Mit seiner Aussage "Österreich ist ein Autoland" hat Bundeskanzler Karl Nehammer unlängst bei seinem Koalitionspartner für Kopfschütteln gesorgt. Und auch bei vielen Bürger:innen stieß der ÖVP-Parteiobmann damit auf Unverständnis. Doch nun zeigt eine aktuelle Analyse, dass Nehammer mit seiner Formulierung - wirtschaftlich betrachtet - ziemlich richtig liegen dürfte.
Am Dienstag haben die österreichischen Automobilimporteure in einer Pressekonferenz in Wien gemeinsam mit dem Economica Institut für Wirtschaftsforschung die Neuauflage der Studie "Leitbranche Automobilwirtschaft – Volkswirtschaftliche Leistung und innovative Dynamik" präsentiert, die gemeinsam mit dem Fachverband Fahrzeugindustrie, dem Bundesgremium Fahrzeughandel sowie der Bundesinnung der Fahrzeugtechnik in Auftrag gegeben wurde, präsentiert. LEADERSNET war im Haus der Industrie dabei.
Bedeutender Wirtschaftsfaktor
Laut diesen Ergebnissen dürfe Österreich zurecht als Autoland bezeichnet werden und man dürfe auch darauf stolz sein, sagte Günther Kerle, Sprecher der österreichischen Automobilimporteure. Mehr als 350.000 (direkt und indirekt) Beschäftigte rund ums Auto würden zeigen, wie wichtig dieser Sektor für den Wirtschaftsstandort in Österreich sei, so Kerle.
Untermauert wurden seine Angaben mit Zahlen von Christian Helmenstein vom Economica Institut. Dieser betonte, dass die österreichische Automobilwirtschaft für 18 Milliarden Euro direkt bzw. 30 Milliarden Euro totale Bruttowertschöpfung stehe und ihr Beitrag zur Bruttowertschöpfung in Österreich bei 8,4 Prozent total liege. Zum Vergleich: Im Sektor Beherbergung & Gastronomie liege sie "nur" bei 18,9 Milliarden Euro. Dennoch gilt Österreich unbestritten als Urlaubs- und Tourismusland.
Laut Helmenstein seien 354.000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt auf die Automobilwirtschaft rückführbar, der fiskalische Beitrag liege bei mehr als 23 Milliarden Euro. Der jährliche Steuer- und Abgabenbereich des Straßenverkehrs würde alle anderen Bereiche deutlich in den Schatten Stellen. Er sei sieben Mal höher als jener der Tabaksteuer (1,89 Milliarden Euro) und sogar 52 Mal so hoch wie jener der Fremdneverkehrsabgabe (261 Millionen Euro). Diesen Zahlen zufolge ist die Bezeichnung "Der Autofahrer als Melkkuh der Nation" also durchaus treffend.
Forderungen
"Österreich muss dem gerecht werden und die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Die Automobilindustrie befindet sich in einer Transformationsphase. Wichtig sind dabei eine technologieoffene Forschung und Entwicklung, um Innovationen sicherzustellen und den Standort zu stärken. Alle Hersteller setzen auf elektrifizierte Antriebe und bringen immer mehr Zero Emissionen-Fahrzeuge auf die Straße, um die strengen CO2-Vorgaben der EU zu erfüllen", betonte Kerle. Es dürfe aber nicht auf andere alternative Antriebsformen wie z. B. Wasserstoff oder eben auch E-Fuels für den Fahrzeugbestand vergessen werden.
Kritik gab es einmal mehr am heurigen Aus der Elektroauto-Kaufprämie für Unternehmen. Schließlich werden reine Stromer nach wie vor allem von Firmen und Institutionen gekauft – ihr Anteil liegt bei rund 75 Prozent. Positiv hob der Sprecher der österreichischen Automobilimporteure hervor, dass die Kauprämie für Privatkund:innen nach wie vor läuft. Er zeigte sich auch zuversichtlich, dass sie 2024 fortgesetzt werden wird.
Wichtig sei laut Kerle, dass alle Fördermaßnahmen und Incentives zur Stärkung der Elektromobilität insbesondere im steuerlichen Bereich und beim Ankauf erhalten bleiben und nach Möglichkeit auch vereinfacht werden, um die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass Elektromobilität die Kund:innen erreiche. Generell sei Österreich hinter Belgien das zweitteuerste Land in Europa in Bezug auf die Besteuerung von Pkw, der eigene Pkw sei in Österreich schon ein Luxusgut geworden.
Marktprognose für 2023
Da es im Vorjahr extrem lange Lieferzeiten gab, hat sich der Neuwagenmarkt in den ersten Monaten 2023 überraschend positiv entwickelt. Das liege jedoch vor allem daran, dass nun die bereits im Vorjahr verkauften Autos zu den Kund:innen kommen und somit in der heurigen Neuzulassungsstatistik aufscheinen. Bei den Händler:innen seien hingegen bereits starke Rückgänge bei den Verkaufseingängen spürbar. Auch bei den E-Autos sei die Nachfrage gedämpft. Das würde u.a. an aktuellen Gegebenheiten liegen wie hohe Inflation, gestiegene Preise, hohe Stromkosten oder Mangel und Preisintransparenz an E-Ladestationen.
In diesem Jahr rechnen die Automobilimporteure mit 235.000 bis 240.000 Neuzulassungen, der E-Auto Marktanteil dürfte auf 17 bis 18 Prozent steigen. Gegenüber 2022 würde das zwar ein Plus von rund 20 Prozent bedeuten, doch so wenige neue Autos wie im Vorjahr wurden hierzulande zuletzt vor über 45 Jahren verkauft. Insgesamt würden nach wie vor 100.000 Neuzulassungen pro Jahr fehlen, was sich mittelfristig auch auf die Werkstätten (negativ) auswirken dürfte. Denn Autos, die nicht da sind, müssen auch nicht serviciert oder repariert werden.
Hohe Erfinderdichte
Christian Helmenstein berichtete auch über einige positive Entwicklungen: "Besonders erfreulich ist, dass mehr als 320 Patentanmeldungen jährlich in diesem Sektor zeigen, wie innovativ diese Branche ist. Österreich liegt bei der Erfinderdichte damit über dem europäischen Durchschnitt und vor Ländern wie Schweden, Frankreich oder den USA", führte der Economica-Experte aus. Auch die Entwicklung von Antrieben für Elektroautos seien wir sehr gut aufgestellt. Nachholbedarf gebe es hingegen bei der Steuerung und/oder Regelung von Fahrzeug-Unteraggregaten.
Gefahr für unseren Wohlstand
Abschließend verwies Günther Kerle noch einmal auf die Bedeutung der Automobilwirtschaft für den heimischen Standort. Sie sei die Leitbranche der produzierenden Wirtschaft in Österreich. "Wenn die Automobilwirtschaft schwächelt, leidet unser gesamter Wohlstand", so der Sprecher der österreichischen Automobilimporteure.
www.automobilimporteure.at
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