LEADERSNET: Quo vadis Tourismus? Wie ist der aktuelle Stand in Österreich?
Kraus-Winkler: Wir haben uns sehr auf die Themen Arbeit und Nachhaltigkeit konzentriert und uns gefragt wie der künftige Arbeitsmarkt in dieser Branche aussehen wird. Nachhaltigkeit bedeutet ja nicht nur, dass man in der Früh zum Nachbarn geht und die Eier aus dem Hühnerstall holt. Es betrifft auch ein völlig verändertes Gästeverhalten, ein wesentlich kurzfristigeres Buchungsverhalten und doch auch in gewisser Weise einen gesellschaftlichen Wandel. Es wird gerade sehr viel diskutiert, wie viel Tourismus Österreich braucht. Wir haben den Masterplan Tourismus 2019 fertiggestellt, der Ziele und Leitlinien für die zukünftige Entwicklung Österreichs im Tourismus sehr gut auflistet. Wenn es aber um die Umsetzung geht steht man wieder vor einer neuen Herausforderung, das auf operative und angewandte Umsetzungsziele herunter zu brechen. Nachhaltigkeit muss uns im Österreichischen Tourismus uns ein großes Anliegensein, aber wir müssen uns auch der Frage stellen: Woran messen wir Nachhaltigkeit?
LEADERSNET: Wie weit haben die österreichischen Tourismusbetriebe in Sachen Nachhaltigkeit ihre Hausaufgaben gemacht?
Kraus-Winkler: Das ist regional sehr, sehr unterschiedlich. Wir haben Regionen in Österreich, die haben ihre Hausaufgaben sehr früh begonnen und auch jetzt die Corona Zeit genutzt, um diese zu erledigen. Wobei das natürlich immer work in progress ist. Das heißt, solche Dinge sind Prozesse, die nie zu Ende sind, aber dennoch versuchen, die Erfordernisse, die in den nächsten 20 Jahren auf uns zukommen, zumindest einzuleiten. Diejenigen die jetzt erst mit diesem Prozess beginnen sollten sich fragen, wofür steht Österreich, wofür steht das eigene Angebot und wie zukunftsfähig ist es? Bei der sozialen Nachhaltigkeit geht es unter anderem auch um Fragen wie: Wie zukunftsfähig sind mein Führungsstil und meine Organisationsstruktur? Oftmals, wenn ich mit Unternehmer:innen diskutiere, merke ich, dass in den unterschiedlichsten Regionen völlig unterschiedliche Zugänge zum Thema Arbeit im Tourismus herrschen. Der eine ist etwa damit beschäftigt, employer-branding perfekt in seinem Betrieb umzusetzen und das Thema ökologische Nachhaltigkeit so zu integrieren, dass dieses auch für junge Menschen nachvollziehbar ist. Und andere verstehen diese - für sie neue - Welt nicht. In dieser Bandbreite liegt de facto die Herausforderungen der wir im österreichischen Tourismus in den nächsten Jahrzehnten gegenüberstehen.
LEADERSNET: Stichwort employer-branding: Uns gehen überall die Arbeitskräfte aus – auch im Tourismus. Was muss man tun, damit wieder mehr Menschen im Tourismus arbeiten wollen?
Susanne Kraus-Winkler: Wir hatten am 4. Oktober im Staatssekretariat für Tourismus einen Arbeitsmarktgipfel, wo wir von den Sozialpartnern über die Schulen bis hin zum AMS und unterschiedlichen Unternehmen alle eingeladen haben, um über dieses bedeutende Thema zu diskutieren. Welche kurz-, mittel- und langfristigen Veränderungen brauchen der Arbeitsmarkt und Arbeit im Tourismus, um in Zukunft bestehen zu können? Dabei haben wir die drei Haupthandlungsfelder "mobilisieren", "attraktivieren" und "qualifizieren" festgelegt: Mobilisieren, um mehr Menschen in Beschäftigung zu bringen, etwa durch Anreizsysteme oder steuerliche Erleichterungen für Pensionisten. Attraktivieren, das beginnt bei Kinderbetreuungsmöglichkeiten bis hin zu Mitarbeiterquartieren und qualifizieren, im Sinne von zeitgerechten Lehrplänen und qualitätsvollen Ausbildungsmöglichkeiten. Wir haben hier sicher die große Herausforderung beim Thema Ausbildung. Wir hatten erst vor kurzem gemeinsam eine Pressekonferenz in der Tourismusschule am Semmering mit Bundesminister Polaschek, wo darüber gesprochen wurde, was bei den Lehrplänen an Tourismusschulen alles geändert werden soll. Der Bundesminister hat dabei einen Drei-Punkte-Plan präsentiert, mit dem versucht wird, in Zukunft die Lehrpläne wesentlich mehr auf digitale Erfordernisse auszurichten, flexibler und offener zu gestalten. Durch Digitalisierung und Automatisierung entsteht eine wahnsinnige Veränderung, auch in der Art und Weise, wie Kochen und Servieren im Ablauf mit den technischen Geräten abgewickelt werden. Um mehr Menschen für den Tourismus zu begeistern, braucht es also ein vielfältiges Bündel an Maßnahmen, dass vom Ausbildungsbeginn bis hin zu steuerlichen Erleichterungen für Pensionisten geht.
Das vollständige Interview hören Sie im Podcast.
www.bmaw.gv.at
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