Die Liste an Herausforderungen, mit denen sich die Betriebe seit vielen Monaten beschäftigen müssen, ist auch über die Sommermonate nicht kürzer geworden. Es ist daher wenig überraschend, dass sich die Zahl der Firmenpleiten laut der am Mittwoch veröffentlichten Insolvenzhochrechnung des KSV1870 weiterhin deutlich über jener des Vorjahres befindet: 3.482 insolvente Unternehmen würden einem Plus von 92 Prozent gegenüber den ersten neun Monaten 2021 entsprechen. Gleichzeitig liege dieser Wert knapp unter jenem des Jahres 2019 (3.808 Insolvenzen, - 9 Prozent), als von der Corona-Krise noch keine Rede war. "Anhaltende Kostenexplosionen, gravierende Lieferengpässe und die schwierige Suche nach Personal sind nur einige wenige Faktoren, warum sich die wirtschaftliche Gesamtsituation zuletzt verschlechtert hat", erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.
Kaum Besserung in Sicht
"Aufgrund der jüngsten Entwicklungen ist auch die Erwartungshaltung für die kommenden Monate eher gedämpft. Wie wir von vielen Unternehmen in Gesprächen erfahren, blickt rund die Hälfte der Betriebe eher negativ in Richtung Jahresende", so Götze. Parallel dazu stimme es auch nachdenklich, dass im heurigen Jahr 40 Prozent aller Firmenpleiten mangels Kostendeckung abgewiesen wurden – im Vorjahr waren es 32 Prozent. Einer der Gründe, warum dieser Wert zuletzt in die Höhe geschnellt sei, liege darin, dass viele Betriebe schon längst Insolvenz anmelden hätten sollen und durch den Fortbetrieb auch die letzten finanziellen Mittel aufgebraucht wurden. Wenn keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind, dann sei auch eine Sanierung nicht mehr möglich. "Die Folgen sind massiv. Menschen verlieren unnötigerweise ihre Arbeitsplätze und Gläubiger erhalten kein Geld, das ihnen aufgrund erbrachter Leistungen zusteht", so Götze.
Passiva aufgrund von zwei Großpleiten stark gestiegen
Weiters zeigt die KSV-Analyse, dass es im Vergleich zum Vorjahr in allen Bundesländern zu einem deutlichen Zuwachs an Firmenpleiten gekommen ist. Am massivsten fällt dieser demnach in Oberösterreich (+ 165 Prozent) und in Vorarlberg (+ 161 Prozent) aus. Am "geringsten" gestalten sich die Zuwächse in der Steiermark (+ 58 Prozent) und im Burgenland (+ 60 Prozent). Die Bundeshauptstadt Wien verzeichnet der Hochrechnung zufolge ein Plus von 64 Prozent – in absoluten Zahlen stehen hier mit 1.235 Fällen auch die meisten Insolvenzen österreichweit zu Buche.
Neben den Unternehmensinsolvenzen selbst seien auch die vorläufigen Passiva massiv angestiegen – und zwar um 88 Prozent auf rund 1,4 Milliarden Euro. Dieser Anstieg sei unter anderem zwei Großinsolvenzen geschuldet: dem Konkurs der CPI-Gruppe, mit Passiva von rund 220 Millionen Euro (LEADERSNET berichtete), und dem Fall der Polytechnik Luft- und Feuerungstechnik GmbH mit rund 66,3 Millionen Euro. Alleine bei diesen beiden Pleiten belaufen sich die Passiva auf fast 290 Millionen Euro.
Im Bundesländervergleich zeige sich, dass lediglich im Bundesland Salzburg die Passiva niedriger (- 10 Prozent) ausfallen als im Vorjahr. Überall sonst seien teils explosionsartige Zuwächse verzeichnet worden – am deutlichsten in Vorarlberg (+ 260 Prozent), gefolgt vom Burgenland und Oberösterreich mit jeweils plus 200 Prozent.
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Handel, Bau und Tourismus/Gastro als Treiber
Wie bereits im Halbjahr 2022 sind auch jetzt die Branchen "Handel & Instandhaltung/Reparatur von Kfz" (644 Fälle, davon ca. 40 Prozent mangels Masse abgewiesen), Bauwirtschaft (567) und Tourismus/Gastronomie (422) jene Bereiche mit den meisten Insolvenzen – sie alleine kommen laut dem Kreditschutzverband auf 1.633 Fälle, was knapp die Hälfte aller österreichweiten Firmenpleiten ausmacht. Ein genauerer Blick in den Handel zeige, dass die Insolvenzen in dieser Branche deutlich im Steigen seien und gegenüber dem Vorjahr um 115 Prozent höher ausfallen: "Getrieben vom Einzelhandel verzeichnet die Handelsbranche bereits jetzt mehr Pleiten als in den Jahren 2020 und 2021 insgesamt. Bis Jahresende könnten es im Handel rund 900 Pleiten werden, womit das Niveau von 2019 angesteuert wird", so Götze. Hier von einer Explosion zu sprechen, ist noch zu früh, doch insbesondere der Einzelhandel als "Verlierer" der aktuellen Situation wird weiterhin schwer zu kämpfen haben.
Trüber Ausblick
Aus heutiger Sicht werde sich an den Entwicklungen der vergangenen Monate bis Jahresende kaum etwas verändern. Der KSV1870 gehe davon aus, dass sich die jüngsten Entwicklungen in den nächsten Wochen auf ähnlichem Niveau fortsetzen werden. Bis Ende 2022 sei ungefähr mit 4.700 Insolvenzen zu rechnen, womit fast Vorkrisenniveau (- 6 Prozent gegenüber 2019) erreicht wäre. "Diese Prognose geht zwar eher in Richtung Normalisierung, aber das beschleunigte Insolvenzgeschehen setzt der Wirtschaft in Kombination mit den Teuerungen, der Energiekrise und den Lieferkettenproblemen ordentlich zu. Aktuell herrscht eine massive Dynamisierung nach einer langen Phase der Stagnation", so Götze abschließend.
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