"Gerade wegen der Digitalisierung gewinnen haptische Werbemittel an Bedeutung"

Kathrin Haupt-Schneider, Beirätin und Sprecherin des Verbandes Österreichischer Werbeartikelhändler, und Klaus Pohn, Präsident des VÖW, im großen Interview anlässlich des 30-jährigen Bestehens der Interessensvertretung. 

Die Interessensvertretung der Werbeartikel-Händler und -Hersteller in Österreich feiert heuer ihr 30-jähriges Bestehen. LEADERSNET hat dies zum Anlass genommen und mit Klaus Pohn, VÖW Präsident, und Kathrin Haupt-Schneider, Beirätin und Sprecherin, über die neuesten Erkenntnisse aus der Welt der haptischen Werbeansprache und die größten Herausforderungen der Branche gesprochen.


LEADERSNET: Die Covid-19-Pandemie hat auch Auswirkungen auf die Werbeartikelbranche. Wie beurteilen Sie aktuell die Lage?

Pohn: Einerseits spüren wir natürlich, wie alle anderen Branchen auch, die Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie ergriffen werden mussten. Handel und Produktion sind weltweit unter großem Druck und unsere Lieferantenpartner wie auch unsere Kunden müssen derzeit extrem sparsam wirtschaften. Andererseits ist der Werbeartikelhandel aufgrund seiner Flexibilität und Anpassungsfähigkeit besonders gut aufgestellt, um Krisen zu bewältigen. Die VÖW-Mitglieder konnten sich binnen kürzester Zeit, sowohl durch ihre vielen guten nationalen und internationalen Kontakte quer durch alle Branchen als auch dank ihres Logistik-Know-hows und ausgeklügelter Lieferketten, auf die neuen Anforderungen einstellen und ihr Leistungsportfolio ohne große Einbußen anbieten bzw. teilweise sogar erweitern.

LEADERSNET: Was kommt noch alles auf die Branche zu, worin liegen die größten Herausforderungen?

Pohn: Aufgrund der Ungewissheit, wie es weitergehen wird, treffen unsere Kunden derzeit kaum langfristige strategische Marketing-Entscheidungen. Auch das große Fragezeichen, das über der allgemeinen Entwicklung der Wirtschaft im Lauf der nächsten Monate steht, dämpft natürlich die Investitionsbereitschaft vieler Unternehmen. Wir sehen es als größte Herausforderung, aber auch als Chance an, aus der Krise heraus nachhaltige Partnerschaften mit unseren Kunden zu entwickeln: Die VÖW-Mitglieder können dank ihrer Expertise und ihrer Netzwerke Unternehmen langfristig dabei unterstützen, die eigenen Marketing-Projekte bewusster und noch effektiver umzusetzen, um einen besseren ROI zu erzielen.

LEADERSNET: Haben im digitalen Zeitalter und in Zeiten von Corona haptische Trägermedien immer noch eine besondere Bedeutung?

Haupt-Schneider: Absolut - gerade wegen der Digitalisierung gewinnen haptische Werbemittel an Bedeutung. Je sensorisch ärmer die Welt wird, desto stärker sehnen sich die Menschen nach realen Erfahrungen und nach echtem Erleben. RezipientInnen hinterfragen Werbeaussagen und ihre Glaubwürdigkeit. Mit der Haptik können sie visuell wahrgenommene Eindrücke selbst überprüfen und den Werbeartikel mit allen Sinnen erleben, um sich eine ganzheitliche Meinung zur Qualität und auch Stimmigkeit des Produkts in Relation zur Marke zu bilden. Wer nur digital kommuniziert, verliert diesen Bezug zum Kunden und letztendlich auch dessen Vertrauen. Werbemittel machen Markenbotschaften also nachhaltig erleb- und greifbar und sind ein wichtiger Bestandteil des Marketing-Mix.

LEADERSNET: Der VÖW feiert sein 30-jähriges Bestehen. Welche Themen standen bei seiner Gründung im Vordergrund und wo liegen die Meilensteine?

Pohn: Der VÖW agiert seit seiner Gründung als Interessensvertretung der Werbeartikel-Händler und -Hersteller in Österreich. Mit dem Auftritt für unsere Branche wollen wir zur Stärkung der Position des heimischen Werbemittelhandels und des Werbeartikels im Marketing-Mix beitragen und so unterstützen wir unsere Mitglieder als zentrale Servicestelle sowie Ansprechpartner für alle branchenbezogenen Themen – und das seit drei Jahrzehnten.

Haupt-Schneider: Besonders wichtig aus unserer Sicht ist die Sensibilisierung der angehenden Marketing-ExpertInnen für den Einsatz, den Nutzen und die Wirkung von Werbeartikeln, denn bisher wurde dies im Rahmen der akademischen Ausbildung kaum berücksichtigt. Wir bemühen uns daher um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit haptischen Werbeträgern im Vergleich zu anderen Trägermedien und wollen durch die wissenschaftliche Legitimation bezüglich Wirkung und Messbarkeit des Werbemitteleinsatzes der Bedeutung unserer Marketingdisziplin gerecht werden. Im Rahmen einer Kooperation mit der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) konnten wir bisher drei Studien veröffentlichen, auch mit regelmäßigen Gastvorträgen an der WU sowie der FH St. Pölten wollen wir der neuen Generation an Marketing-Verantwortlichen ein Instrumentarien in die Hand geben, ihren Werbemitteleinsatz fundiert begründen zu können. Die Zusammenfassungen der Studienergebnisse sind übrigens auch auf der VÖW-Webseite nachzulesen.

Pohn: Neben der Möglichkeit, sich als VÖW-Mitglied auf Wunsch auch jährlich qualitätszertifizieren zu lassen, bieten wir den Werbemittelhändlern schon mit Eintritt in den Verband die Positionierung als verantwortungsbewusster Dienstleister mit höchster Servicequalität. Denn wer die VÖW-Mitgliederkriterien erfüllt, bietet seinen Kunden Sicherheit auf vielen Ebenen – Produktqualität und -sicherheit, Rechtssicherheit und Zuverlässigkeit in der wirtschaftlichen Gebarung oder auch Stabilität der Lieferketten. Weiters können unsere Mitgliedsbetriebe auch auf ihre intensive Vernetzung in der Branche zurückgreifen und mit dem Know-how rund um neueste Entwicklungen als Trendscouts agieren. Wir setzen auf hochwertige Kundenberatung, produzieren auch Prototypen, bemustern vorab und können so Kampagnen maßgeschneidert begleiten.

LEADERSNET: Wie ist das Verhältnis zwischen Handel und Herstellern?

Haupt-Schneider: Eine gute Zusammenarbeit zwischen Handel und Herstellern ist für den Erfolg der Branche natürlich essenziell. Deshalb haben wir mit der VÖW Event Academy im Jahr 2017 auch eine praxisorientierte Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen, bei der sich Lieferantenpartner und VÖW-Mitglieder austauschen können. Bei der Event Academy werden VÖW-Mitglieder und ihre MitarbeiterInnen im kleinen Rahmen durch Produktionsstätten geführt und können sich direkt vor Ort beispielsweise über Herstellungsabläufe und -verfahren sowie Materialien informieren. Wir hoffen natürlich, dass diese Art des persönlichen Wissens- und Erfahrungsaustausches bald wieder uneingeschränkt möglich sein wird.

LEADERSNET: Was hat sich im Einsatz der Werbeartikel im Verlauf der Zeit besonders geändert?

Pohn: Die Werbeartikelbranche hat sich in den vergangenen Jahren massiv gewandelt. Stand früher oftmals lediglich das Endprodukt im Mittelpunkt, erwarten sich Unternehmen von Werbeartikelhändlern Allround-Beratung und -Service. Neben der Kreativleistung und marketingstrategischen Kompetenzen müssen HändlerInnen insbesondere auch über umfassendes Know-how zu rechtlichen Bestimmungen, Compliance und Produktsicherheit verfügen.

Was die Produkte und Materialien betrifft, ist sowohl das Qualitäts- als auch das Umweltbewusstsein gestiegen. Billige Einweg-Streuartikel, die keine Emotionen wecken und keinen Zusatznutzen bieten, sind mittlerweile out. Gefragt sind Werbeartikel mit nachhaltigem Werbewert, also tolle Alltagsbegleiter in guter Qualität und in außergewöhnlichem Design mit hoher Wiedererkennung. Auch die Herstellung aus umweltfreundlichem Material, bevorzugt „Made in Europe“, wird immer stärker nachgefragt – eine erfreuliche Entwicklung, die wir unsererseits nicht zuletzt auch mit unserem Qualitätszertifikat forcieren.

LEADERSNET: Wie soll das Zusammenspiel von digitaler Emotionalisierung und real erfahrbarem Erleben künftig vor sich gehen?

Haupt-Schneider: Eine gute Werbekampagne deckt beide Aspekte – audiovisuelle Eindrücke und haptisches Erleben – ab und entfaltet in ihrer Kombination die beste Wirkung. Audiovisuelle Medien sind eine gute Möglichkeit, durch die ihnen eigenen Sinnesreize Emotionen und Interesse zu wecken. Doch sie sind auch flüchtige Medienkanäle, ihre Botschaften müssen wiederholt werden, um zu wirken. Hier kann die haptische Werbung durch reales Erleben, Authentizität und Echtheit die Werbebotschaft massiv unterstützen und spürbar in die Alltagsrealität der Zielgruppen überführen.

Anhand eines Werbeartikels können die VerbraucherInnen ihre visuellen Eindrücke überprüfen und sich eine Meinung zum beworbenen Produkt bilden. Stimmt die Kongruenz zwischen Marke und Werbeträger, wird der Artikel automatisch mit der Markenbotschaft in Verbindung gebracht – und zwar der Produktlebenszeit entsprechend oft über längere Zeit hinweg. So leistet die haptische Werbung einen wichtigen Beitrag, dass eine Werbekampagne ihre Wirkung voll entfalten kann. Wir sehen uns also keineswegs als „Opposition“ zur digitalen Werbebranche, sondern ganz im Gegenteil als wichtiger Fulfillment-Partner.

LEADERSNET: Welche Ergebnisse vermitteln wissenschaftliche und empirische Erkenntnisse über die Effizienz haptischer Werbeträger?

Pohn: Wie nachhaltig der Einsatz von Werbeartikeln wirkt, lässt sich auch anhand der Ergebnisse der oben erwähnten Studien gut nachvollziehen, die wir in Kooperation mit der WU Wien durchführen und veröffentlichen konnten – etwa zum Einfluss von Werbeartikeln auf die Markenwahrnehmung, zum Einfluss ihrer Qualität auf ihre Verwendung & Wirkung oder zur Optimierung hinsichtlich der Erwartungen & Anforderungen seitens der KonsumentInnen. Wenn ein Werbemittel gut konzipiert ist, alle Sinne berührt und so bei den Emotionen andockt, bleibt das Erlebnis sehr lange in Erinnerung. Diese starke Präsenz und nachhaltige Wirkung als Trägermedium ist nachweislich und zeigt, welch wichtige Rolle haptische Werbemittel im Werbemix spielen und wie essenziell ihre Einbindung in eine ganzheitliche Werbestrategie ist.

LEADERSNET: Wie können die Kernbotschaften greifbar gemacht und eine Fake-Emotionalisierung vermieden werden?

Haupt-Schneider: Reale und haptische Markenbotschafter sind in Zeiten von Fake-News von großer Bedeutung. Wer nur digital kommuniziert, verliert leichter den Bezug zum und das Vertrauen des Kunden. Marken müssen greif- und spürbar gemacht werden, um real erfahrbar zu bleiben. Hier liegt unser allergrößtes Potenzial – diese Message bzw. Stärke muss transportiert werden! Entscheidend dabei ist, dass die Qualitätspositionierung einer Marke auch mit bestimmten Qualitätserwartungen an ein Werbemittel einhergehen sollte, damit die intendierten Botschaften und die realen Eigenschaften de facto übereinstimmen. Die Art des Werbemittels, das Setting der Übergabe sowie der Fit zum Unternehmen sind gleichermaßen relevante Faktoren, damit der Werbeartikel – positiv aufgeladen – nachhaltige Effekte bei den KonsumentInnen erzielen kann, etwa die Steigerung des Bekanntheitsgrades oder eine verbesserte Beurteilung einer Marke. Mit Unterstützung unserer zertifizierten VÖW-Werbemittelhändler können Werbetreibende ihre Botschaften der jeweiligen Zielgruppe entsprechend maximal wirksam und nachhaltig platzieren.

LEADERSNET: Welche Trends sind derzeit in der Branche allgemein erkennbar, welche Anforderungen kommen auf sie zu?

Pohn: In den vergangenen Monaten hat sich wieder einmal gezeigt, wie flexibel, reaktionsschnell und anpassungsfähig wir sein müssen und zum Glück sind. Die Mitglieder des VÖW zeichnet aus, dass sie sich binnen kürzester Zeit, sowohl durch ihre Kontakte als auch ihre Liefer- und Logistikketten, rasch auf neue Anforderungen der Unternehmen einstellen können und gut auf unterschiedliche Resilienz-Herausforderungen vorbereitet sind. Künftig werden das Know-how rund um vielfältige Vertriebs- und alternative Transportwege, starke Geschäftsbeziehungen sowie die präzise Kenntnis transnationaler rechtlicher Vorgaben noch stärker an Bedeutung zunehmen. Auffällig ist auch, dass viele Werbetreibende ihre Projekte gezielter und bewusster umsetzen. Verstärkte Nachfrage beobachten viele unserer Mitglieder beispielsweise bei Werbeartikeln mit nachhaltigem Werbewert, also Alltagsbegleitern in guter Qualität, außergewöhnlichem Design, hergestellt aus umweltfreundlichem Material – vorzugsweise innereuropäisch.

Haupt-Schneider: Hinsichtlich Mediennutzung, Mobilitäts- und Freizeitverhalten der KonsumentInnen wiederum zeigen sich auch interessante Ansatzpunkte für die Gestaltung der Touchpoints, sprich der Übergabesituationen, an die jeweiligen Zielgruppen – idealerweise wann und wo diese besonders empfänglich und vor allem sowohl physisch als auch emotional erreichbar für das jeweilige Werbemittel und die transportierte Message sind. Auch im Hinblick auf den Fit von Werbemittel und Branche sind Unternehmen gut beraten, nicht im Gießkannenprinzip vorzugehen, sondern die unterschiedlichen Bedarfe genauer zu betrachten. Hier sind wir als VÖW-Werbemittelhändler gefragt und gefordert, unseren Kunden beratend und realisierend zur Seite zu stehen, um ihre Werbeziele direkt bei den KonsumentInnen punktgenau zu erreichen.

Pohn: Spürbar ist auch der Trend zum individualisierten Werbemitteleinsatz. Ein Geschenk mit persönlichem Touch spricht uns emotional intensiver an und ist damit auch nachhaltiger wirksam. Ein kleines Beispiel dazu: Ein Unternehmen lädt zu einer Online-Messe ein und verschickt rechtzeitig ein CI-konformes Werbepaket mit persönlich (natürlich DSGVO-konform) gebrandetem Notizbuch, Kugelschreiber und kreativ gestalteter Kaffeetasse für einen angenehmen Messebesuch. Die Werbeartikel bleiben in täglichem Gebrauch und können über einen wesentlich längeren Zeitraum ihre Wirkung entfalten.

LEADERSNET: Wie viele Mitglieder zählt die Interessensvertretung der Werbeartikel-Händler und -Hersteller in Österreich?

Pohn: Aktuell zählen 24 namhafte Branchenvertreter zu unseren Mitgliedern.

LEADERSNET: Wie positioniert sich die Marke VÖW in Österreich?

Pohn: Der VÖW ist die Handelsdrehscheibe für die haptischen Werbeträger in Österreich und bietet sich als Plattform für die gebündelten Kompetenzen der Branche unter einem Verbandsdach an. Der VÖW und seine Mitgliedsunternehmen haben allesamt umfangreiche Expertise und jahrelange Erfahrung in korrekter und verlässlicher Abwicklung von Einkauf und Beschaffung über Kreation und Gestaltung bis zur Logistik, Bevorratung und zum wirksamen Einsatz von Werbeartikeln.

Haupt-Schneider: Der VÖW nutzt selbst einen ganzen Mix an Medien und Maßnahmen, um auf die Wichtigkeit und Wirksamkeit haptischer Werbemittel hinzuweisen. So haben wir vor einiger Zeit begonnen, beispielsweise auch die digitale Präsenz des VÖW zu stärken. Wir sind auf vielen Kanälen präsent und bieten für den Werbemittelhandel wie auch für unsere Kunden interessante Berichte, Blog-Beiträge und Social-Media-Inhalte. Wir wollen mit spannenden Themen laufend qualitätsvollen Content generieren, den jedes Mitglied auch für die eigenen Kanäle nutzen und damit einen Mehrwert für sich generieren kann.

LEADERSNET: Welche Vision haben Sie für die nahe Zukunft?

Pohn: Mit gezielter Verbandsarbeit wollen und werden wir das Image des Werbeartikels und unseres Sektors in den nächsten Monaten und Jahren weiter heben. Als Plattform zur Weiterbildung und Wissensvermittlung zeigen wir insbesondere das Potenzial und die Vorteile haptischer Werbemittel in einer zunehmend digitalen Welt auf, informieren über aktuelle Themen sowie neueste Entwicklungen in Herstellung und Verarbeitung und bieten unseren Mitgliedern Hilfestellung und Vernetzung bei allen Fragen unserer Branche. (jw)

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