Die Compliance-Branche steht vor einer Herausforderung: Die wachsende Regulierung im Bereich ESG - Environmental, Social and Governance - birgt sowohl Risiken als auch Chancen. Das 41. Compliance Netzwerktreffen bot der Compliance Community ein Forum, sich über die relevantesten Fragen in diesem Bereich auszutauschen.
Rund 100 Gäste
Der Einladung des LexisNexis Compliance Netzwerks sowie der Netzwerkpartner PwC und Targens folgten rund 100 Gäste. Nach der Begrüßung durch Matthias Denning von Targens und Christian Kurz, Director Forensic Technology Solutions bei PwC, startete die Veranstaltung mit einer Präsentation von WU-Professorin Katrin Hummel.
Effekte der ESG-Berichterstattung auf Unternehmen
"Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bringt eine deutliche Verschärfung der Berichtspflichten. Es geht dem Gesetzgeber darum, eine Verhaltensänderung der Unternehmen zu erreichen", sagt Hummel. Die Professorin nahm mit ihrem Team die realen Effekte der ESG-Regulierung auf österreichische Unternehmen am Beispiel der EU-Taxonomie unter die Lupe. Zu diesem Zweck analysierte man die Nachhaltigkeitsberichterstattung von 39 großen österreichischen Betrieben. Ergänzt wurde die Auswertung durch 19 qualitative Interviews mit Vertreter:innen aus den Stakeholdergruppen Wirtschaftsprüfung, NGOs, Nicht-Finanzunternehmen und Finanzunternehmen. Laut der Studie gehört zu den Auswirkungen der gesetzlichen Offenlegungspflichten, dass sie in den Unternehmen einen Strategieprozess anstoßen.
"Es wurde eine Art Wettbewerbsgedanke in Bezug auf Nachhaltigkeit implementiert, ein 'Race to the Top'. Die Umgestaltung der Geschäftsmodelle hat bereits begonnen, aber zusätzlicher Druck wird als notwendig erachtet, um die Entwicklung zu beschleunigen", so die Professorin.
Hochkarätige Podiumsdiskussion
Im Anschluss an die Ausführungen und die Vorstellung der Studie vertiefte in der anschließenden Podiumsdiskussion ein Expertenpanel aus den Bereichen Compliance, Beratung und Interessenvertretung die relevanten Fragestellungen. Mit dabei waren Henning Michaelsen, Head of Compliance, Aurubis AG, der virtuell zugeschaltet wurde, Laura Sophie Sanjath, Abteilung für Rechtspolitik, WKO, Bernhard Schatz, Senior Manager, PwC, Angelika Stampfel, Global Environmental Manager, Lenzing AG. Die Moderation übernahm Patrick Göschl, Senior Manager, PwC Forensics Services.
"Ein echter Gamechanger"
"Wir lernen sehr viel in den Projekten mit unseren Kund:innen. Der Interpretationsaufwand ist nicht zu leugnen. Jedes Unternehmen muss eine eigene Strategie finden, wie es mit dem Thema umgeht." Der Gesetzgeber nimmt laut Schatz offenbar in Kauf, dass unterschiedliche Sichtweisen erst in den nächsten Jahren ausjudiziert werden. Einige Unternehmen, die bereits länger berichtspflichtig sind, verstünden ESG-Reporting aber bereits als Differenziator im Geschäftsfeld. "Am Beispiel Energieeffizienz sieht man: Nachhaltigkeit ist auch Business. Die Schwierigkeit besteht darin, Informationen aus hunderten Datenpunkten in die Geschäftspraxis zu übersetzen", so Bernhard Schatz.
WKO-Juristin Laura Sophie Sanjath sieht die vielfältigen Gesetzesinitiativen aus Brüssel nicht nur positiv: "Nachhaltigkeit ist eine Querschnittsmaterie, die sich in vielen Rechtsmaterien wiederfindet: Entwaldungsverordnung, Zwangsarbeit, Green Claims, Right to Repair. Die Frage ist, wie diese Themen ineinandergreifen. Die Rechtsakte in Handlungsanweisungen zu übersetzen, stellt für Unternehmen eine große Herausforderung dar. Das System als Ganzes ist nicht kohärent, eher noch ein Dschungel an Regulierung. Obwohl die Gesetze vorwiegend auf größere Unternehmen zugeschnitten seien, würden auch KMU indirekt in Pflicht genommen", so Sanjath.
Ihr Rat dazu, sich frühzeitig mit Nachhaltigkeitsberichterstattung zu befassen: "Es geht ganz massiv um Datenmanagement. Meine Hoffnung ist, dass es durch neue KI-Tools und Blockchaintechnologie zu Effizienzsteigerungen kommt und praktikable Lösungen gefunden werden", sagt die WKO-Expertin.
Henning Michaelsen brachte die Sichtweise der Compliance in die Diskussion ein. Den Compliance-Beauftragten des Hamburger Kupferherstellers Aurubis beschäftigt vor allem das Anfang 2023 in Kraft getretene deutsche Lieferkettengesetz. Dazu stimme sich die Compliance regelmäßig mit der Nachhaltigkeitsabteilung ab. Noch gebe es viele Rechtsunsicherheiten. "Drei Rechtsanwälte haben zur selben Frage drei verschiedene Meinungen." Auch in Bezug auf den internen Ressourcenaufwand sei das Thema nicht zu unterschätzten: "Es ist ein echter Gamechanger, jedes Unternehmen sollte darauf achten, dass es personell gut aufgestellt ist", so Michaelsen.
Im Anschluss an die Podiumsdiskussion gab es die Gelegenheit für Networking.
LEADERSNET war bei der Veranstaltung. Einen Eindruck können Sie sich hier machen.
www.lexisnexis.at
www.pwc.at
www.targens.de
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