Wasserstoff (H2) ist ein viel diskutiertes Thema. Zahlreiche Expert:innen sind sich aber sicher, dass ohne ihn, die Energiewende nicht gelingen könne. Das wurde auch im Rahmen eines Trendforums von Oesterreichs Energie zum Thema "Roadmap Wasserstoff: Eine Chance für die E-Wirtschaft" im Belvedere 21 in Wien klar, bei dem Branchenprofis über die Doppelrolle der E-Wirtschaft und die Potenziale und Hürden von Wasserstoff für die Energiebranche sprachen.
Unklare Rolle, klare Forderungen
So erklärte etwa Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, dass die Rolle, die H2 in der E-Wirtschaft spielen soll, noch unklar sei: "Die E-Wirtschaft wird vor allem als Energielieferant – und manchmal auch als künftiger Wasserstoffproduzent gesehen. Doch das greift zu kurz – um künftig in der kalten Jahreszeit eine klimaneutrale Stromversorgung zu ermöglichen, werden wir auch große Mengen Wasserstoff für unsere Gaskraftwerke brauchen."
Peter Weinelt, Generaldirektor-Stellvertreter Wiener Stadtwerke und Vizepräsident von Oesterreichs Energie, forderte mehr Proaktivität: "Für die ersten Schritte braucht es immer Mut. Aber wir stehen jetzt an einer Wegkreuzung, die entscheidet, wie das Zukunftsthema Wasserstoff in der E-Wirtschaft verankert wird. Wir müssen jetzt mit Pilotprojekten starten, wenn wir Ende des Jahrzehnts erste Meilensteine erreicht haben wollen." Wichtig sei ein sektorübergreifender Ansatz, der Strom, Gas und Wärme gleichermaßen berücksichtigt.
H2 als Speicher unabdingbar
Wie das Hochfahren der zukünftigen Anwendungsfälle für Wasserstoff in der E-Wirtschaft mit all seinen Aspekten gelingen könnte, hat sich das Beratungsunternehmen Compass Lexecon im Rahmen einer Studie angesehen. Die wichtigsten Ergebnisse präsentierte Studienautor Anton Burger im Rahmen seiner Keynote. Er betonte dabei die durchwegs günstige Startposition, in der sich Österreich mit dem hohen Anteil der Erneuerbaren an der Stromerzeugung befindet. Der weitere Ausbau der Erzeugung aus Wind und Photovoltaik (PV) werde jedoch dazu führen, dass Stromerzeugung und Stromverbrauch saisonal gegenläufig seien, so der Experte.
Demnach werde es im Sommer zeitweise deutlich zu viel Strom geben, im Winter werde es nicht möglich sein, den Bedarf rein aus diesen Quellen zu decken. Es müssten daher Wege gefunden werden, die Energiemengen, die in der warmen Jahreszeit generiert werden, zu speichern. Burger sagte: "Genau hier kann erneuerbarer Wasserstoff eingesetzt werden. In Kombination mit großen Speichern kann auf diesem Weg die Versorgungssicherheit gehalten und Flexibilität geschaffen werden. Eine sinnvolle Platzierung und Führung von Elektrolyseuren können ebenfalls zu mehr Stabilität im Energiebereich beitragen."
Fehlende Standards als größte Hürde
In der Praxis würden die Hürden derzeit bei noch offenen technischen Fragen und ungeklärten Aspekten zu Zertifizierung und Standards liegen. Weitere Herausforderungen stellen den Expert:innen zufolge das hohe Marktrisiko von Elektrolyseuren und wasserstoffbasierten Erzeugungskapazitäten dar sowie das Henne-Ei-Problem bei der Infrastrukturentwicklung – also ob zuerst in Wasserstoff investiert, oder die Infrastruktur geschaffen werden soll.
Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation & Technologie hat mit der Vorstellung der Wasserstoffstrategie bereits einen ersten Vorschlag für ein koordiniertes Vorgehen geliefert. Judith Neyer, Abteilungsleiterin Strategische Energiepolitik, erklärte: "Wir haben bei der Erstellung der Strategie besonders darauf geachtet, Maßnahmen zu identifizieren, die die gesamte Wertschöpfungskette abdecken. Wichtige Stellschrauben sehen wir darin, die Produktion und Nachfrage von erneuerbarem Wasserstoff in Österreich zu fördern und den Transport von Wasserstoff – sowohl innerhalb Österreichs als auch für den Import – zu ermöglichen."
Match wird in der Infrastruktur gewonnen
Bernhard Painz, Vorstand der Austrian Gas Grid Management AG, verwies auf die guten Bedingungen für eine geeignete Infrastruktur in Österreich: "Was das Kernnetz betrifft, sind wir weit – die technischen Gegebenheiten wie Rohre, die sich auch für den Transport von 100 Prozent Wasserstoff eignen, sind da. Jetzt müssen wir den Schritt zum Maßnahmen-Weltmeister machen. Um tatsächlich Projekte umzusetzen, brauchen wir die richtigen regulatorischen Maßnahmen und Investitionssicherheit. Mit unserer Infrastruktur ist viel möglich, um Projekte 'in den Boden' zu bringen."
Dass Wasserstoff kein Selbstzweck ist und es ein abgestimmtes Vorgehen auch mit den Nachbarländern brauche, unterstrich Kirsten Westphal, Mitglied der Hauptgeschäftsführung, Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): "Gerade, weil wir am Anfang des Hochlaufs stehen und Geschäftsmodelle noch fehlen, müssen wir realistisch auf das Thema schauen. Wasserstoff ist entscheidend für die industrielle Dekarbonisierung, eine resiliente Energietransformation und bringt Technologie- und Exportchancen. Aber alleine und isoliert schaffen wir es nicht. Ohne Importe wird es nicht gehen und dafür benötigen wir gut ausgebaute Korridore in und nach Europa."
www.oesterreichsenergie.at
Zudem empfiehlt sich ein Blick über die Grenze in die Schweiz - funktioniert dort doch seit Jahren erfolgreich das erste Wasserstoff-Ökosystem der Welt (inkl. Businessmodell): Von der grünen Produktion, zum grossflächigen Tankstellennetz, einer laufend vergrösserten H2-LKW-Flotte (da liegt der Hebel!) bis zu den grossen Unternehmensplayern, die diese LKWs bereits erfolgreich und begeistert nützen. Zudem wurden mobile wasserstoffbetriebene Schnell-Ladestationen für batterie-elektrische Fahrzeuge entwickelt und gebaut, deren Einsatz in Zukunft bahnbrechend wird.
Muss in Österreich immer alles mit grossem Aufwand (und grossen Förderungen!) neu erfunden werden wenn es bereits erfolgreiche Projekte gibt?? Kooperation statt kleinstaatlicher Wettbewerb würde hier gut anstehen!
In der Schweiz wurde dieses Ökosystem sogar OHNE öffentliche Förderungen, daher selbst/privat finanziert umgesetzt (siehe www.h2energy.ch). DAS nenn ich mal echtes Unternehmertum!!
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