Am 20. November wurde im Haus der Industrie die Ordentliche Vollversammlung der Industriellenvereinigung (IV) Wien abgehalten. 200 Gäste folgten der Einladung und wurden keinesfalls enttäuscht. Neben einer Diskussion mit dem Finanzminister fand vor allem die Eröffnungsrede von IV-Wien-Präsident Christian C. Pochtler großen Anklang. Dieser brachte einige zentrale Themen und Herausforderungen, mit denen die heimische Wirtschaft aktuell zu kämpfen hat, auf den Punkt.
Laut Pochtler stehe Österreich vor einer Weggabelung. Man müsse sich auf die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft rückbesinnen, denn nur so könne es Wohlstand für alle mit sozialer Absicherung geben. Dazu gehöre dem IV-Wien-Präsidenten zufolge auch die Übernahme von Verantwortung für ein freibestimmtes Leben. "Oder erliegen wir den Verlockungen eines vollkommen weltfremden, sozialromantischen Populismus? Viele rufen nach dem Vollkasko-, dem Nanny-Staat", so Pochtler in seiner viel beachteten Eröffnungsrede.
Vollkasko-Staat als Albtraum für nächste Generation
In dieser Tonalität ging es auch weiter. Pochtler monierte, dass bei derartigen Ansichten bzw. Forderungen vergessen werde, dass man den Kuchen, den man verteilen wolle, zuerst einmal erwirtschaften müsse. "Der Vollkasko-Staat, von dem viele träumen, würde sich spätestens für die nächste Generation als Albtraum offenbaren, sobald nämlich Schuldenlast und verlorene Wettbewerbsfähigkeit die Spirale nach unten in Job- und Wohlstandsverlust endgültig und unwiderruflich in Gang bringen", führte der Präsident weiter aus. Bereits jetzt seien in Österreich die Belastungen durch Steuern und Abgaben viel zu hoch, eine nächste Bundesregierung müsse sich zum Ziel setzen, die Abgabenquote von derzeit über 43 Prozent auf deutlich unter 40 Prozent zu drücken.
In Kombination mit der sinkenden Wettbewerbsfähigkeit, deutlich zu hohen Lohnstückkosten sowie der teilweise leistungsfeindlichen Ausgestaltung unseres Steuer-, Abgaben- und Sozialsystems werde dies zu einem zunehmenden Problem für den Industriestandort Österreich. Hier müsse man dringend gegensteuern, und gerade jetzt brauche man sicher "keine zusätzlichen Steuerfantasien, wie Vermögens- und Erbschaftssteuern", so Pochtler, denn ansonsten werde es nicht gelingen, "die schleichende Deindustrialisierung in Österreich, die bereits begonnen hat, zu beenden". Die derzeit, mit Blick auf den Standort, falsche Prioritätensetzung sehe man auch am Budget. Der Präsident dazu: "Zählt man den Zinsendienst sowie die stets steigenden Pensionskosten zusammen, dann geben wir bald über 40 Prozent der gesamten Einnahmen des Staates nur für die Vergangenheit aus – dabei bräuchten wir viel mehr Spielraum für Investitionen in die Zukunft."
Finanzminister schlägt in selbe Kerbe
Ein weiterer Programmpunkt der Ordentlichen Hauptversammlung der IV Wien war eine von Corinna Milborn moderierte Diskussion mit dem Ehrengast Magnus Brunner über die soziale Marktwirtschaft, weit verbreitetes Anspruchsdenken sowie den fehlenden Leistungsgedanken. "Muss der Staat alle Krisen kompensieren? Nein, das kann er nicht, das ist auch nicht die Aufgabe des Staates", betonte der Finanzminister. Seit Corona habe sich ein gewisses Anspruchsdenken breitgemacht, es sei wichtig, wieder auf einen Pfad zurückzukehren, wo man mit Steuergeld sorgsamer umgehe. Immer nur mehr fordern sei zu wenig, betonte Brunner etwa mit Blick auf die Verhandlungen zum Finanzausgleich mit den Bundesländern, bei denen es letztendlich doch noch zu einem für beide Seiten annehmbaren Kompromiss kam.
Ziel der Regierung sei es, strukturelle Reformanstrengungen einzufordern und die Wettbewerbsfähigkeit wieder zu stärken, aber keineswegs nur in Europa: Man dürfe hier nicht zu sehr in nationalen Dimensionen denken, so der Finanzminister, denn "wir brauchen innerhalb Europas sicher keinen Subventionswettlauf. Unsere wahren Konkurrenten sitzen in China oder auch den USA, nicht in Bayern oder Nordrhein-Westfalen." In Österreich müsse man aber in jedem Fall, und hier waren sich Christian C. Pochtler und Magnus Brunner einig, wieder mehr machen, um Leistung auch entsprechend zu honorieren. Hier sei im Rahmen der Abschaffung der kalten Progression bereits einiges gelungen, so der IV-Wien-Präsident, denn "die Menschen sollen mehr von dem Geld, das sie mit ihrer Arbeit erwirtschaftet haben, in der eigenen Tasche spüren."
Alles in allem war die Ordentliche Vollversammlung ein gelungener Abend, von dem die Gäste viel mitnehmen konnten. Eindrücke der Veranstaltung sehen Sie im LEADERSNET.tv-Video und in unserer Galerie.
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