritter Generation. Als Familienbetrieb gehen wir dabei an viele Dinge anders heran als unsere Mitbewerber.
Uns sind gelebte humanistische Werte, unsere familiäre Kultur und auch unsere Wurzeln extrem wichtig. Das macht uns vor allem auch als Arbeitgeber sehr attraktiv. Gleichzeitig haben wir einen sehr modernen und innovativen Zugang und fungieren in vielerlei Hinsicht als Vorreiter in der Branche. Sei es in puncto Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter:innen oder auch was unsere POS-Konzepte betrifft.
Unsere Standorte sind wunderschön eingerichtete Geschäfte mit Wohlfühlambiente. Denn wir wollen unsere Kund:innen auf allen Ebenen begeistern, sowohl mit unserer Kompetenz, als auch mit unseren Services, unserer Atmosphäre, unserem Gespür für Mode und Style und mit unserer riesigen Markenvielfalt. Die Kombination aus diesen Faktoren unterscheidet uns klar von anderen Unternehmen in der Augenoptik.
LEADERSNET: Wohin entwickelt sich die Branche im Allgemeinen? Was sind die vordringlichsten Themen, Herausforderungen und Probleme und wie können diese gelöst werden?
Wutscher-Hold: Die Augenoptik ist ein hoch kompetitiver Markt. Wir gehen davon aus, dass sich dieser in den kommenden Jahren auch nicht signifikant vergrößern wird. Das führt dazu, dass es einen Verdrängungswettbewerb geben wird bzw. bereits gibt, bei dem bestehende Player Marktanteile von anderen Mitbewerber gewinnen oder an die Konkurrenz verlieren.
Wir sind hier absolut davon überzeugt, dass unser Geschäftsmodell, unsere Services, unsere Qualität und unsere kompetenten Mitarbeiter:innen unseren Erfolg weiterhin garantieren werden und wir sukzessive Marktanteile dazugewinnen.
Die Dienstleistung steht hier klar im Vordergrund: Kund:innen legen großen Wert auf eine individuelle, ausführliche und kompetente Beratung beim Brillenkauf. Wer hier die Nase vorne hat, wird sich auch langfristig durchsetzen. Dabei gilt es auch, Innovationen und Trends nicht zu verschlafen und sich ständig weiterzuentwickeln, etwa auch im Bereich der künstlichen Intelligenz.
LEADERSNET: Digitalisierung und Künstliche Intelligenz verändern aktuell alle Lebensbereiche. Der damit einhergehende Strukturwandel erfasst Gesellschaft, Staat und Wirtschaft gleichermaßen.
Auch Augenoptikunternehmen müssen mit der Zeit gehen. Wie reagiert sehen!wutscher auf diese Veränderungen und wie schaffen Sie es, und Ihr Team, up to date zu bleiben?
Wutscher-Hold: Wir befassen uns intensiv mit diesen Themen - in diversen Bereichen, wie etwa im Marketing, in der Verzahnung unseres Online- und Offline-Geschäfts, in der Verwaltung, in der Mitarbeiterkommunikation und vieles mehr. Hierbei ist es wichtig, unseren Teams auch die Möglichkeit zu geben, sich in diesem Bereich weiterzubilden und sich neue Skills anzueignen. Deshalb haben wir vor Kurzem etwa einen umfassenden Workshop zum Thema Artificial Intelligence absolviert, in welchem alle Teamleiter:innen aus diversen Abteilungen involviert waren. Gerade beim Thema KI ist es aus unserer Sicht zentral, offen und neugierig zu bleiben und Potenziale zu erkennen, dann aber auch wirklich klare Use Cases zu definieren und Schritt für Schritt umzusetzen, um vom Reden auch ins Tun zu kommen.
LEADERSNET: Klimawandel, Umwelt, soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind immer wichtigere Themen. Welche Rolle nimmt das Thema ESG in Ihrem Unternehmen ein?
Wutscher-Hold: Heutzutage ist es schlichtweg notwendig, sich als Unternehmen ESG-Fragen zu widmen. Wenn wir unser Unternehmen langfristig denken, führt kein Weg an Themen wie Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit vorbei. Wie schon erwähnt, sind wir ein Familienunternehmen. Die Wirkung, die sehen!wutscher auf unsere Gesellschaft und Umwelt hat, liegt uns am Herzen, schließlich stehen wir als Eigentümerfamilie persönlich hinter unseren Unternehmenswerten. Als Retailer können wir etwa in der Zusammensetzung unseres Markenportfolios einen Unterschied machen.
Bei uns findet man deshalb so viele österreichische Brands wie bei kaum einem unserer Mitbewerber. Denn regionale Produktion und Wertschöpfung sind uns ein wichtiges Anliegen und ein Beitrag, den wir leisten können und wollen. Wir designen aber auch selbst Brillen, etwa für unsere Exklusivmarke FR!TZ Eyewear. Hier können wir unabhängig von Lieferant:innen entscheiden, wo und wie wir Brillen produzieren lassen: in Europa - wo immer möglich in Österreich - und mit nachhaltigen Materialien.
ESG bedeutet für uns aber auch, wie wir als Unternehmen mit Kund:innen und als Arbeitgeber mit unseren Mitarbeiter:innen umgehen. Soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit, ein respektvoller und wertschätzender Umgang auf allen Ebenen oder das Zugänglichmachen von Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Mitarbeiter:innen sind hier nur einige Beispiele, die für uns höchste Priorität haben.
LEADERSNET: Laut Berechnungen beläuft sich der Gender Pay Gap im Moment auf 12,4 Prozent. Das sind 45 Kalendertage, die Frauen rechnerisch unbezahlt arbeiten. Im Österreichschnitt ergibt das eine aktuelle Differenz von circa 5.800 Euro pro Jahr. Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern, um diese Ungerechtigkeit in Zukunft zu minimieren bzw. letztendlich zu bekämpfen?
Wutscher-Hold: Die Ursachen für den hohen Gender Pay Gap sind aus meiner Sicht vielschichtig und komplex. Hier geht es um Themen wie Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz, um ungleiche Chancen, um traditionelle Rollenbilder, die man aufbrechen muss, und vor allem auch um mangelnde Kinderbetreuungsangebote. Diese Themen beeinflussen sich gegenseitig und es bedarf großflächiger Maßnahmen auf politischer Ebene. Aber auch als einzelnes Unternehmen selbst darf man sich nicht aus der Verantwortung ziehen und kann einen Unterschied machen. Wir haben uns zum Beispiel im letzten Jahr für die Zertifizierung als familienfreundlicher Arbeitgeber entschieden, die einen umfangreichen Change Prozess in puncto der Vereinbarkeit von Beruf und Familie umfasst. Wir befürworten Väterkarenzen, bieten Führungspositionen auch in Teilzeit an, schaffen in der Dienstplanung eine möglichst große Flexibilität, bieten in der Verwaltung hybride Arbeitsmodelle an. Durch Maßnahmen wie diese geben wir Familien die Möglichkeit, Betreuungspflichten partnerschaftlich und gleichberechtigt aufzuteilen.
LEADERSNET: Welche Rolle nehmen Frauen in der Augenoptik-Branche ein und wie hat sich diese im Laufe der Jahre geändert?
Wutscher-Hold: Die Augenoptik ist mittlerweile ein weiblich dominierter Beruf. Heute sind 90 Prozent unserer Lehrlinge Frauen. Der Frauenanteil in Führungspositionen wächst auch stetig. Der Beruf an sich hat sich im Laufe der Jahre verändert, was sich sicherlich auch auf die Geschlechterverteilung ausgewirkt hat. Früher war der Beruf des Augenoptikers sehr technisch und handwerklich. Als traditioneller Fachoptiker ist uns dieser Aspekt des Berufs nach wie vor sehr wichtig, wodurch wir in allen unseren Filialen eigene Werkstätten haben. Dennoch hat sich der Schwerpunkt im Arbeitsalltag von Augenoptiker:innen auf die qualitative Beratung der Kund:innen verlagert.
LEADERSNET: Welche Karrieretipps können Sie Frauen mit auf dem Weg geben und was macht eine gute Führungskraft aus?
Wutscher-Hold: Wichtig ist, dass wir Frauen mehr Selbstvertrauen haben, präsent auftreten und klar kommunizieren, was wir können und wollen. Wir Frauen müssen uns selbst noch viel besser vermarkten, als wir es schon tun. Wir sollten uns viel mehr zutrauen, proaktiv Führungsrollen anstreben - auch nach einer Karenz - und auf Arbeitgeber:innen setzen, die dafür die passenden Strukturen geschaffen haben. Eine gute Führungskraft macht ein Zusammenspiel aus vielen verschiedenen Eigenschaften und Kompetenzen aus, wie effiziente Kommunikation, emotionale Intelligenz, die Fähigkeit Probleme und Konflikte zu lösen, strategisches Denken aber auch die Delegation von Arbeit. Gerade was das Delegieren betrifft, haben wir Frauen oft die Gewohnheit, alles selbst zu machen. Hier muss man auch ehrlich zu sich selbst sein, um ungenutzte Potenziale und persönliche Schwächen zu erkennen und sich entsprechend weiterzuentwickeln.
LEADERSNET: Wie schauen die Pläne von sehen!wutscher für 2024 und die (noch) weitere Zukunft aus?
Wutscher-Hold: Wir sind in den letzten Jahren sehr stark gewachsen und werden das auch sicher weiter tun, wenn sich attraktive Chancen auftun. So sind für 2024 schon einige Neueröffnungen geplant: am 1. März in Gmunden und demnächst auch in Wiener Neustadt und Wolfsberg. Wir fokussieren uns aber verstärkt auf qualitatives Wachstum. Dazu gehören etwa die Entwicklung bestehender Standorte, die Aus- und Weiterbildung unserer Teams, die weitere Digitalisierung unserer Arbeitsprozesse und vieles mehr. Wir betreiben ja auch Filialen mit Hörakustik-Angebot, derzeit sind es 14 Standorte dieses Geschäftsfeld wollen wir in den kommenden Jahren stark ausbauen. Und generell wollen wir unsere bereits sehr hohe Markenbekanntheit weiter steigern und sehen!wutscher zu einer echten Love Brand entwickeln.
LEADERSNET: Was kann die "CEO" und "CHRO" Wutscher-Hold von der Privatperson Wutscher-Hold lernen?
Wutscher-Hold: Ich würde sagen, die Gelassenheit und Leichtigkeit. Das geht im beruflichen Alltag oft verloren. Aber auch, Zufriedenheit und Glück in den kleinen Erfolgen zu sehen.
www.wutscher.com
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