Anhaltende Lieferschwierigkeiten, der Zinsanstieg und die Verunsicherung durch die Diskussion um Energievorgaben führen zu einer anhaltenden Flaute in den Auftragsbüchern der Bauwirtschaft. In einer aktuellen Studie (Siehe Infobox) der Unternehmensberatung Horváth unter Vorständen großer Bauunternehmen heißt es, dass diese das laufende Jahr 2023 im Durchschnitt mit nur vier Prozent Umsatzwachstum abschließen werden. Das ist nur halb so viel wie der prognostizierte Wachstumsdurchschnitt über alle Branchen (8,1 Prozent).
Große Herausforderungen
Für rund 70 Prozent der Unternehmen stellen Preissteigerungen bei Personal und Material noch immer ein großes Problem dar. Dabei zeigt sich, dass die Befragten auch für das nächste Jahr nur wenig optimistischer sind.
"Selbst bei einer Umsatzsteigerung von prognostizierten 5,5 Prozent im nächsten Jahr kann von einer Aufholjagd keine Rede sein, denn inflationsbereinigt gibt es kein reales Wachstum mehr", sagt Ralf Sauter, Partner bei Horváth und fügt hinzu: "Zudem hängt die Geschäftsentwicklung in der Bauwirtschaft massiv vom Investitionsklima ab, das nicht nur von der reinen Zins- und Preisentwicklung beeinflusst wird, sondern auch sehr stark von psychologischen Faktoren, wie der Sorge um fallende Immobilienpreise oder der Verunsicherung durch die Diskussion um verschärfte Energiepläne. Viele Bauherren verhalten sich derzeit abwartend, verschieben Investitionen oder stellen sie ganz in Frage - was wiederum andere Marktteilnehmer verunsichert. In gewisser Weise eine sich selbst erfüllende Prophezeiung."
Liquiditätssicherung als wichtigste Aufgabe
Deswegen verwundert es nicht, dass die Sicherung der Liquidität bei den Bauunternehmen an erster Stelle der Management-Prioritäten steht. 70 Prozent der befragten Unternehmen messen dem Thema eine sehr hohe Bedeutung zu. Wenn man jedoch neben der Baubranche die weiteren befragten Industrien mit einbezieht, steht das Thema nur auf Platz sechs der Management-Agenda. Entsprechend wichtig wird im Bau auch die Optimierung von Kosten- und Profitstrukturen bewertet. Für 52 Prozent ist dieses Thema "sehr wichtig".
Kaum Spielraum für Transformationen
Die zurückgehende Profitabilität hält die Branche von wichtigen und dringenden Transformationen ab. So seien laut der Studie Strategien und Innovationen im Kontext nachhaltiger Materialien auf der To-do-Liste nach unten gerückt. Auch Digitalisierungsprojekte haben an Wichtigkeit verloren. Der Nachhaltigkeitsaspekt "Kreislaufwirtschaft & Energieeffizienz" sei jedoch stärker in den Mittelpunkt gerückt. Mit Verbesserungen in diesem Bereich seien demnach spürbare Einsparungen und damit eine Kostenoptimierung möglich.
"Für den Moment reicht es den Unternehmen, auf Ressourceneinsparung zu setzen. Das ist in dieser Lage auch verständlich und zahlt letztlich auch in Nachhaltigkeit ein", so Horváth-Experte Ralf Sauter. Langfristig kommen die Firmen Sauter zufolge aber nicht daran vorbei, Nachhaltigkeit auch strategisch anzugehen.
Weitere Problemfelder
Der durch die Einsparungen gewonnene Spielraum wird zu großen Teilen wieder in die Lösung weiterer Herausforderungen reinvestiert. Der Studie zufolge ist inzwischen jedes fünfte Bauunternehmen jährlich mindestens einmal Opfer einer Cyberattacke mit schädlichen Folgen geworden – Investitionen in Cyber Security von Abwehr bis Resilienz sind also unerlässlich.
Neben dem Material, verteuern sich außerdem verstärkt die Arbeitskosten. Von fast sechsprozentigen Kostensteigerungen für Personal gehen die Befragten für 2023 aus – und 82 Prozent geben an, selbst in dieser mauen Auftragslage den Arbeitskräftemangel stark spüren. "Höhere Löhne allein reichen nicht aus, um die nötigen Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Auch in 'Blue Collar'-Jobs wie dem Handwerk wachsen die Ansprüche an eine flexiblere Ausgestaltung der Arbeit – und diese Umstrukturierungen kosten Kapazitäten", so Sauter abschließend.
www.horvath-partners.com
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