Wenn der österreichische Bankenverband seinen ökonomischen Ausblick präsentiert, was zweimal im Jahr der Fall ist, sorgt das für große Spannung in der gesamten heimischen Wirtschaft und Politik. Aufgrund der aktuell besonders herausfordernden Zeiten war das Interesse an der jetzigen Prognose besonders groß.
LEADERSNET.tv war bei der Pressekonferenz dabei und hat bei Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank AG, Stefan Bruckbauer, Chefvolkswirt der UniCredit Bank Austria und Gerald Resch, Generalsekretär des Bankenverbands nachgefragt, auf was sich Wirtschaft und Politik im Finanzsektor in den nächsten Monaten einstellen müssen. Zudem wollten wir unter anderem wissen, weshalb die Inflation in Österreich höher ist, als in vielen anderen EU-Ländern, ob uns eine Rezession droht und wie sich der Arbeitskräftemangel auf den Wirtschaftsstandort auswirkt.
Inflationsentwicklung
"Der Höhepunkt liegt hinter uns", sagt Jörg Krämer beim "Ökonomischen Ausblick" des Bankverbands zur aktuellen Inflationsentwicklung. Laut ihm sei dies ein "vorübergehender Rückgang". "Wir sehen, dass die Preise für Konsumgüter in Deutschland bereits langsamer steigen. Gleichzeitig beobachten wir eine Kostenwelle, die von den Löhnen angetrieben wird, die die Inflation beeinflusst." Stefan Bruckbauer zeichnet für Österreich ein ähnliches Bild. Er rechnet mit einem Rückgang der Inflation auf unter fünf Prozent im Jahresverlauf. "Im Jahresdurchschnitt dürfte die Inflation in Österreich bei 6,5 Prozent liegen. 2022 lag sie bei 8,6 Prozent und für 2024 erwarten wir drei Prozent Inflation", so Bruckbauer.
"Die Inflation ist neben der Zinsentwicklung, den Energiepreisen und der geopolitischen Lage eines der Kernthemen für die heimische Wirtschaft und unsere Unternehmen", betont Gerald Resch. Commerzbank-Volkswirt Krämer weist in seiner Analyse darauf hin, dass es "keinen Zinserhöhungszyklus ohne Rezession gibt" und unterstreicht: "Das Ende des Zinserhöhungsprozesses ist in Sicht." Für Krämer sind die Finanzmärkte im Jahr 2023 nicht abzuschreiben. Er erwartet einen Rendite-Rückgang im zweiten Halbjahr, bei Unternehmensanleihen engere Spreads und sieht im Euro-US-Dollar-Kurs ein "begrenztes Aufwärtspotenzial".
Dass die Inflation in Österreich höher ist als in Spanien oder Deutschland, liegt laut Bruckbauer im Falle Deutschlands an den höheren Energie- und Gastronomiepreisen, bei Spanien ausschließlich an den höheren Kosten für Energie.
Weniger Material-, mehr Arbeitskräftemangel
Eine "Entspannung bei der Angebotsseite" sieht der UniCredit Bank Austria-Ökonom. "Der Materialmangel nimmt als produktionshemmender Faktor ab. Parallel dazu wird der Arbeitskräftemangel stärker", so Bruckbauer. Seit Jänner hätten sich die Erwartungen der Industrie in Österreich deutlich verbessert. Gleichzeitig habe sich auch die Konsumentenstimmung, die im Herbst noch besonders negativ war, in den letzten Monaten merklich verbessert. "Für 2023 erwarten wir einen realen Rückgang des privaten Konsums um ein Prozent. 2022 hatten wir ein Plus von 4,2 Prozent, für 2024 sehen wir eine leichte Entspannung mit einem Plus von 1,2 Prozent." Die Sparquote sei heuer mit 9,3 Prozent leicht über dem Niveau von vor der Pandemie.
Zinsanstieg als Herausforderung
"Wir können im historischen Vergleich von einem Rekordanstieg der Leitzinsen in Österreich sprechen. Dieser führt zu einer deutlichen Reduktion der Kreditnachfrage für Wohnbau und Firmen. Immobilienkreditzinsen sind von ein Prozent auf über drei Prozent gestiegen. Das Neugeschäft sinkt von über zwei Milliarden pro Monat auf unter eine Milliarde Euro pro Monat", erklärt Bruckbauer. "Eine Vielzahl von Faktoren bestimmen die aktuelle und künftige Entwicklung. Einige davon sind schwer zu prognostizieren und schaffen so Unsicherheiten, die nicht nur negative, sondern vor allem auch positive Überraschungen bringen können", so Resch.
Zur Frage, warum der ökonomische Ausblick zweimal im Jahr stattfindet, sagt der Generalsekretär des Bankenverbands: "Wir machen den Ausblick bewusst zweimal jährlich, um zu sehen, wie sich die Stimmungslage innerhalb des Jahres ändert."
Abschließend sagt Resch zu LEADERSNET.tv: "Heuer wird die Jahresinflationsrate in Österreich bei circa 6,5 Prozent liegen und sich 2024 weiter abschwächen. Wir kommen nicht auf die zwei bis drei Prozent, wo die EZB das Ganze sieht, aber wir kommen wieder nach unten und das ist ein sehr guter Ausblick, den wir hier für die nächsten Jahre sehen."
Weitere Eindrücke von der Pressekonferenz gibt es in unserer Galerie.
www.bankenverband.at
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