"Bei jeder Implementierung von IT-Systemen hängt der Break-Even immer vom Prozess selber ab"

| Tobias Seifried 
| 21.08.2022

Florian Werksnies, Geschäftsführer der 3HillsIT, erklärt im LEADERSNET-Interview, wie Unternehmen die Kombination aus Customer Relationship Management und Künstlicher Intelligenz (KI) zu ihren Gunsten nutzen und sich somit einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

LEADERSNET: Sehr geehrter Herr Werksnies, die Digitalisierung hat aufgrund der Corona-Pandemie Fahrt aufgenommen. Hier müssen vor allem KMUs aufpassen, den Anschluss nicht zu verlieren. Wie kann man diese Unternehmen davon überzeugen, dass sie die Digitalisierung als Chance wahrnehmen anstatt sie als Bedrohung zu sehen?

Werksnies: Also generell muss ich vorwegstellen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass mittlerweile tatsächlich bei allen Entscheidungsträgern der Wirtschaft und allen Wirtschaftstreibenden angekommen ist, dass es absolut notwendig ist, die Digitalisierung voranzutreiben und dass man es nicht nur als Chance oder Gefahr sehen darf, sondern dass es eine Notwendigkeit ist und man diese in eine Chance umwandeln muss. Es ist immer spannend, dass es oft externe Faktoren braucht, wie jetzt eben die Corona-Pandemie, die da den Anstoß gibt. Allein schon das Thema Ressourcen und Arbeitskräftemangel, was in allen Branchen mittlerweile schlagend ist, wäre Grund genug und ich glaube, allein aus dem Aspekt heraus ist es mittlerweile in der Wirtschaft und bei allen angekommen, dass wir digitalisieren müssen und es auch als Chance vorantreiben müssen.

Das nährt meine Hoffnung und lässt mich davon ausgehen, dass nach den zwei Jahren viele Prozesse, die ja vor der Herausforderung der Digitalisierung oder des digitalen Ablaufes standen, für den Herbst gut vorbereitet sind. Wobei man da auch immer unterscheiden muss, wie weit ist das notwendig? Also was bedeutet jetzt für ein Unternehmen Digitalisierung. Ein Kaufprozess bei Amazon ist natürlich ein ganz anderer Digitalisierungsgrad, als das man überhaupt einmal einen Webshop anbietet, oder was ja bei vielen Unternehmen vor zwei bis drei Jahren ebenfalls nicht gegeben war - eine digitale Anlaufstelle mittels WhatsApp-Bestellung oder auch nur ein E-Mail-Formular .Da hoffe ich, dass doch alle soweit gut vorbereitet sind, dass das für ihr individuelles Geschäftsmodell passt.

LEADERSNET: Für den Erfolg eines Unternehmens spielt Customer Relationship Management (CRM) eine entscheidende Rolle. Hier kommt es mittlerweile verstärkt zum Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI). Können davon auch KMUs profitieren, oder können sich diese aufwendige Technologie derzeit nur große Firmen leisten?

Werksnies: Kund:innen hinterlassen überall und bei jeder Interaktion ihre Spuren und das hängt jetzt nicht von der Unternehmensgröße ab. Das heißt, ich würde gar nicht so stark von der Unternehmensgröße ausgehen, auch wenn ich ganz zustimme, dass natürlich eine gewisse Unternehmensgröße von Vorteil ist, Investitionen zu tätigen, weil einfach mehr Investitionskapital vorhanden ist. Jedoch müssen wir uns zuerst überlegen, für was wollen wir eigentlich diese Daten und die Daten-Automatisierung verwenden und was ist das Ziel, das wir damit erreichen wollen? KI kann hier besonders dabei helfen, diese Datennutzung zu optimieren und zu automatisieren. Das heißt, so können zum Beispiel die Kundenbindung gesteigert werden und neue Umsatz-Potenziale erschlossen werden. Dies hängt nicht von der reinen Unternehmensgröße ab, sondern von der Wichtigkeit der Prozesse. Zum Beispiel geht da ein Handelsunternehmen wahrscheinlich anders um als ein produktionsorientiertes Unternehmen. Stellen Sie sich einen Onlinehändler vor, für welchen genau dieser Prozess absolut erfolgsentscheidend ist. Im Gegensatz zu einem Baggerschaufel-Hersteller, der eine Handvoll Kunden hat, die er seit Jahrzehnten immer wieder beliefert. Da ist natürlich das Investitionsbewusstsein in Künstliche Intelligenz ein ganz anderes. Somit kann es für kleine Unternehmen genauso relevant sein wie für große.

LEADERSNET: KI kommt dabei vor allem bei der digitalen Nutzung von Geschäftsdaten zum Einsatz. Wie wirkt sie sich dabei positiv auf das Kundenbeziehungsmanagement aus?

Werksnies: Ein gutes Beispiel, wo Künstliche Intelligenz helfen kann und was ich eigentlich nicht tun soll, ist die Nutzung einer klassischen Bonus- oder Kundenkarte im Supermarkt. Da kann sehr schnell identifiziert werden, dass diese zum Beispiel von einem bekennenden Vegetarier genutzt wird, der in den letzten zwei Jahren kein einziges Fleischprodukt im Supermarkt gekauft hat. Mit natürlich mehreren Faktoren: Vielleicht geht er zum Fleischhauer seines Vertrauens und/oder aber er konsumiert wirklich kein Fleisch. Wenn ich dem dann ein persönliches, zugeschnittenes Angebot über ein Fleischangebot zukommen lasse, dann ist er wahrscheinlich eher irritiert als erfreut. Das zeigt, dass auch Kundenbindungsprozesse schnell nach hinten losgehen können. Das ist ein schönes Beispiel für mich, wo KI sehr gut helfen kann, das zu analysieren und auch die richtigen Entscheidungen automatisiert zu treffen. Heutzutage ist es eher so, dass besonders die Kunden solcher Bonus-Programme und -Karten sich eher erwarten, wenn schon ihre Daten genutzt werden, dass das dann auch richtig getrackt und analysiert wird und ihnen das passende Angebot zugespielt wird.

LEADERSNET: Daten werden ja sowohl im B2B- als auch im B2C-Bereich hinterlassen. Gibt es da unterschiedliche KI-Lösungen oder funktioniert das übergreifend?

Werksnies: Es ist kaum möglich dies zu verallgemeinern. Generell funktioniert das natürlich übergreifend und es hat jetzt nichts damit zu tun, ob sich ein Unternehmen im B2B- oder B2C-Umfeld befindet. Also ob es seine Produkte an andere Unternehmen oder direkt an die Consumer verkauft. Wobei das auch mit der Frage der Unternehmensgröße zusammenhängt. Firmen sollten nämlich eine gewisse Größe haben, damit sich dieser Einsatz der Künstlichen Intelligenz überhaupt lohnt. Häufig skalieren die Anwendungen hier mit dem Umsatz, den Kosten oder mit der Anzahl der Kunden. Letztere sollte vom Interaktionsvolumen möglichst hoch sein, um KI einsetzen zu können. Firmen im B2C Umfeld haben oft eine höhere Kundeninteraktion. Ein Kunde im B2B-Umsatz hat teils sehr hohe Umsätze, jedoch nur einen Kunden an den er über große Rahmenverträge verkauft und dann jährlich wieder. Das schließt jetzt keinen Einsatz von KI und hohe Kundenkommunikation aus. Aber verallgemeinert ist der B2C-Prozess per se geeigneter. Wir erleben beim Einsatz der KI auch, dass die Anzahl der Kunden ausschlaggebend ist. Je mehr Kund:innen bzw. Umsatz generiert werden, desto größer ist der Hebel für die Verbesserungspotenziale.

LEADERSNET: Die Analyse und Pflege von Daten via Künstlicher Intelligenz in Echtzeit bringt Unternehmen enorme Vorteile beim Ausspielen von exakt auf die Kund:innen zugeschnittene Informationen. Aber kann KI auch bei der Gewinnung von Neukund:innen helfen?

Werksnies: Wir kennen es aus dem eigenen Consumerbereich, dass viele große Webshops mittlerweile bestimmte Empfehlungssysteme im Einsatz haben. Hinter so einem Empfehlungsmarketing kann natürlich eine Künstliche Intelligenz stecken. Wahrscheinlich funktionieren sie dann auch optimierter als andere Empfehlungssysteme. Webshops nehmen zunehmend Daten aus dem CRM entgegen, um ihre Empfehlungsqualität laufend zu verbessern. Wenn das Unternehmen diese Daten dann zentral hat, kann es auf dieser Informationsbasis seine typische Käufergruppe oder eine fiktive Person, die dahinter steht, erstellen und analysieren. So kann der Webshop für sein spezielles Produkt dieser Person oder dieser Käufergruppe über unterschiedliche Kanäle Informationen zuspielen und so aus den Informationen, die es selber schon über seine Käufer gesammelt hat, auch seinen Neukundenabschluss und Umsatz mithilfe der KI steigern. Zunächst muss man jedoch identifizieren und diese Daten sammeln. Wer sind eigentlich diese Personen? Was interessiert sie? Warum kaufen sie? Warum kaufen sie in diesem Moment? Genau hier kann die Künstliche Intelligenz stark unterstützen.

Ein konkretes Beispiel: Dass sich Klimaanlagen im Sommer, wenn die Temperaturen steigen, besser verkaufen, steht außer Frage. Viele Leute gehen dann ad hoc und emotional getrieben Klimaanlagen kaufen. Aber die Frage ist, wie kann ich kontinuierlich über das ganze Jahr als Klimaanlagenverkäufer oder -hersteller meinen Absatz etwas ausgleichen? Eine Möglichkeit ist es, zu identifizieren, was ist denn eigentlich die Gruppe, die im Winter Klimaanlagen kauft? Sind das die, die gerne Angebote haben, weil ihnen suggeriert wird, dass sie jetzt günstiger als im Sommer kaufen? Sind das diejenigen, die darauf anspielen, dass die Installation einer Klimaanlage eine gewisse Zeit bedarf? Hier kann ein Unternehmen das Userverhalten einer Gruppe gut analysieren, welchen Typus von Menschen es mit welchen Informationen ansprechen muss, damit es einen Kaufprozess auslöst und/oder an sich bindet. Dabei kann Künstliche Intelligenz sehr gut helfen die Datenmengen zu verarbeiten und die fiktive Person eigenständig zu verfeinern.

LEADERSNET: Die Kosten dürften sich aufgrund der Vorteile rasch amortisieren. Können Sie sagen, wie lange es in etwa dauert, bis der Break-Even erreicht ist?

Werksnies: Bei jeder Implementierung von IT-Systemen oder digitalen Prozessen - also auch bei der KI - hängt der Break-Even immer vom Prozess selber ab, den verwendeten Produkten und besonders vom Nutzen für das Unternehmen. Wenn jetzt in dem Fall der KI der Kundennutzen hoch ist, rechnet sich ein System wesentlich schneller und ein Break-Even ist wesentlich schneller erreicht. Man muss ja die Investition zum Beispiel dem Gewinn von Neukunden oder dem mehr Umsatz bei Bestandskunden durch Cross- und Upsell gegenüberstellen. Umso höher dieser Nutzen fürs Unternehmen ist, umso schneller rechnet sich der Break-Even. Die maschinengestützte Mustererkennung durch KI ist hier der Lösungsansatz, um manuelle Eingriffe von Mitarbeiter:innen im Unternehmen zu minimieren. Hier kann man nicht nur den Kundennutzen ansetzen, um den Break-Even zu berechnen, sondern auch den Faktor der Kostenersparnis durch die manuellen Eingriffe und Aufwände der Mitarbeiter:innen gegenrechnen. Das hängt individuell davon ab, in welcher Branche man tätig ist. Befinde ich mich zum Beispiel in einer Branche, in der meine Supportprozesse bereits an ein Callcenter ausgelagert sind - vielleicht sogar im Ausland -, oder ist das Unternehmen in einer Branche tätig, in der man auf hochgeschultes Fachpersonal angewiesen ist. Hier kommt es natürlich viel schneller zu einer Kostenersparnis durch die Automatisierung.

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