"Wir müssen uns endlich von der Nostalgie einer unberührten Natur verabschieden"

| Tobias Seifried 
| 23.11.2023

Leonhard Schitter, CEO der Energie AG, spricht im LEADERSNET-Interview u.a. über eine Milliardeninvestition in Erneuerbare und Netze, die Bedeutung von Speichermöglichkeiten und grünem Wasserstoff für eine fossilfreie Zukunft, die Kritik an hohen Energiepreisen sowie Hochspannungsleitungen und Windräder als neue Symbole für Wohlstand.  

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Schitter, Österreich befindet sich in der größten Energiewende seiner Geschichte. Bis 2030 soll unser Land Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien beziehen. Kann dieses ambitionierte Ziel gelingen?

Leonhard Schitter: Wir leben in einer Zeit multipler Krisen. Uns beschäftigen der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine, die allgemeine Teuerung und die Inflation, Engpässe in Lieferketten und der demografische Wandel mit dem damit verbundenen Arbeitskräftemangel sehr. Die Verbrennung fossiler Brennstoffe sowie die Freisetzung von CO2 befeuert den aktuellen Klimawandel. Da gilt es jetzt massiv gegenzusteuern, um eine Klimakatastrophe abzuwenden. Als Energie AG treiben wir daher den Ausbau erneuerbarer Energiequellen und der Netze konsequent voran. Um die global beschlossenen Klimaziele zu erreichen, muss das Tempo jedoch deutlich erhöht werden. Dazu braucht es einen breiten Schulterschluss von Politik, Wirtschaft und Bevölkerung. Die Energiewende kann nur gemeinsam gelingen.

LEADERSNET: Kurz nach Ihrer Bestellung als CEO der Energie AG haben Sie angekündigt, dass das Unternehmen in den kommenden Jahren zwei Milliarden Euro in den Ausbau Erneuerbarer und der Netze investieren will. Was sind dabei die größten Projekte?

Schitter: Für uns ist beispielsweise das Pumpspeicherkraftwerk Ebensee eine wichtige Investition in eine fossilfreie Zukunft. Kommt es im September zu einem Baubeschluss durch den Aufsichtsrat, wäre dies die größte Einzelinvestition in der Geschichte der Energie AG. So könnten wir beispielsweise jenen Strom, der zu Mittag mit PV-Anlagen produziert wird, speichern und am Abend bereitstellen – und so mehr Flexibilität für unsere Kund:innen schaffen. Ein Schwerpunkt liegt im Ausbau der Erzeugungsmöglichkeiten bei Wasser, Wind und Sonne sowie im Ausbau der Netzinfrastruktur. Darüber hinaus werden wir die Wärmewende u.a. durch die Elektrifizierung und den Einsatz von Biomasse aktiv vorantreiben.

LEADERSNET: Wie lange wird es Ihrer Meinung nach dauern, bis sich diese Investitionen refinanzieren?

Schitter: Das ist eine große Herausforderung, vor der wir als Energie AG stehen. Zum einen haben wir natürlich eine gesellschaftliche Verantwortung. Wir wollen unseren Planeten lebenswert an die nächsten Generationen übergeben und nachhaltige, fossilfreie Projekte realisieren. Zum anderen haben wir gleichzeitig aber auch eine wirtschaftliche Verantwortung. Unsere Projekte müssen also auch wirtschaftlich betrachtet sinnvoll sein. Das große Ziel der Klimaneutralität und langfristig wirtschaftliche Erfolge müssen unter einen Hut gebracht werden.

LEADERSNET: Beim Ausbau erneuerbarer Energien gibt es häufig Widerstand aus der Bevölkerung. So wollen viele Bürger:innen kein Windrad oder keine Starkstromleitung in der Nähe haben. Wie kann hier die Akzeptanz erhöht werden?

Schitter: Wir müssen uns endlich von der Nostalgie einer unberührten Natur verabschieden. Die Erzeugungsanlagen sowie die Netze werden sichtbar sein. Meine Familie und ich sind selbst davon betroffen. Wir haben von unserem Haus aus einen sehr schönen Blick auf den Salzburger Heuberg, der lange Zeit unverstellt war. Dann wurde die sogenannte Salzburg Leitung gebaut. Die Trasse dieser 380 kV-Hochspannungsleitung wird über den Heuberg geführt. Der Blick, den wir vorher hatten, ist dadurch verändert. Hat mich das gefreut? Ehrliche Antwort: Selbstverständlich nicht. Aber diese Leitung steht für mich für die Zukunftstauglichkeit unserer Energiewirtschaft und unserer gesamten Volkswirtschaft. Für mich steht sie somit klar für Wohlstand sowie Nachhaltigkeit und Sicherheit, verstanden als Unabhängigkeit. So gesehen, stören uns die 80 Meter hohen Masten nicht und sie haben sich mittlerweile für uns in das Erscheinungsbild eingegliedert. Ich sehe sie als Symbol des technischen Fortschritts und damit auch als Ansammlung von Wohlstand. Gleiches gilt für Windräder. Auch diese sind sichtbar, machen uns aber auch unabhängig.

LEADERSNET: Zuletzt standen bzw. stehen viele Energieversorger aufgrund von Preissteigerungen in der Kritik. Der Vorwurf lautet, dass sich die Unternehmen ein Körberlgeld auf Kosten der Kund:innen dazu verdienen würden. Wie gehen Sie als Chef der Energie AG mit derartigen Vorwürfen um? Gibt es Entlastungspakete? Neben Privathaushalten leiden auch zahlreiche Betriebe unter den hohen Energiekosten.

Schitter: Hinter jedem Produkt steht eine Leistung. Die Energie AG ist bemüht, ihre Kund:innen mit leistbarer Energie zur versorgen. Für unsere Haushalts- und Gewerbekund:innen beschaffen wir rollierend, das heißt in mehreren Tranchen über einen längeren Zeitraum. So versuchen wir, Preisspitzen zu glätten. Das bedeutet aber auch, dass wir steigende oder sinkende Preise nicht tagesaktuell weitergeben. Daher konnten wir den Preis unsere Bestandskund:innen bis zum Jahresbeginn wie versprochen stabil halten, danach mussten auch wir die Preise anpassen. Immer wenn das möglich ist, senken wir die Preise und geben Vorteile weiter. Dieses Versprechen haben wir mit 1. Juni 2023 eingelöst – bei Strom um ein Viertel und bei Gas profitieren unsere Kund:innen von einem Rabatt von 20 Prozent. Zusätzlich haben wir als Energie AG für unsere Kund:innen Einmalzahlungen vorgenommen. Je nach Verbrauchsmenge wurden 25, 50 oder 100 Euro direkt aufs Konto überwiesen. Weitere Entlastungs- und Vorteilspakete wurden für Gewerbe und Landwirtschaft geschnürt (bis zu 50 Gratisstromtage) sowie für Kund:innen mit Nachtspeicherheizungen oder mit Wärmepumpen (Prämie in Höhe von 500 Euro).

LEADERSNET: Unlängst kam es in einer oberösterreichischen Gemeinde zu einem Stromausfall, weil Privatnutzer:innen von PV-Anlagen zu viel Strom ins Netz gespeist haben. Kann man sich gegen derartige Vorfälle überhaupt rüsten, oder funktioniert das rein auf Vertrauensbasis?

Schitter: Hier gibt es klare Regeln, an die man sich halten muss. Im angesprochenen Fall schließt eine Privatperson einen Vertrag mit der Netzgesellschaft. In dem ist auch festgehalten, wie viel Strom er oder sie in das Netz einspeisen darf. An diese Vereinbarung müssen sich beide Seiten halten, ansonsten würde das System von selbst kollabieren. Nur so kann eine sichere Netzversorgung aufrechterhalten werden. Leider ist das nicht in allen Fällen so. Im Extremfall kann es dazu führen, dass es wie in diesem Fall zu einer Netzüberlastung kommt, die zum Nachteil anderer geschieht. Es braucht daher gegenseitiges Verständnis füreinander.

LEADERSNET: Wie steht die Energie AG eigentlich zu grünem Wasserstoff? Spielt diese Energieform in der (langfristigen) Planung eine Rolle? Vor allem "stromhungrige" Industriebetriebe wie etwa die voestalpine sehen darin eine Chance, um ihren CO2-Fußabdruck deutlich zu verbessern und auch ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Schitter: Grüner Wasserstoff ist für die Energie AG ein wichtiges Zukunftsthema und ein wesentlicher Bestandteil für eine erneuerbare Energiezukunft. Die Anwendbarkeit wird in vier Pilotprojekten für Industrie und Gewerbe erprobt. Da geht es darum, wie wir grünen Wasserstoff selbst in Form von Elektrolyse erzeugen oder wie wir ihn zu den Kunden transportieren und dort die Verwendung ermöglichen. Das bedeutet den Bau neuer Infrastruktur sowie die Beimischung von Wasserstoff als grünes Gas in die bestehenden Leitungen. Ein weiterer Punkt ist der Einsatz von grünem Wasserstoff

in Kraftwerken zur Stromerzeugung. Es geht aber auch um die Absicherung. Hier setzt die Energie AG auf Verträge bzw. die Belieferung von Wasserstoff durch Dritte, damit wir eine Versorgungssicherheit sukzessive auf- und ausbauen können. Wir sagen aber auch ganz klar, dass wir hier erst am Anfang stehen. Daher setzen wir auf Partnerschaften, wie zum Beispiel mit der RAG, die sich in Gampern mit der Speicherung von Wasserstoff beschäftigt. Wasserstoff wird uns in vielen Bereichen helfen, klimaneutral zu werden.

www.energieag.at

gburmb@gmail.com
Auf der GOP 28 wurde von 23 Staaten eine Verdreifachung der Kernnergie bis 2025 gefordert. Das würde bedeuten etwa 29% der Stromerzeugung CO2-frei. Für Österreich gemäß unseres Bundeskanzler kein Thema. Tschechien will drei weitere Reaktoren bauen, die Schweiz ihre Flotte vergrößern, Slowenien verdoppeln, Schweden verzehnfachen, falls das nicht eine Falschmeldung ist, denn andernorts wurde von 10 zusätzlichen Kernkraftwerken gesprochen. Ungarn und Slowakei wollen ebenfalls diie Erzeugung von Kernstrom vergrößern.
In Deutschland ist eine Wende in der Meinung zu Kernenergie zu beobachten, ebenso in Italien. Wir werden umgeben sein von Kernkraftwerken. Wenn erneuerbare Energie soviel billiger ist als Kernenrgie, dann erhebt sich die Frage warun sie die teurere Stromerzeugung wählen. In Österreich wird Kernnergie von keinen Stromlieferanten angesprochen. Warum?
Mahrer stellte im Kurrier fest: "Wir wollen keine Atomkraft in Österreich, also brauchen wir ein neues Leitungsnetz für die Energiewende". Die impliziete Aussage ist, hätten wir Atomkraft könnten wir uns denn Ausbau der Netze ersparen.
Weitere Fragen: warum ist in Schweden, Frankreich etc. Der Strom preiswerter als bei uns und ganz besonders in Deutschland?
Dr.Gerhard Kirchner

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