Österreicher laut Umfrage klar für Regulierung der "Neuen Gentechnik"

| Redaktion 
| 05.07.2023

Umweltministerin Leonore Gewessler und Rainer Will vom Handelsverband Österreich sprechen sich gegen den Entwurf der EU-Kommision aus. Österreichs Forschungsinstitutionen pochen auf eine weniger "ideologisch geführte Debatte". 

Am Mittwoch hat die EU-Kommission das "Food and Biodiversity Package" vorgelegt, das u. a. die neue "EU-Saatgut-Verordnung" und einen Gesetzesvorschlag zur Deregulierung der "Neuen Gentechnik" enthält.

Einteilung in zwei Kategorien

Der Vorschlag zur sogenannten "Neuen Gentechnik" soll die aktuell geltenden strengen Regeln für die Prüfung und Kennzeichnung deutlich aufweichen. Für Konsument:innen wäre es somit nicht mehr ersichtlich, ob ein Endprodukt gentechnisch verändert wurde oder gentechnisch veränderte Bestandteile (z.B. gentechnisch veränderter Mais, Maisstärke) enthält. Gemäß dem Vorschlag der Kommission sollen Produkte der "Neuen Gentechnik" nunmehr in zwei Kategorien eingeteilt werden: Kategorie eins umfasst alle Pflanzen und Produkte, die bestimmten Kriterien entsprechen und nach Auffassung der Kommission auch durch herkömmliche Methoden der konventionellen Züchtung entstehen könnten, Kategorie zwei alle anderen Pflanzen und Produkte, die mittels "Neuer Gentechnik" hergestellt wurden. Während die Kategorie zwei weiterhin unter die GVO-Gesetzgebung fällt, wenn auch mit reduzierten Auflagen was Sicherheitsbewertung und Nachweismethoden betrifft, soll es für die Kategorie eins (auch NGT1 genannt) massive Änderungen in der Zulassung und Kennzeichnungspflicht geben.

Laute Kritik

Der Vorschlag sieht keine Kennzeichnung für NGT1 Produkte der "Neuen Gentechnik" mehr vor. Dadurch kommt es zu deutlichen Transparenzverlusten im Lebensmittelhandel, für Produzent:innen, Handel und Kund:innen, denn es ist dann nicht mehr ersichtlich, ob es sich um ein NGT1-Produkt handelt. Somit wird auch das Recht auf Wahlfreiheit der Konsument:innen aber auch für Produzent:innen abgeschafft, so der Tenor der Kritiker:innen.

"Wir haben uns in Österreich als Vorreiter der Bio- und gentechnikfreien Landwirtschaft positioniert. Strenge Regelungen auch für die sogenannte 'Neue Gentechnik' sind gemeinsame Regierungsposition. Der Vorschlag der Kommission ist eine Gefahr für den österreichischen Weg der Landwirtschaft, und nimmt Konsument:innen auch ihre Wahlfreiheit", sind sich Umweltministerin Leonore Gewessler, Konsument:innenschutzminister Johannes Rauch und Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig einig.

Auch der heimische Handel schlägt in die gleiche Kerbe. "Die Gesundheit der Konsument:innen hat für den heimischen Handel oberste Priorität. Daher sprechen wir uns ebenso wie Umweltministerin Leonore Gewessler und die klare Mehrheit der österreichischen Bevölkerung für die Einhaltung des Vorsorgeprinzips aus. Gerade bei neuen Produktionsverfahren muss sichergestellt sein, dass keine Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt besteht", sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Kritik kommt auch von NGOs und gemeinnützigen Vereinen wie der Arche Noah. "Wir sind bestürzt über diesen Angriff auf unser Saatgut und die Kulturpflanzenvielfalt in Europa", sagt Magdalena Prieler, politische Referentin für die Arche Noah in Brüssel und fügt hinzu: "Mit diesen Vorschlägen laufen wir Gefahr, dass globale Konzerne die vollständige Kontrolle über unsere Ernährung erlangen. Die Agrar-Minister:innen und das EU-Parlament müssen jetzt umlenken."

Wissenschaft gegen "Ideologiedebatte"

Vor einigen Tagen meldeten sich die Österreichischen Forschungsinstitutionen zu Wort. In einem offenen Brief sprachen sie sich für eine weniger "ideologisch geführte Debatte" aus. Demnach solle die "Neue Gentechnik" "vorurteilsfrei", aufgeschlossen und auf Basis von wissenschaftlicher Evidenz" bewertet werden. Die Argumentation im offenen Brief, der u.a. vom Präsidenten der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Heinz Faßmann, vom Chef des Wissenschaftsfonds FWF, Christof Gattringe und dem Präsidenten des Institute of Science and Technology Austria (ISTA), Martin Hetzer, unterzeichnet wurde, folgt auch der Kommissionsentwurf, demzufolge beispielsweise Verfahren wie die CRISPR/Cas-Genschere keinen EU-Gentechnikregeln unterliegen würden, wenn die so entwickelten Sorten auch durch Verfahren wie Kreuzung oder Auslese hätten entstehen können.

Österreicher:innen für Regulierung

Wie die österreichischen Verbraucher:innen zu diesen Plänen der EU-Kommission stehen, hat Mindtake Research im Auftrag des Handelsverbandes und der Umweltschutzorganisation Global 2000 bereits im August 2022 erhoben. 92 Prozent der Österreicher:innen wollen, dass Lebensmittel, Futtermittel und Saatgut aus der "Neuen Gentechnik" weiterhin genauso streng kontrolliert und auf gesundheitliche und ökologische Risiken geprüft werden, wie Produkte aus der "Alten Gentechnik". 94 Prozent sind der Meinung, Produkte aus der "Neuen Gentechnik" sollten auch weiterhin direkt am Artikel als "gentechnisch verändert" gekennzeichnet werden müssen und 70 Prozent der Bevölkerung sprechen sich gegen eine einfachere und schnellere Zulassung von Lebensmitteln, Saatgut und Futtermitteln aus der "Neuen Gentechnik" aus.

www.handelsverband.at

www.bmk.gv.at

www.commission.europa.eu

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