"Die Coronakrise erhält viele kranke Betriebe künstlich am Leben – das muss aufhören"

Hochrechnung vom KSV1870 zeichnet ein Bild der Insolvenzenentwicklung im 1. Quartal: Pandemie hinter­lässt bei den Unter­neh­mens­in­sol­venzen gravie­rende Spuren und es ist kein Ende in Sicht.

Laut aktueller Hochrechnung des KSV1870 (Kreditschutzverband von 1870) ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen im ersten Quartal 2021 gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres um 59 Prozent gesunken. 473 Firmen mussten seit Jahresbeginn Insolvenz anmelden – das ist pro Quartal gerechnet der niedrigste Wert seit 1977. Gleichzeitig sind die geschätzten Verbindlichkeiten überproportional stark um 86  Prozent auf 157 Millionen Euro zurückgegangen. Das ist ein Siebentel des Vorjahreswertes und eine Folge dessen, dass es 2021 bis jetzt nur zwei Großinsolvenzen mit Passiva von über 10 Millionen Euro gegeben hat.

Weiters sind in den ersten drei Monaten des Jahres 1.723 Dienstnehmer (minus 61 Prozent gegenüber 2020) von einem insolventen Arbeitgeber betroffen. Zudem müssen sich 3.594 Gläubiger mit einer Pleite eines Geschäftspartners auseinandersetzen. Seit dem 1. Lockdown im März 2020 haben sich die Firmenpleiten pro Woche um etwa 50 Prozent reduziert. Wann es zu einer Trendumkehr kommen wird, ist offen und hängt auch von weiteren künstlichen Eingriffen der Bundesregierung ab. Aufgrund der jüngsten Entwicklungen rechnet der KSV1870 aus heutiger Sicht zum Jahresende mit weniger Firmenpleiten als ursprünglich angenommen.

"Massive wirtschaftliche Probleme" im Anrollen?

"Die Corona-Krise zeigt weiterhin ihre Krallen. Wir befinden uns inmitten der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg und die Zahl der Insolvenzen ist weiterhin auf Talfahrt. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, wird Österreichs Wirtschaft mittel- und langfristig mit weitaus massiveren wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben, als das heute ohnehin schon der Fall ist", erklärt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz.

Ein Grund für die prekäre Lage seien unter anderem auch die zahlreichen künstlichen Eingriffe in ein an sich gut funktionierendes Insolvenzwesen, wodurch viele Betriebe künstlich am Leben gehalten werden. "Diese undifferenzierte Großzügigkeit gehört gestoppt, bevor auch gesunde Unternehmen von finanzschwachen Firmen in den Abwärtsstrudel getrieben werden", so Götze. Wie sehr sich die Lage zuletzt zugespitzt hat, zeigt, dass mit hochgerechnet 473 insolventen Unternehmen, der niedrigste Wert pro Quartal nicht nur seit Beginn der Corona-Krise, sondern seit dem Jahr 1977 zu verzeichnen ist.

Der KSV1870 plädiert daher für ein sofortiges Ende des praktizierten Gießkannen-Prinzips, um nicht noch mehr Firmen zu gefährden. Zudem empfiehlt der Gläubigerschutzverband, wenn notwendig, frühzeitig eine Sanierung ins Auge zu fassen: "Wenn der eigene Betrieb in finanzielle Schieflage geraten ist, ist es sinnvoll, lieber heute als morgen eine Sanierung anzustreben. Auf diese Weise kann noch gerettet werden, was zu retten ist. Hier geht es ganz besonders auch um Jobs und die Existenz der Menschen, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden darf", appelliert Götze.

© KSV 1870
© KSV1870

Privatkonkurse leicht rückläufig

Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist im ersten Quartal 2021 um knapp 9 Prozent auf 1.744 Fälle gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gesunken. Gleichzeitig sind die Passiva um 18  Prozent auf 185 Millionen Euro zurückgegangen. Darüber hinaus ist seit dem 1. Lockdown die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren um 35 Prozent gesunken.

Inwieweit die aktuell heiß diskutierte Neustrukturierung des Insolvenzwesens auf die Zahl der Privatkonkurse Einfluss nehmen wird, bleibt abzuwarten. Es zeigt sich allerdings zum Teil schon jetzt, dass Schuldner bis zur Umsetzung der Insolvenznovelle im Juli 2021 abwarten, um sich dann innerhalb eines kürzeren Zeitraumes zu entschulden. Der KSV1870 hält weiter daran fest, dass eine verkürzte Entschuldungsdauer der falsche Ansatz ist und zu weitreichenden Folgen für die gesamte Volkswirtschaft führen kann.

"Die Corona-Krise ist aktuell kein Insol­venz­be­schleu­niger für Private"

"Ein Privatkonkurs entsteht im Regelfall nicht aufgrund eines singulären Ereignisses, sondern ist das Ergebnis einer längeren Phase der Verschuldung. Und sie tritt vor allem dann auf, wenn es den Menschen gut geht und eine positive Konjunktur herrscht. Die Corona-Krise ist somit aus heutiger Sicht kein Insolvenzbeschleuniger", erklärt Karl-Heinz Götze. Insofern komme es "wenig überraschend", dass die aktuellen Zahlen gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres leicht rückläufig sind.

Es sei daher nicht unmittelbar damit zu rechnen, dass jene Menschen, die aufgrund der Corona-Krise von Arbeitslosigkeit oder Einkommensreduktion betroffen sind, sofort in die Insolvenz rutschen. So waren im Jahr 2020 nur 0,3 Prozent aller eröffneten Schuldenregulierungsverfahren auf die Corona-Pandemie zurückzuführen. "Mittel- bis langfristig gesehen ist damit zu rechnen, dass reduzierte Einkommen, auch aufgrund von Kurzarbeit, zu einer Steigerung der Privatkonkurse führen werden", erklärt Götze. (red)

www.ksv.at

Kommentar schreiben

* Pflichtfelder.

leadersnet.TV